Kevin Plank, Gründer des Sportartikelherstellers Under Armour, hat ein ehrgeiziges Ziel: „Wir wollen die Nummer eins unter den globalen Sportmarken werden.“ Auf dem hart umkämpften und gesättigten Markt will Plank also größer werden als Nike, die unangefochtene Nummer eins unter den Sportartikelherstellern; mit einem neunmal höheren Umsatz als Under Armour.
Ambitioniert oder verrückt? Aus markenstrategischer Perspektive wohl eher verrückt.
Die Erfolgsformel von Under Armour
Woher nimmt Plank das Selbstbewusstsein, Nike den Krieg zu erklären? Die Marke Under Armour hat einen rasanten Aufstieg hinter sich. Das ist kein Zufall – sondern der Genialität seines Gründers zu verdanken. Plank hat schon früh verstanden, was für eine erfolgreiche » Markenführung nötig ist. Mit drei einfachen Grundsätzen baute er Under Armour zu einer erfolgreichen Marke auf:
1. Know who you are
Under Armours Erfolgsformel lautet „Make a Great Product“. 1995 entwickelte Kevin Plank ein T-Shirt, das alles konnte, was es bisher nicht gab: Ein Funktionsshirt, das „unter der Rüstung“ (Under Armour) den Schweiß absorbiert und den Oberkörper kühlt. Mit diesem T-Shirt war es Under Armour gelungen, eine neue Kategorie im Sportmarkt aufzubauen: „Performance Apparel“.
In den ersten fünf Jahren produzierte Under Armour nur dieses T-Shirt. Durch die Fokussierung auf diese Kategorie ist es Under Armour gelungen, zum Spezialisten zu werden und das Vertrauen der Profisportler zu gewinnen.
2. Know where you are going
Die Ausstattung von Profisportlern war nur der Anfang. Mit der » Erweiterung der Produktlinie im Jahr 1997 um ColdGear, TurfGear, AllseasonGear und StreetGear wurde Under Armour für alle Sportler begehrenswert. Allerdings gab es kein Patent für Funktionsbekleidung und Nachahmer in der Kategorie ließen nicht lange auf sich warten. Mit den Technologien Nike Dri-Fit, Adidas ClimaLite und Reebok PlayDry wollten sich auch andere Sportmarken einen Stück vom Kuchen sichern.
Under Armour sah sich plötzlich in der Defensive: Der einstige Pionier wurde in seinem eigenen Markt von allen Seiten angegriffen. Er musste neue Wege einschlagen. Für eine Marke eine schwierige Phase: Sie muss sich weiterentwickeln, darf sich aber nicht zu weit von ihren Wurzel entfernen. Um diese Situation zu meistern, entschloss sich Under Armour, auf Wachstum zu setzen – und zwar volle Kraft voraus. Wachstum sollte vor allem durch die Produktion von Frauenbekleidung, von Sportschuhen und die Expansion ins Ausland generiert werden.
3. Don’t get distracted by too many things
Under Armour fokussierte sich dabei stets auf seine eigenen Stärken. Bei der Produktentwicklung ging es darum, anders zu sein als der Wettbewerb. Das T-Shirt wurde entwickelt, um den Schweiß des Sportlers zu absorbieren. Es ist somit ein wichtiger Bestandteil der Ausrüstung, die es dem Athleten ermöglicht seine beste Leistung zu geben. Deshalb wurden ausschließlich Produkte hergestellt, die zur Leistungssteigerung dienten – keine anderen. Bei dem neuesten Produkt ging man wieder diesen Weg und entwickelte mit einem BH-Produzenten den ersten Sportschuh mit einer nahtlosen Fersenkappe, den Speedform Gemini.
Under Armour ließ sich nicht vom Wettbewerb ablenken. Statt Produkte des Wettbewerbs einfach zu verbessern, hatte Under Armour schon immer den Anspruch, Sportler durch innovative und neue Produkte zu begeistern und ihre Leistungsfähigkeit zu steigern.
Diese drei Grundsätze haben zum rasanten Aufstieg der Marke beigetragen. Durch den Vormarsch in die beiden neuen Bereiche Frauenbekleidung und Sportschuhe, ist es sogar gelungen, Adidas in den USA zu überholen. Nun soll Nike vom Thron gestoßen werden.
Die Spezifik darf dem Wachstum nicht zum Opfer fallen
Neben der Ausweitung des Sortiments soll vor allem das Erschließen ausländischer Märkte Under Armour weiteres Wachstum bringen. Europa steht hier ganz oben auf der Liste, denn hier will die Marke langfristig über 50 Prozent ihres Umsatzes erwirtschaften. Derzeit sind es noch neun Prozent.
Für eine Marke birgt Wachstum aber auch Risiken. Zu schnelles Wachstum kann dazu führen, dass sie sich zu stark von ihren Wurzeln und damit von ihrer Identität entfernt. Die Folge: Die Marke verliert an Profil, sie wird immer ähnlicher.
In gesättigten Märkten, vor allem unter den Sportmarken, gibt es schon genug vom Gleichen. Es wird immer schwieriger, sich zu differenzieren und für den Kunden attraktiv zu sein. Da tut eine Marke wie Under Armour mit ihren Ecken und Kanten gut – sie bringt frischen Wind in einen Markt, in dem die Anteile eigentlich schon längst verteilt sind.
Laut Plank war das Funktionsshirt noch nicht die genialste Erfindung von Under Armour – die gilt es noch zu entwickeln. Diese unersättliche Lust auf Neues treibt die Marke voran. Sie ist das, was die Kunden an der Marke wertschätzen, was sie so begehrenswert macht. Aber eins ist klar: es braucht Zeit, geniale Ideen als Produkte zu realisieren.
Aus » markenstrategischer Sicht wäre es also vermessen, diese Andersartigkeit aufzugeben, um möglichst schnell die Nummer Eins zu werden. Die große Herausforderung für Under Armour wird sein, die Balance zwischen Genialität und Wachstum zu wahren. Die Marke darf nicht der Versuchung unterliegen, alles aufs Spiel zu setzen, um über Nike zu triumphieren. Denn Nike wird sicherlich dagegenhalten, um seine Nummer-Eins-Position unter den Sportmarken weltweit zu sichern.
Die Marke Under Armour ist bereits jetzt zu wertvoll, als dass man sie für größenwahnsinnige Visionen aufs Spiel setzen sollte.
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