„St. Moritz – Top of the World”. Unbescheiden-selbstbewusst kommt sie daher, die Weltmarke des Schweizer Tourismus. Vieles überstrahlt sie im Engadin, und es fragt sich, ob neben ihr in diesem Hochtal noch etwas anderes strahlen kann. Das hat sich Ariane Ehrat wohl auch gefragt, als sie 2008 CEO der Tourismusorganisation „Engadin St. Moritz“ wurde. Sie soll, neben St. Moritz, auch das Engadin zum Strahlen bringen. Die Organisation entstand aus dem Zusammenschluss der Tourismusorganisationen der elf Oberengadiner Kreisgemeinden. Neben der neuen Dachmarke „Engadin St. Moritz” vermarktet sie die Marke „St. Moritz – Top of the World”.
Ariane Ehrat: Überhaupt nicht. Das war kein einfacher Prozess, das mondäne St. Moritz mit den anderen Oberengadiner Gemeinden von Bever über Celerina und Sils bis Zernez und Zuoz touristisch zusammenzubringen. Das Verdienst dafür gebührt meinem Vorgänger und dem Vorstand.
Ariane Ehrat: Sie müssen sich vorstellen: Da gibt es St. Moritz, begehrenswert und bekannt in vielen Teilen der Welt. Daneben gibt es auch diese authentischen anderen Oberengadiner Tourismusorte. Jeder war Einzelkämpfer. Jede Gemeinde hatte ihr eigenes, meist bescheidenes Marketingbudget, ihre eigene Strategie und auch ein eigenes Logo. Dem Vorstand und dem damaligen interimistischen Tourismusdirektor gelang es, diese 13 Gemeinden auf einen Nenner zu bringen, damit ein gemeinsames Marketing möglich wurde. Ohne dies gäbe es die gemeinsame Marke „Engadin St. Moritz” auch heute nicht.
Ariane Ehrat: Im Jahre 2006 gab es im Oberengadin eine Volksabstimmung über die Frage, ob elf Gemeinden zukünftig die Tourismusdestination „Engadin St. Moritz” bilden wollten oder nicht – inzwischen sind noch Maloja und Zernez hinzugekommen. Das war eine weise Pioniertat der Oberengadiner, dass sie sich als erste Destination in der Schweiz zusammengerafft und im Jahre 2007 die Tourismusorganisation „Engadin St. Moritz” aus der Taufe gehoben haben.
Ariane Ehrat: Das ist doch kein Problem. Wichtig war, dass wir die Wertediskussion solide aufgebaut und durchgeführt haben. Über den Prozess konnte gelernt werden: Wow, das ist wertvoll, dass wir St. Moritz haben! Diese Erkenntnis wurde bei den Diskutierenden ins Bewusstsein gerückt.
Ariane Ehrat: Waren das Marken? – Wir verkaufen nicht Logos, sondern Inhalte. Die haben wir alle unter der Dachmarke Engadin St. Moritz” subsummiert. Ich kann in einem Katalog ja nicht 13 Ortschaften mit dem Logo verkaufen, sondern die besonderen Inhalte dieser Ortschaften, und solche Identitäten hat jede Gemeinde. Sils z. B. oder auch Pontresina und Celerina verfügen heute dank der gebündelten Marketingkräfte über eine viel größere Reichweite als vor der Bildung der Destination.
Ariane Ehrat: Ich behaupte keineswegs, dass alle direkt Betroffenen zu hundert Prozent glücklich sind. Aber ich denke, unsere Strategie ist nachvollziehbar. Ein Katalog mit einer Auflage von einer Viertelmillion Exemplaren in vier Sprachen ist für eine Engadiner Tourismusgemeinde nicht finanzierbar – unter der Marke St. Moritz oder der gemeinsamen Dachmarke „Engadin St. Moritz” ist es möglich, und plötzlich haben beispielsweise die Silser Hotels einen Auftritt auf dem russischen Markt. Das ist aber nur einer von 17 Märkten, die wir gemeinsam bearbeiten.
Ariane Ehrat: Das ist so, ja. Und da dies über das Marketingbudget der Tourismusorganisation läuft, bezahlen sie nicht zusätzlich dafür. Aber ich erwarte, dass sich die Hoteldirektion z. B. mit dem russischen Markt auseinandersetzt, dass Hoteliers, die Ski- oder Bergsteigerschule vor Ort an unseren Workshops über die einzelnen Märkte teilnehmen und so einen Eindruck davon erhalten, was ein russischer, chinesischer oder auch brasilianischer Gast erwartet und braucht. Das ist für mich eine absolute Bedingung, um von unseren Marketingaktivitäten profitieren zu können.
Ariane Ehrat: Erstere steht als Dachmarke für das Engadin als „das inspirierende Hochtal der Alpen”, wie es in unserem Positionierungs-Statement heißt. Damit bewerben wir unser touristisches Angebot offensiv nur dort, wo wir mit dem Engadin die Werthaltungen unserer potenziellen Gäste treffen, z. B. in der Schweiz, Deutschland und Italien.
Und St. Moritz?
Ariane Ehrat: „Die schillerndste Alpendestination der Welt”, lautet hier das Positionierungs-Statement, und so wird diese Marke auch eingesetzt.
Ariane Ehrat: Wir haben Russland und Japan revitalisiert, zwei Märkte, die in den letzten Jahren stagnierten. Heute haben sich die Logiernächte aus diesen Ländern praktisch verdoppelt. Dann haben wir China, Indien, die Golfstaaten und Brasilien in unser Marktportfolio aufgenommen – aufgrund der aktuellen Krise wesentlich früher als ursprünglich geplant. Wir verzeichnen hier zweistellige Wachstumsraten, noch auf tiefem Niveau natürlich.
Ariane Ehrat: Als international ausgerichtete Destination kommt mit der Globalisierung ein unglaublicher Druck auf uns zu. Wenn ich sehe, was in Singapur oder in Malaysia oder überhaupt in Südostasien touristisch veranstaltet wird, wie ein Sechs-Sterne-Hotel nach dem anderen hochgezogen wird, werde ich schon nachdenklich. Denn die Menschen reisen schnell heute, und die Preise dort sind kompetitiv. Das Engadin ist von diesen Entwicklungen natürlich tangiert.
Ariane Ehrat: Der globale Konkurrenzkampf hat sich in den vergangenen zehn Jahren massiv verstärkt. Ich musste bei Amtsantritt deshalb ganz dringend in die Diversifikation des Marktportfolios investieren. Auch, weil das Engadin traditionell überdurchschnittlich viele italienische Gäste empfängt, was in einem gewissen Sinne eben immer auch ein gewisses Risiko darstellt. Im Grunde hätten wir bereits vor zehn Jahren mit dieser Diversifikation in neue Märkte beginnen sollen.
Ariane Ehrat: Das ist sicherlich das Gute daran. Wir haben nun die Werte, die Markenwelt und das Handwerkszeug, das es braucht, um diese wunderbare Gegend hier touristisch optimal zu vermarkten. Wir sind auch flexibel genug, um bei jeder Eventualität den richtigen Pfeil aus dem Köcher nehmen zu können, unabhängig davon, was auf uns zukommt. Da bin ich überzeugt: Die Inhalte, die wir jetzt erarbeitet haben, sind das, was zählt.
Das Interview, das der Journalist Wolfgang Unterhuber für Brand Trust führte, erschien als vollständige Fassung in unserem » Buch „No.1 Brands – die Erfolgsfaktoren starker Marken“
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