Abstract
„Aldis will weg vom Billig-Image: Das ist so, als ob BMW wegen der aufkommenden Konkurrenz bei Elektrofahrzeugen sein Image als PS-potenter Autohersteller abstreifen wollte.“
Deutschlands renommierteste Discounter Aldi und Lidl versuchen sich in der emotionalen Markenkommunikation. Die Entscheider der beiden Billighandelsketten glauben offenbar, Kunden aus Premiumsegmenten in ihre Discounter locken zu können und bemühen dazu aufwändige TV-Kampagnen mit gefühlszentrierten Botschaften. Von der Kernkompetenz, Preisführer zu sein, bleibt wenig übrig – doch gerade diese begründet die Existenz der beiden Marken.
Discounter und Handelsmarken sind Marken – und zwar bedeutende. Genau deshalb haben sie die Berechtigung, sich in der Kommunikation wie solche zu verhalten und hohe Budgets in TV-, Online - und Printkommunikation zu stecken. Der Werbehandzettel wäre selbst für häufige Discounter-Kunden keine adäquate Ansprache mehr.
Auch Discounter brauchen eine Top-Performance
Discounter dürfen in ihrer Kommunikation, sowohl in ästhetischen Ansprüchen als auch in der Wahl der Werbeträger, nicht hinter anderen Marken anstehen – auch wenn dies einst ein „Gesetz" war. Günstig im Produktangebot zu sein heißt noch lange nicht, in seiner Kommunikation billig daherkommen zu müssen.
Die entscheidende Frage ist: Wie muss eine Discount-Marke agieren, wenn sie sich selbst treu bleiben will? Der neue TV-Spot von Aldi versucht sich hier in fremden Gewässern: Darin erfährt der Verbraucher aus Kindermund, dass die überbordende Auswahl in normalen Supermärkten doch Quatsch sei – und das reduzierte Angebot des Discounters völlig genüge: „Wählt doch einfach das Richtige und befreit euch vom Rest. Warum? Darum." Wer soll so einen Spruch einem unter dem Tisch spielenden Kind und einem Dreijährigen in der Wasserpfütze abnehmen?
Weder geht ein Verbraucher zu Aldi, weil er die Welt durch Konsumverzicht verändern will, noch weil er sich vom Vollsortiment im EDEKA überfordert fühlt.
Die Reduktion auf Weniges ist der Grund für günstige Preise, dem ersten Kaufmotiv. Dafür stehen die Marken Lidl und Aldi sowie alle anderen Anbieter von Norma bis Penny. Es wird Aldi schwerfallen, die Kundenerwartung des „Preispremium nach unten" loszuwerden. Pop-Up-Stores von Lidl mit Designermode, wie letzthin in Hamburg, sind nette Experimente und schaffen eine gute, kurzfristige Aufmerksamkeit; auch die Markenartikel in den Aldi-Läden sind gute Zugpferde einer „Haben wir auch"-Idee – aber weder die eine noch die andere Offensive zahlt auf die DNA eines Discounters ein.
Das Billig-Image ist der große Wert
Aldis Unternehmensverantwortliche kommunizieren, dass sie mit diesen Aktionen das Billig-Image loswerden möchten. Das wäre so, als ob BMW wegen der aufkommenden Konkurrenz bei Elektrofahrzeugen sein Image als PS-potenter Autohersteller abstreifen wollte.
Zwar verliert die Discount-Branche Marktanteile an Rewe und EDEKA: nicht mehr 41 Prozent (2010) der Konsumenten kaufen lieber billig, sondern nur noch 38 Prozent (2016). Aber daraus den Schluss zu ziehen, man müsse mit schöneren Läden, emotionaleren Kampagnen und seichteren Werbesprüchen den eigenen Markenkern rundschleifen, ist ein eklatanter Fehler in der Markenführung.
Wenn die letzte Umfrage nach Kundenzufriedenheit bei Discountern Aldi auf den zweiten Platz verweist und Norma an die erste Stelle bringt, sagt dies schon einiges aus. Wer Discounter ist, muss es auch sein wollen und dies in allen Momenten ausdrücken. Die Aldi-Kampagne „Einfach ist mehr" wäre erst dann gut, wenn der Kunde verstünde, dass er davon ausgehen kann, dass Aldi immer noch den günstigsten Preis hat.
Aldi kann von Air Berlin lernen
Wer sich in einer Kategorie versucht, die er nicht beherrscht, erleidet Schiffbruch. Air Berlin wollte von einer erfolgreichen Urlaubsairline zum weltweiten günstigen Linienanbieter werden: ein bisschen Ryanair und ein bisschen Lufthansa. Nun ist der Kampf gegen beide verloren. So könnte es bei Aldi werden, wenn der Discounter auch ein bisschen EDEKA sein will.
Aldi verleugnet in seiner Werbekampagne seine Marke: das Preisargument. Doch gerade dieses begründet den Kern der Marke.
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