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15. Dezember 2015

Starbucks verlässt seine Kaffeespezialisten-Nische: Gefahr oder Chance?

Die größte Kaffeehauskette der Welt verkauft in den USA nun auch Wein und Bier, um das müde Abendgeschäft anzukurbeln. Welche Auswirkungen hat das auf die Marke Starbucks?

„Treffen wir uns heute Abend auf ein Glas Wein bei Starbucks?“ Das ist kein Scherz, sondern neuerdings tatsächlich möglich: in über 70 Starbucks-Filialen in den USA. Neben Kaffee, Tee und Gebäck stehen dort ab 16 Uhr auch Wein, Bier und herzhafte Speisen auf der Karte. „Starbucks Evenings“ nennt die größte Kaffeehauskette der Welt ihr neues Angebot.

Starbucks ist vor allem am Morgen und am Nachmittag bei den Kunden beliebt. Mit dem Evenings-Konzept will die Kette den umsatzschwachen Abend beleben. Der Kunde soll nicht nur seinen Tag bei Starbucks starten, sondern ihn dort auch ausklingen lassen können. Das speziell entwickelte Abendmenü umfasst zehn Weine, zehn kleine Speisen sowie lokale Craft-Biere.

Starbucks hat das Kaffeetrinken neu erfunden

Starbucks hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten zum weltweiten Kaffeespezialisten entwickelt. Dies liegt vor allem daran, dass er das Kaffeetrinken revolutioniert hat. Wer hätte in den 90ern schon geglaubt, dass es bald normal sein wird, seinen Kaffee im Pappbecher durch die Straßen tragen? In Großstädten ist dieses Bild heute nicht mehr wegzudenken. Der Kaffee „to go“ hat sich zum Lifestyle-Produkt entwickelt.

Zudem hat Starbucks ein neues Kaffeeritual entwickelt, das sich weltweit durchgesetzt hat. Kunden wählen aus über 87.000 Kombinationen ihren individuellen Kaffee aus, nennen ihren Namen und holen ihre Kreation am Ende der Theke ab. Die speziell ausgebildeten Coffee Master sorgen dafür, dass Starbucks-Kunden immer die gleichbleibende Qualität erhalten – egal, ob sie ihren Pumpkin Spice Latte in Nürnberg, New York oder Neu Delhi bestellen.

Coffee Houses sind Wohlfühlorte

Doch die Marke steht für mehr als nur für eine Tasse Kaffee. Starbucks hat mit seinen „Coffee Houses“ Orte entwickelt, die zum Verweilen einladen. Die großen Sessel, die dunklen Holzfußböden, der süßliche Kaffeegeruch, die freundlichen Mitarbeiter, der kostenlose WLAN-Zugang – all das trägt dazu bei, dass sich Menschen bei Starbucks wohlfühlen.

Bei Starbucks besteht kein Zwang, ständig etwas zu konsumieren, um bleiben zu können. Es besteht auch kein Zwang, sich zu verabreden – zu Starbucks kann man auch alleine gehen. Die Marke hat einen Ort kreiert, der neben dem Zuhause und der Arbeit, einen wichtigen Platz im Leben der Menschen einnimmt: einen „Third Place“. Menschen gehen zu Starbucks, um sich mit anderen zu treffen, zu arbeiten, zu lesen oder im Internet zu surfen.

Standardisierung vermittelt Sicherheit

Starbucks gibt dem Kunden Sicherheit. Dies geschieht vor allem durch die weltweite Standardisierung: Der Bestellprozess, das Angebot, die Service- und Produktqualität sowie die Einrichtung der Coffee Houses sind überall gleich – egal, wo der Kunde sich gerade auf dieser Welt befindet. Die Erwartungen der Kunden an die Marke werden konsequent erfüllt und Enttäuschungen vermieden. Solche positiven Markenerlebnisse schaffen Vertrauen, Loyalität und eine höhere Zahlungsbereitschaft.

Mit der Erweiterung des Angebots um Bier und Wein ab 16 Uhr bewegt sich Starbucks nun raus aus seiner Kaffeespezialisten-Nische. Das Thema Kaffee verliert seine zentrale Stellung. Mit dem Evenings-Konzept entwickelt sich Starbucks zu einem Ort, wo sich Menschen auch am Abend wohlfühlen können.

Kann ein Kategorienwechsel vom Kaffeespezialisten zum „Third Place“ für die Marke funktionieren?

Contra: Die Risiken der Starbucks-Evenings

  1. Der Sprung von Kaffee zu Alkohol ist für die Kunden sehr groß. Kunden trauen Starbucks eine hohe Kaffeeexpertise zu, aber bis jetzt hat die Kette nicht bewiesen, dass sie auch eine Wein- und Bierkompetenz besitzt. Starbucks weiß sicherlich, welche Kaffeebohnen für den perfekten Kaffee benötigt werden – aber nach welchen Kriterien wählt Starbucks seine Weine und Biere aus? Kann ein „Coffee Master“ auch Wein empfehlen?

  2. Mit dem neuen Konzept nimmt der hohe Grad der Markenstandardisierung ab. Das bedeutet eine größere Unsicherheit für die Kunden, sie haben nun viele Fragen: In welchen Filialen gibt es das neue Abendmenü? Ändert sich damit auch das Kaffeeangebot? Warum setzt die Marke plötzlich auf lokale und nicht auf globale Weine und Biere?

  3. Ein vielfältigeres Angebot bedeutet weniger Spezifik. Dadurch besteht die Gefahr, dass dies die Marke schwächt, weil für den Kunden nicht mehr klar ist, wofür die Marke eigentlich stehen soll.

Pro: Die Chancen der Starbucks-Evenings

  1. Starbucks kann sich klar vom Wettbewerb differenzieren: Während die Wettbewerber alle noch fleißig das Kaffeekonzept von Starbucks imitieren und damit beschäftigt sind, es besser zu machen, ist Starbucks dem Markt einen Schritt voraus. Die Kette nutzt seine Wohlfühlatmosphäre und kreiert ein Konzept, das genau auf dieser Stärke aufbaut. Die Kunden verweilen gerne bei Starbucks, das Angebot von Wein und Bier könnte dazu passen.

  2. Das neue Konzept gibt dem Kunden einen Grund, abends zu Starbucks zu gehen. Starbucks setzt sich damit genau in die Nische zwischen Coffee House und Bar – das gemütliche Ambiente, gepaart mit dem erlesenen Angebot einer Bar. Starbucks entzieht sich der Vergleichbarkeit und schafft für seine Kunden einen einzigartigen Ort.

  3. Mit dem Evening-Konzept bricht Starbucks aus gewohnten Branchenstandards aus und sorgt für einen Wow-Effekt: Alkohol in einem Coffee House – das hat keiner erwartet. Schon das ist Grund genug für die Menschen, das neue Angebot auszuprobieren. Und die Marke noch mehr zu lieben.

  4. Eine Differenzierung allein über das Produkt Kaffee ist nicht mehr möglich. Je mehr Nachahmer in den Markt drängen, desto austauschbarer werden die Produkte. Starbucks hat den » markenstrategischen Mut, nun einen Schritt weiter zu gehen und sich so von seinen Wettbewerbern abzugrenzen. Das Angebot von alkoholischen Getränken macht deutlich, dass Starbucks künftig nicht mehr als Coffee House wahrgenommen werden möchte.

Starbucks Evenings ist aus Markensicht erfolgreich, wenn die Marke durch das Konzept insgesamt gestärkt wird – und das Konzept nicht nur als einzelnes Element erfolgreich wird. Sonst wäre es lediglich eine Markendehnung mit der Subbrand „Evenings“.

Die Kür besteht nun darin, den Kategorienwechsel vom Kaffeespezialisten zum Third Place zu meistern. Ich glaube, dass Starbucks dieser Sprung gelingen kann. Die Kunden entscheiden sich unabhängig von der Tageszeit für die Marke, weil sie einen Ort suchen, wo sie sich wohlfühlen und ihre kostbare Zeit verbringen möchten. Nicht mehr die Standardisierung der Produkte gibt den Kunden dann Sicherheit, sondern die Standardisierung des Gefühls, das ausgelöst wird, wenn sie bei Starbucks sind – aber das muss überall auf der Welt das Gleiche sein: morgens, mittags und abends.

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