Wussten Sie, dass die Markenführung nicht in den USA erfunden wurde? Sondern hierzulande, in Hamburg? In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts beschrieb der damalige Markenberater » Hans Domizlaff in seinem Werk » Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens – ein Lehrbuch der Markentechnik (1. Auflage: 1939) die wichtigsten Grundlagen, nach denen sich die » Markenbildung und » Markenführung noch heute ausrichten.
Auch heute noch gilt: Wenn es um die Markenführung geht – vor allem um die Führung hochpreisiger Brands – sind Europäer die wahren Profis. Von uns können Amerikaner noch vieles lernen.
Dies ist einer der Gründe, warum ich die neue aktualisierte Ausgabe des Buchs » Was Marken unwiderstehlich macht: 101 Wege zur Begehrlichkeit (erschienen 2009) in englischer Sprache veröffentlicht habe: In » “101 Triggers to Boost Your Brand – How companies can grow in saturated and competitive markets“ finden Interessierte 101 fundierte Beispiele, wie sie die Anziehungskraft und Begehrlichkeit von B2C- und B2B-Marken steigern können.
Das Buch soll also nicht nur deutsche und europäische Unternehmer inspirieren, sondern auch Markeninhaber in den USA und anderen Ländern.
Doch auf den ersten Blick scheint es, als seien US-Unternehmen die unangefochtenen Markenhelden. Das kommt nicht von ungefähr: Ob Softdrinks, Zigaretten, Mode, Fahrzeuge, Hotelketten, Informationstechnologie bis hin zu Fast-Food- und Kaffeehausketten – amerikanische Marken beherrschen die globale Multiplikation besser als jede andere Kultur.
Ein starker Zukunftsglaube, verbunden mit einem ausgeprägten Sinn für Machbarkeit und Verkaufsmöglichkeiten, hilft den US-Unternehmen, ihre Marken in der ganzen Welt zu multiplizieren.
Wenn man das Verkaufen verstehen will, muss man von den Amerikanern lernen. Sie rücken die latenten oder offensichtlichen Wünsche der Kunden im Mittelpunkt und machen sie unmittelbar zu Geld. Haben Sie in den USA schon einmal ein Auto gemietet? Ein Europäer erwartet eine Buchung, fertig. Für die Amerikaner aber fängt der eigentliche Wertschöpfungsprozess dann erst an.
Die Buchung ist für sie nur der Rahmen für zahlreiche Zusatzangebote, die dem Kunden das Reisen bequemer, günstiger, unterhaltsamer oder sicherer machen. Der Mietende darf zum Beispiel wählen zwischen Manager-Promotion, Weekend-Rate oder ein Tourist-Special. Dafür bekommt er dann ein Upgrade in der Fahrzeugklasse. Und weiter geht’s mit Extra-Versicherungen, GPS-Navigationssystemen und Allrad-Antrieb. Der Einfallsreichtum scheint hier keinen Grenzen zu kennen. Wie verlassen und ignoriert muss sich ein Amerikaner bei einem Mietwagenschalter in Deutschland vorkommen.
Doch bei der Entwicklung von Marken in höherwertigen Preissegmenten gibt es, abgesehen von wenigen Beispielen wie Harley Davidson und Apple, so gut wie keine Erfolgsgeschichten aus den USA. Warum?
Um Marken systematisch wertvoller zu machen, damit sie dauerhaft hochpreisig verkauft werden können, bedarf es Unabhängigkeit, Weitsicht und einer langfristig angelegten Strategie. Für die amerikanische Wirtschaft ist genau das ein Problem: Ihre „Hire & Fire“- sowie „Umsatz jetzt“-Mentalität steht im Weg.
Der Niedergang der amerikanischen Autoindustrie und des amerikanisch geprägten Finanzsystems, die Unfähigkeit von Fast-Food-Ketten und Lebensmittelherstellern, sich jenseits von kurzlebigen Trends den aktuellen globalen Strömungen in Gesundheit, Ernährung und Lebensstil nachhaltig anzupassen, zeigt den mangelhaft ausgeprägten soziokulturellen Hintergrund der in den USA praktizierten Art der Markenführung.
Die Ursache für diesen Mangel liegt in der Tatsache, dass das in Europa dominant vertretene Unternehmenskonzept in den USA fast gänzlich fehlt: der Mittelstand. Doch gerade diese Unternehmensform – inhabergeführt, oft in dritter, vierter Generation mit klaren Besitzverhältnissen, hoher Eigenkapitalquote und für alle Marktpartner berechenbares Verhalten – ist geeignet, um Marken nachhaltig zu entwickeln und aufzuwerten.
Amerikaner kennen Kleinbetriebe, Start-ups sowie Konzerne. Die gesamte Wirtschaftsphilosophie oszilliert zwischen diesen beiden Polen. Einmal eine gute Idee haben, sie umsetzen, Kapital einsammeln, und sie national und global ausrollen, so lautet das Mantra der amerikanischen Wirtschaftkultur – von Studenten über deren Professoren bis zu Bankern und Analysten. Dies soll keine Kritik am US-Wirtschaftssystem sein, die Kritik bezieht sich einzig auf die gedankenlose Übertragung des amerikanischen „Way of Business“ auf europäische Verhältnisse.
Europäische Markeninhaber sollten deshalb nicht „blind“ amerikanischen Erfolgsgeschichten nacheifern, sondern sich darauf besinnen, wie attraktiv und begehrenswert europäisch geprägte Marken für die amerikanischen Kunden sein können.
Viele Markenkonzepte – von Luxus über Tradition bis Handwerk – entstanden in Europa und können auch nur von hier starten, um die Welt zu erobern. Ein starker soziokultureller Hintergrund, wie wir ihn in Europa haben, verbunden mit einer vielschichtig darin verwobenen mittelständischen Industrie macht es erst möglich, weltweit dauerhaft begehrte Marken zu schaffen.
Übrigens erkannte man bereits in Domizlaffs Standardwerk aus den 30er Jahren den Unterschied zwischen der USA und Europa: Im Gegensatz zu den üblichen US-Lehrbüchern fehlen darin Themen wie Orientierung am Shareholder-Value, schnelles Wachstum und Umsatzgewinn, Marktforschungs- und IT-Gläubigkeit.
Stattdessen konzentrierte sich Domizlaff darauf, worum es in der » Markenstrategie wirklich geht: um das nachhaltige Gewinnen des Kundenvertrauens. Hier können Amerikaner von uns lernen.
» 101 Triggers to Boost Your Brand – How companies can grow in saturated and competitive markets (2013)
» Was Marken unwiderstehlich macht: 101 Wege zur Begehrlichkeit (2009)
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