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8. Januar 2014

Der Cronut-Wahnsinn oder: Anleitung zur Steigerung der Markenbegehrlichkeit

Eine kleine Bäckerei in New York macht vor, wie man Markenbegehrlichkeit aufbaut. Vor ihr stehen jeden Tag Menschen für ein besonderes Gebäck in der Schlange: den Cronut™. Eine Erfolgsanalyse.

New York gehört zu den Städten auf der Welt, in denen man – mit dem nötigen Kleingeld – fast alles zu jeder Zeit haben kann. Das Angebot ist überwältigend: Wer auswärts essen gehen will, muss sich für eines der rund 18.000 Restaurants entscheiden. Kurz Brot beim Bäcker holen? Auch hierfür hat der New Yorker rund 2000 Optionen. Wie groß ist also die Chance, dass die 2001ste Bäckerei dank einer neuen Gebäckkreation innerhalb weniger Monate nicht nur in New York, sondern weltweit berühmt wird? Sie geht gegen Null.

Trotzdem, genau das ist passiert: Dominique Ansel, Inhaber der » Ansel Bakery in Soho (Manhattan) erfand den Cronut™. Es handelt sich bei diesem „Hybridgebäck“ um eine einzigartige Mischung aus einem Donut und einem Croissant. Der croissant-ähnliche Teig ist geformt wie ein klassischer Donut, mit einer Creme gefüllt und einer Glasur verfeinert. Er wird für 5 Dollar pro Stück verkauft.

Schon kurz nach Markteinführung im Mai 2013 brach in New York die „Cronut™-Hysterie“ aus, „Die Szenen vor der Bäckerei wecken Erinnerungen an die Schlangen vor den Läden von Apple, als das iPhone herauskam“, schreibt die » FAZ. Der Cronut™ hat mittlerweile Fans auf der ganzen Welt und ist „the most virtually talked about dessert item in history“. Sogar das » japanische Fernsehen drehte kürzlich eine Reportage über das Gebäck. Ich persönlich habe es nicht geglaubt, bis ich sie mit eigenen Augen gesehen habe: Die lange Schlange vor der Ansel Bakery um acht Uhr morgens, an einem ganz normalen Wochentag.

Bis heute gibt es drei Möglichkeiten, um in den Genuss eines originalen Cronut™ zu kommen:

  1. Früh aufstehen: Wer ab sechs Uhr, also rund zwei Stunden bevor die Bäckerei öffnet, in der Schlange steht, hat gute Chancen, einen frischen Cronut™ zu ergattern. Das Angebot ist auf 350 Stück pro Tag limitiert und die Abgabemenge auf 2 Stück pro Person und Tag beschränkt.

  2. Lange warten: Jeden Montag können Cronuts™ ab 11 Uhr in der Bäckerei telefonisch vorbestellt werden. Die Wartefrist beträgt rund 2 Wochen.

  3. Viel bezahlen: Man sucht in Kleinanzeigen nach jemanden, der sich für einen in die Schlange stellt und den Cronut™ frisch ab Bäckerei nach Hause liefert. Kostenpunkt: 25 bis 30 Dollar pro Stück.

Natürlich, Glück braucht man immer für eine Erfolgsgeschichte wie diese. Doch Zufall ist es nicht, dass Dominique Ansels Cronut™ in kürzester Zeit zum begehrtesten Gebäck der Welt wurde. Was hat er aus » markenstrategischer Sicht richtig gemacht?

1. Er liefert kompromisslose Spitzenleistungen:

Dominique Ansel ist in der New Yorker Gastro-Szene kein unbeschriebenes Blatt. Bevor er sich 2011 mit seiner Bäckerei selbständig machte, erwarb er sich einen Namen bei Daniel Boulud als Executive Pastry Chef im New Yorker Restaurant Daniel. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem wurde er 2009 vom Dessert Professional Magazin zu einem der „Top 10 Pastry Chefs in the United States“ ernannt.

In die Kreation des weltweit einzigartigen Rezepts für seinen Cronut™ ließ Dominique Ansel sein ganzes Wissen und seine Erfahrung einfließen: Während zweier Monate probierte er über 10 verschiedene Rezepte aus, bis ihm das perfekte Gebäck gelang. Der Herstellungsprozess der Cronuts dauert bis zu drei Tage. Sie werden von Hand gemacht und täglich frisch in der Bäckerei hergestellt. Jeweils einen Monat lang sind die Cronut™ in einer einzigen, neu entwickelten Geschmacksrichtung erhältlich.

2. Er vermittelt den Wert und die Einzigartigkeit seiner Leistungen selbstbewusst:

Dominique Ansel weiß, was in seinem Cronut™ steckt und scheut sich nicht, dies zu kommunizieren. Er legt höchsten Wert auf seine Einzigartigkeit. So wies Ansel höchstpersönlich Victoria Beckham auf Twitter darauf hin, dass es sich bei ihrem geposteten Foto » um einen Fake und nicht um originale Cronut™ handelt. Und auf seiner Website stellt er klar: „Bis heute ist die Dominique Ansel Bäckerei die einzige Bäckerei weltweit, die den Cronut™ verkauft. Das Produkt ist einzigartig und darf nicht verwechselt werden mit anderen ähnlichen Croissant-Donut-Hybridgebäcken.“

Die Produktmarke Cronut™ ist weltweit geschützt. Wenn einer der zahlreichen Nachahmer auf die Idee kommt, sein Gebäck unter dem Namen zu verkaufen, dauert es nicht lange, bis er von Ansels Anwälten hört. So geschehen beispielsweise bei Migros in der Schweiz, die nun ihre Kopie freiwillig auf den Namen „Big’O“ umgetauft hat, um einem Rechtsstreit zu vermeiden.

Dass er nur 350 Stück pro Tag verkauft, begründet Ansel schlicht und einfach: Er habe aufgrund des aufwändigen Herstellungsprozesses nicht die Kapazitäten für eine größere Produktionsmenge. Mit diesem cleveren Schachzug schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen vermittelt die Aussage den Wert, der in einem Cronut™ steckt: aufwendige Herstellung und Handarbeit. Zum anderen nutzt er ein wichtiges Mittel zur Erhöhung der Begehrlichkeit: Verknappung. Je knapper etwas ist, desto kostbarer und begehrlicher wird es.

3. Er nutzt die Weiterempfehlungsbereitschaft seiner Fans:

Dominique Ansel beweist: Wer weiß, wie man Fans gewinnt und für sich nutzt, braucht kein hohes Marketingbudget, um einen Welterfolg zu landen. In seinem Fall reichte » ein Artikel im New Yorker Restaurant-Blog Grub Street

Mit diesem spricht Dominique Ansel einen Tag vor der Einführung im Mai den innersten Kreis seiner Fans an: New Yorker Gastro Insider, die ihn für seine exzellenten Desserts schätzen. Genau diese Menschen sind die ersten, die sich für seine neueste Kreation interessieren und einen Cronut™ probieren werden.

Dann kommt der „Moment of Truth“: Erfüllt die Kreation die Erwartungen der Ansel-Fans? Wenn die Erwartungen exakt erfüllt werden, passiert nicht viel. Es gibt nichts Besonderes zu erzählen. Werden die Erwartungen enttäuscht, kommt die Spirale in Gang – nur in die falsche Richtung: Die Fans sprechen schlecht drüber. Ausschließlich wenn der Cronut™ die Erwartungen der Ansel-Fans übertrifft, werden diese zu Promotoren und empfehlen das Produkt weiter.

Letzteres ist eingetreten: Die Ansel-Fans waren begeistert und begannen, dies mit ihren Freunden und Kollegen zu teilen. So ging das kaskadenähnlich weiter. Bis irgendwann die Schlange vor der Bäckerei frühmorgens so groß wurde, dass diese Tatsache allein Interesse und Begehrlichkeit weckte und Medien aus der ganzen Welt darüber berichteten.

4. Er schafft unvergleichbare Markenerlebnisse für seine Kunden:

Dominique Ansel weiß, wie wichtig Fans sind: Das Warten in der Schlange vor der Bäckerei macht er zum Erlebnis. In regelmäßigen Abständen werden die Kunden mit Häppchen verschiedener Leckereien aus der Bäckerei versorgt. Es gibt klare Warteregeln und feste Rituale, wie man in die Bäckerei kommt. Eine Mitarbeiterin öffnet die Türen, lässt etwa 15 Personen in die Bäckerei, bringt den anderen Wartenden ein frisches Brot und verschwindet dann wieder. Sicherheitspersonal sorgt dafür, dass sich alle an die Spielregeln halten und das Warten stressfrei bleibt.

Wer es rechtzeitig in die Bäckerei geschafft hat, verlässt diese stolz mit dem golden verpackten Cronut™ in der Hand zusammen mit einem Kärtchen „I got a Cronut“. Das triumphierende Lächeln in den Gesichtern der Menschen zeigt, dass sie diesen Moment niemals vergessen und noch vielen von dem besonderen Erlebnis erzählen werden.

5. Er ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus:

Ist der Cronut™-Wahnsinn womöglich nur ein kurzfristiger Hype? Dominique Ansel müsste sich für die Antwort auf diese Frage eigentlich brennend interessieren. Tut er aber nicht, denn er ist in Gedanken schon in der Zukunft. Längst beschäftigt er sich intensiv mit der Kreation neuer, einzigartiger Desserts, die seine wichtigste Marke „Dominique Ansel“ mit neuen Spitzenleistungen aufladen und ihre Begehrlichkeit weiterhin steigern.

Auch das macht Ansel richtig: Langfristig erfolgreiche Marken ruhen sich nicht auf ihrem Erfolg aus, sondern haben die » Stärke, sich auf dem Höhepunkt des Erfolgs selbst herauszufordern und ihre Energie in die Entwicklung neuer Spitzenleistungen zu stecken. Dominique Ansel ist nicht nur ein begnadeter Bäcker – er ist auch ein cleverer Markenstratege.

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