Im Gegenzug zur aktuellen Entwicklung von Mehrmarkensystemen, bei denen der Trend zu weniger Marken erkennbar ist, versuchen sich immer mehr Unternehmen auf sogenannte Markenallianzen oder Co-Branding-Aktivitäten mit Partnerunternehmen einzulassen. Dabei ist nicht jeder Partner der Heilsbringer, auch wenn er noch so attraktiv scheint.
Co-Branding ist seit INTEL und GORE-TEX® zum Trend in der B2B-Welt geworden. Wurde in Ihrem Unternehmen auch schon darüber diskutiert, ob man nicht gemeinsam mit Kunden oder Partnern werben könnte, um so einen noch größeren Werbeeffekt zu erzielen? Auf diese Weise könnte man ein Publikum erreichen, zu dem sonst keine Geschäftsbeziehung besteht. Das nennt man auch Pull-Marketing. Was damit gemeint ist: Die Kunden Ihrer Kunden sollen so lange ziehen, bis Ihre Kunden nicht anders können, als Sie für die Herstellung von Zwischenprodukten zu präferieren.
Ob diese Marketingstrategie aufgeht, ist sehr fraglich. Oder gehören Sie zu den Automobilkäufern, die Ihren Neuwagen deshalb kaufen, weil eine Bremse von Brembo eingebaut ist? Nein? Dann sind Sie nicht alleine. Dass Sie aber vielleicht darauf achten, welche Soundanlage eingebaut ist und deren Her- stellermarke auch kennen möchten, könnte schon eher wichtig für Sie sein! Aber kaufentscheidend wird es trotzdem nicht.
Wann funktioniert es, ein Zwischenprodukt als Marke gegenüber den Kunden Ihrer Kunden einzusetzen? Und wann macht es Sinn, gemeinsam mit den Marken anderen Lieferanten aufzutreten, gleichgültig ob es sich dabei um Kooperationspartner auf der gleichen Wertschöpfungsstufe oder auf einer nachgelagerten Wertschöpfungsstufe handelt? Dass eine solche Kooperation durchaus wertsteigernd sein kann, zeigen neben den genannten Beispielen auch Marken wie BOSE, Quattro oder Dolby.
Wie kann aber die Wertschätzung für die eigene Leistung durch die Zusammenarbeit mit einem anderen Partner erhöht werden?
Lenkt eine solche Partnerschaft nicht eher von der eigenen Leistung ab?
Wäre es nicht besser, sich auf sich selbst zu konzentrieren?
Um diese Fragen zu beantworten, ist es zunächst wichtig zu erwähnen, dass es wie immer in der realen Welt nicht nur ein Konzept der Markenallianz gibt. Häufig werden Ingredient-Branding-Konzepte wie GORE-TEX® oder INTEL als die Lösung schlechthin präsentiert.
Ähnlich wie beim Thema Markenarchitektur gibt es höchst unterschiedliche Ansätze, wie Partnermarken gemeinsam vorgehen können. Es muss also nicht nur geklärt werden, ob eine Markenpartnerschaft generell infrage kommt, sondern auch, welche Form der Markenpartnerschaft. Die Art der Partnerschaft ist von folgenden Kriterien gekennzeichnet:
Dauer: Für wie lange soll eine solche Partnerschaft eingegangen werden?
Wertschöpfungsstufe: Befinden sich die Markenpartner auf der gleichen Stufe der Wertschöpfungsstufe oder auf nachgelagerten Stufen?
Angebot: Handelt es sich um eine Verknüpfung oder Ergänzung der Angebote beider Partner?
Kommunikationsintensität: Soll situativ eher lose oder strategisch geplant und intensiv gemeinsam kommuniziert werden?
Verantwortung für das Endprodukt: Wird die Verantwortung für das Einhalten des Markenversprechens durch beide oder nur einen Partner übernommen?
Je nach Erfüllung der einzelnen Kriterien findet man unterschiedliche Typen einer Markenpartnerschaft. Angefangen von einer eher situativen, kommunikationsintensiven Co-Promotion bis hin zu einem strategisch geplanten Ingredient Brand. Bei dieser steht der Markeneigner zwar auf der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe, er übernimmt aber trotzdem die Verantwortung für die Qualität des Endprodukts.
Wenn eine Adidas-Jacke mit GORE-TEX® nicht wasserdicht ist, können Sie die Jacke bei GORE-TEX® reklamieren. Eine Revolution für viele Vorlieferanten. Die wollen zwar Ihr Vorprodukt im Endprodukt „branden“, für das damit abgegebene Versprechen aber keine Verantwortung übernehmen.
Dabei unterschätzen viele Lieferanten die Tatsache, dass Kunden in der Regel nicht wissen, welcher der beiden Co-Branding-Partner welche Verantwortung hat. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass Kunden angeben, sie hätten sich eine GORE-TEX®-Jacke gekauft, obwohl GORE-TEX® überhaupt keine Jacken herstellt. Der Kunde hat höchstens eine MAMMUT-Jacke mit GORE-TEX® gekauft.
Die Marke, die für den Endkunden in der betreffenden Situation die höhere Relevanz hat, wird zur Verantwortung gezogen. Sie hat aus Sicht der Kunden das Versprechen zu halten.
Aus meiner Sicht spielt die Übernahme der Verantwortung eine zentrale Rolle, wenn man gewillt ist, eine Markenallianz einzugehen. Und zwar egal, ob diese offensiv promoted wird oder verdeckt gehalten ist und höchstens in den Wirtschaftsnachrichten wahrgenommen wird.
Wenn Mercedes eine Rückrufaktion wegen einer Bosch-Einspritzpumpe hat, fällt der Schaden zunächst auf Mercedes, einerlei wie viel Co-Promotion Mercedes und Bosch zu diesem Thema vorher gemacht haben. Und dabei ist es völlig gleichgültig, auf welcher Ebene die Kooperation entsteht. Selbst wenn die Marken nur auf Vertriebsebene zusammenarbeiten, erwarten Kunden die Qualität, die sie aus der Zusammenarbeit mit einer der beiden Marken gewohnt sind.
Dieses Phänomen kann man aber auch positiv für sich nutzen. Denken Sie nur an die „Wiedereinführung“ der Marke MINI. Obwohl die Marke komplett eigenständig angelegt war, ging sie in der Distribution eine Markenallianz mit BMW ein. Gerade zu Beginn der Markteinführung konnte man MINI vornehmlich in BMW-Autohäusern kaufen. Zumindest, bis die MINI-Outlets neben den BMW-Verkaufshallen fertiggestellt waren. Ob beide Marken wollten oder nicht, Käufer erwarteten unbewusst sofort eine bestimmte BMW-Qualität in einem MINI.
Einer der Kardinalsfehler solcher Markenpartnerschaften liegt darin, die Chancen weit größer einzuschätzen als die Risiken. Dabei ist ein möglicher Reputationsverlust eines der größten Risiken. Dieses Risiko ist aber gleichzeitig am schwersten vorhersehbar. Es tritt zum Beispiel dann ein, wenn erwartete Markenversprechen der Kunden vom Kooperationspartner nicht eingehalten werden.
Gerade wenn Technologieunternehmen nicht an das Ende der Wertschöpfungskette liefern, versuchen sie häufig dort um die Aufmerksamkeit der Endverbraucher zu buhlen. Sie lassen sich von der Bekanntheit potenzieller Co-Branding-Partner blenden. Wissen Sie aber, ob Ihr Markenkooperationspartner zum Wertesystem Ihrer eigenen Marke passt und ob Sie dem Kunden Ihrer Kunden überhaupt einen relevanten Nutzen bieten?
Ist Ihnen beim Kauf Ihrer neuen Outdoor-Jacke auch schon einmal aufgefallen, wie viel Bekleidungstechnologien dort um Ihre Aufmerksamkeit buhlen? Bis zu acht verschiedene Anhänger finden Sie an einer Jacke. Vom Stoff, der Stoffbehandlung über die Wind- und wasserdichte Ausrüstung bis zum Reißverschluss ist alles mit einer eigenen Marke präsent.
Das bewirkt bei Kunden genau das Gegenteil von dem, was Marke eigentlich liefern soll: Orientierung und Wertschätzung für die erbrachte Spitzenleistung. Es steigert die Verwirrung der Kunden. So geht es nicht nur Ihnen als Endverbraucher, so geht es jedem Kunden, der mit zu vielen Marken und Markenbotschaften überfrachtet wird.
Wenn Markenallianzkonzepte allerdings gut gemacht, strategisch geplant und zueinander passend aufgebaut sind, können Sie die Glaubwürdigkeit, Attraktivität und Differenzierung beider Marken erhöhen.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Fachbuch „Value Branding – vom hochwertigen Produkt zur wertvollen Marke“ (» Haufe Verlag). Der Autor » Jürgen Gietl, Managing Partner Brand Trust, beschreibt darin, wie » B2B-Marken und insbesondere ingenieurgetriebene Technologiemarken erfolgreich aufgebaut und geführt werden können. Die praxisnahen Ratschläge eignen sich zum Beispiel für Marken der IT, Biotechnologie, Chemie, Automotive, Maschinenbau, Textil, Automobilzulieferung, Logistik und Medizintechnik.
Sie können das Markenfachbuch direkt auf unserer Website bestellen: » „Value Branding – vom hochwertigen Produkt zur wertvollen Marke"
Bereits das dritte Mal in Folge wurden wir 2023 vom Wirtschaftsmagazin FOCUS als Top Unternehmensberatung ausgezeichnet. Auch in diesem Jahr wurden die exzellente Leistung und die im Gedächtnis bleibende Kompetenz unserer Berater sowohl von Kunden als auch von Kollegen wertgeschätzt.
Wir freuen uns über diese Wertschätzung und danken unseren Kunden und Kollegen.
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