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30. September 2013

Special.T – echte Innovation oder ein Me-too-Produkt ohne Relevanz?

Nestlé will mit der Teekapsel-Marke Special.T den Erfolg der Kaffeemarke Nespresso wiederholen. Doch simples Imitieren funktioniert nicht – zu unterschiedlich sind Getränke und Zielgruppen.

Tee ist des Deutschen zweitliebstes Heißgetränk – nach Kaffee, versteht sich. Und er wird immer beliebter: » 2013 kaufen knapp 25% der Deutschen nach eigener Einschätzung mehr Tee als im Vorjahr. Weltweit liegt Tee sogar auf Platz eins und auch in Ländern wie China und Russland steigt der Konsum. Die aufgebrühten Blätter profitieren vom Gesundheits- und Wellness-Trend und werden zunehmend als Lifestyle-Getränk wahrgenommen.

Deshalb wird der Teemarkt für Unternehmen immer interessanter. Sie träumen von einem Tee-Hype, wie ihn der Kaffeemarkt bereits erlebt hat.

Auch Nestlé will sich diese Chance nicht entgehen lassen und wendet sein Kaffeekapsel-Erfolgsmodell der Marke » Nespresso nun auch für Tee an: » Special.T. Aber funktioniert das? Kann man die Markenstrategie einer Kaffeekapselmarke einfach auf ein anderes Heißgetränk übertragen? Es gibt einige Indizien, die vermuten lassen: Nestlés Kalkül könnte nicht aufgehen.

Wird Special.T der gleiche Erfolg gelingen wie Nespresso?

Die Marke Nespresso ist inzwischen weltweit erfolgreich: Sie ist in fast 60 Ländern vertreten, und Nestlé machte mit den Kaffeekapseln 2012 laut » Wirtschaftswoche 4,4 Milliarden Franken (3,6 Milliarden Euro) Umsatz.

Die Spitzenleistungen Nespressos basieren auf jahrzehntelanger Erfahrung, was die Marke nicht nur attraktiv, sondern auch glaubwürdig macht. Deshalb verfügt die Marke über viele Fans. Dies hat zur Folge, dass Nespresso nach eigenen Angaben mehr als die Hälfte der Kunden durch Mund-zu-Mund-Propaganda gewinnt.

Die neue Teekapselmarke Special.T soll nun an diesen enormen Erfolg anknüpfen – mit dem Konzept, das sich schon bei Nespresso bewährt hat: Sie soll Teetrinkern zum einen über 25 qualitativ hochwertige Teemischungen bieten und zugleich das Herstellen eines guten Tees vereinfachen. Tee auswählen, Kapsel in die Maschine, Knopf drücken, warten – fertig. Die speziell für die Zubereitung von Tee entwickelte Maschine erkennt die Teesorte und wählt automatisch die optimale Temperatur und Ziehzeit.

Aber reicht das aus? Kann Special.T auf diese Weise jene Verbraucher gewinnen, die Wert auf hohe Qualität und Bequemlichkeit legen – und deshalb gerne bereit sind, mehr zu bezahlen? Eher nein, das Nespresso-Prinzip scheint für Tee weniger geeignet. Die Gründe:

  • Spitzenleistungen gelten nur bedingt: Dass Tee gelingt, ist nicht zwangsläufig von der Maschine abhängig – die richtige Zubereitung ist eher eine Frage der menschlichen Sorgfalt und des Wollens. Zeitmessen und Wasserkocher mit Temperaturanzeige – sofern man diese je nach bevorzugter Teesorte überhaupt benötigt – sind überall erhältlich. Jeder kann Tee „perfekt“ herstellen, sofern er nur will. Außerdem ist der „perfekte Geschmack“ subjektiv, weshalb für Tees üblicherweise bei Ziehzeit und Aufgusstemperatur nur vage von-bis-Angaben empfohlen werden. Das bedeutet: Eine Maschine macht individuellen Teegenuss unmöglich.

  • Fehlender Nutzen: Den Vorteil von Nespresso, für nur eine Person ein Getränk zuzubereiten, genießen Teetrinker längst: Sie benutzen einfach einen Teebeutel. Dieser fehlende Nutzen hat negativen Einfluss auf die Attraktivität der Marke.

  • Die Zielgruppe ist eine andere: Die Besitzer von Special.T sehen sich weniger als „Teeexperten“ und schätzen ihr Teewissen ähnlich ein wie Verwender von Teebeuteln. Die Marke spricht also nicht, wie es Nespresso gelingt, die Qualitätsliebhaber an – trotz der laut Nestlé hochwertigen Teesorten in den Kapseln.

  • Special.T könnte lediglich als Ergänzung angesehen werden: Es ist fraglich, ob die Besitzer von Special.T auf die Zubereitung weiteren Tees (etwa eine ganze Kanne voll, was ja für Teeliebhaber typisch ist) verzichten – oder ob sie das Produkt nur als teure Alternative für faule Tage nutzen. Schließlich kostet eine Tasse Nestlé-Tee 37 Cent statt der 10 bis 15 Cent, die ein gewöhnlicher Teebeutel in etwa kostet.

  • Keine Nachhaltigkeit: Das Produktkonzept ist, wie auch bei Nespresso, in keinster Weise nachhaltig: Die Kapseln führen zu „haufenweise Müll“, wie Stiftung Warentest schlussfolgert. Und was dem Gesundheits-Trend widerspricht, auf den Special.T aufspringen will.

  • Fehlende Einzigartigkeit: Tassimo von Mondelez kann ebenso wie das Nestlé-eigene System Dolce Gusto neben Kaffee auch Tee zubereiten und ist damit flexibler. Die Marke tritt damit nur bedingt differenziert auf, wodurch eine abgrenzende Positionierung schwierig ist.

Wieso also sollten Konsumenten den knappen Platz in der Küche einer weiteren Maschine opfern?

Dank Werbung satt besitzt die Marke Special.T eine hohe Bekanntheit – aber reicht das?

Nestlé ist ambitioniert und will innerhalb eines Jahres mindestens ein Prozent der deutschen Teetrinker gewinnen – und setzt dabei vor allem auf Bekanntheitsförderung durch Online- und TV-Kampagnen. Das scheint zu funktionieren: Bereits kurz nach Markteinführung in Deutschland kennen 38 Prozent der Deutschen Special.T. Doch eine relativ hohe Bekanntheit reicht nicht aus, um Kunden zu gewinnen – eine bekannte Marke ist noch lange nicht attraktiv. Dafür müssen relevante Spitzenleistungen glaubwürdig vermittelt werden.

Nestlé will mit der Kampagne in erster Linie die weibliche Kundschaft ansprechen. Doch Werbebotschaften allein reichen nicht – vor allem dann nicht, wenn eine anspruchsvolle und kritische Zielgruppe wie urbane Frauen überzeugt werden müssen. Generell sind Konsumenten mit hohem Qualitätsanspruch sehr aufgeklärte Verbraucher, die nichts blind glauben und erkennen, wenn Spitzenleistungen fehlen oder überflüssig sind – und das trifft vermutlich auch auf die Special.T-Zielgruppe zu, die Liebhaber einer „perfekten Tasse Tee“.

Die Spitzenleistungen sind also prinzipiell vorhanden, sind jedoch für die angepeilte Zielgruppe nur bedingt attraktiv.

Der Special.T-Vertrieb präsentiert die Maschinen in Nespresso-Boutiquen – keine gute Idee

Zur Markteinführung kann die – im Gegensatz zu Nespresso-Maschinen – sehr nach Plastik anmutende Special.T-Maschine in den Nespresso-Boutiquen in Düsseldorf und Hamburg ausprobiert werden. Richtig, sie können dort nur angesehen, bestaunt und getestet werden. Danach muss sie der Interessent im Internet bestellen – aber erst, nachdem er dem Special.T-Club beigetreten ist. Begründung: Nespresso habe mit Special.T eigentlich nichts zu tun, man stelle nur die Räumlichkeiten für die Präsentation zur Verfügung.

Es sind und bleiben zwei unterschiedliche Marken, die lediglich das Konzept teilen – und deshalb besser getrennt voneinander präsentiert werden sollten. Die zwei großen Gefahren der Präsentationsmethode in Nespresso-Boutiquen:

  • Sie verwässert beide Marken

  • Sie verwirrt die Kunden

Diese Art des Vertriebs erweckt folglich den Anschein, dass die Marken Special.T und Nespresso zusammengehören. Das liegt nicht nur am gemeinsamen Ausstellungsort, sondern auch daran, dass das Special.T-Vertriebsmodell identisch ist zu jenem, das Nespresso vor Einführung seiner Boutiquen hatte: Maschine sowie Kapseln werden über einen Club und damit über ein geschlossenes Vertriebssystem an die „Frau“ gebracht.

Zudem sorgte Nestlé dafür, dass keine anderen Kapseln in die Special.T-Maschine passen. Dieses Modell trug wesentlich zum Erfolg von Nespresso bei. Es basiert auf den Systemen der Luxus-Industrie. Der Vorteil ist, dass auf diese Weise alle Markenkontaktpunkte zentral geregelt werden können. Ein klares Differenzierungsmerkmal bietet der Club jedoch kaum, da das System durch Nespresso bereits bekannt ist und als Nachahmung wahrgenommen wird.

Aus markenberaterischer Sicht gibt es also noch einiges zu tun für Special.T. Das sollten die Markenmanager beachten, um erfolgreich zu sein:

  1. Bedürfnisse wecken: Gerade innovative Produkte müssen den Bedarf für ihren Einsatz erst schaffen. (Auch Henry Ford hatte damit zu kämpfen, dass eher schnellere Pferde als Autos gefragt waren.) Diese Aufgabe liegt nun vor Special.T: Die Marke muss sich ihre eigene Relevanz aufbauen.

  2. Vermittlung von Spitzenleistungen: Special.T muss mehr bieten als einen bequemen Weg, um eine Tasse Tee herzustellen. Die Auswahl hochwertiger Tees, die durch die Kapsel hermetisch geschützt sind sowie die ideale Zubereitung per Knopfdruck sind Leistungen, die noch besser vermittelt werden müssen, um die Attraktivität der Marke zu erhöhen.

  3. Markenkontaktpunktmanagement: Auch Nespresso musste erst seinen eigenen Weg finden und bietet nun mit den Boutiquen ein exklusives Einkaufserlebnis. Special.T muss eine eigene Herangehensweise noch finden und dafür sorgen, dass die Leistungen an allen Markenkontaktpunkten erlebbar werden.  

  4. Special.T als eigenständige Marke: Es wichtig, dass Special.T-Kunden nicht das Gefühl haben, dass sie die „Teevariante von Nespresso“ gekauft haben. Special.T ist eine eigenständige Marke mit der Zielgruppe Teetrinker und nicht Kaffeetrinker. Teetrinker müssen anders angesprochen und der Markennutzen Special.T-typisch vermittelt werden, um die Marke nicht zu verwässern. Deshalb muss sich Special.T von Nespresso lösen und Nestlé sollte die Markenarchitektur klar kommunizieren und leben.

Wird es Special.T gelingen, seine Spitzenleistungen – einfache Teeherstellung bei gleichzeitig hoher Produktqualität – glaubwürdig zu vermitteln? Nestlé gibt sich jedenfalls sehr selbstbewusst und launchte seine Innovation im August in einem Land mit einer besonders ausgeprägten Teetradition: in Japan. In einem Land wie diesem wird Special.T seine Existenzberechtigung erst recht beweisen müssen.


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