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9. Mai 2016

Die Marke Coca-Cola braucht mehr Stildichte

Die Weltmarke Coca-Cola kehrt zu ihrem Markenstil mit roter Farbe zurück. Hinter dem Redesign steckt zugleich eine umfassende Änderung der Markenarchitektur.
Dürfen große Brands ihre strenge Formensprache verlassen? McDonald’s würde man auch in Grün und als Café erkennen. Adidas auch mit roten Streifen. Und Coca-Colas Stevia-Ausführung erkennt wohl jeder, trotz grüner Mutation des „Weiß auf Rot“ gelernten Schriftzugs.

Nach diversen Ausbrüchen aus der eigenen Stilistik rudert » Coca-Cola nun zurück: mit einer groß angelegten „One Brand“-Initiative. Silver-Light-Cola, Black-Zero-Cola und Green-Life-Cola bekommen ab 2016 die Grundfarbe Rot. Man wolle sich wieder fokussieren, meint Marcos de Quinto, Chief Marketing Officer bei The Coca-Cola Company: „Damit erhält die Produktgruppe Coca-Cola eine einzige, einheitliche visuelle Identität, und für die Verbraucher wird es noch einfacher, sich ihre Coca-Cola mit oder ohne Kalorien, mit oder ohne Koffein auszusuchen”, sagt de Quinto.

Coca-Cola will mit aller Kraft Markenstärke zurückgewinnen. Das hat der Konzern auch dringend nötig. Der starke US-Dollar lässt die Einnahmen aus Übersee geringer ausfallen. Und der Trend zu mehr Gesundheit und Wellness bremst den Verkauf der zucker- und kalorienhaltigen Limonaden.

Starbrands müssen ihre Vorrangstellung zeigen

Ehemals als wertvollste Marke der Welt gefeiert, musste der Getränkegigant 2013 mitansehen, wie die Marken Google und Apple im » Markenranking von Interbrand an ihm vorbeizogen und Coca-Cola auf den dritten Platz verwiesen. Zwar lief das Geschäft im Gesamtkonzern in den Bereichen Wasser und Brausen besser als je zuvor – allerdings schwächelt der Absatz mit den Coca-Cola-Klassikern seit geraumer Zeit.

Dies schmerzt sogar den größten Getränkehersteller der Welt mit seinen 500 Marken. Die Verantwortlichen wissen um die Gefahr, wenn die Cash-Cow – der Starbrand mit dem Anspruch, auf höchstem Niveau bekannt und attraktiv zu sein – und damit das Kerngeschäft Schwächen zeigt.

Selbst große Marken verlieren extrem schnell an Kundenvertrauen, wenn sie nicht dauerhaft als führende Stars der Branche gesehen werden. Man erwartet vom Marktführer, dass er Themen und Entwicklung seiner Branche anführt. Tut er es nicht, oder zu wenig, verringern sich die Wechselbarrieren zu anderen Konkurrenzprodukten merklich.

Zu den wichtigen Voraussetzungen des Markenerfolgs gehören, neben den wahrnehmbaren Spitzenleistungen, » Klarheit und Eindeutigkeit. Diese Gesetzmäßigkeiten können zwei Dimensionen haben:

  • Eine Marke grenzt sich damit von den Wettbewerbern durch eine hohe Spezifik ab, wird unverwechselbar.
  • Die Marke tritt stilistisch verdichtet auf und wird von Konsumenten unmittelbar erkannt.

Klarheit schafft Vertrauen

Starke Marken dürfen bei Kunden und Fans keinen Zweifel an ihrer Unverwechselbarkeit aufkommen lassen. Nur wer sich seiner Lieblingsmarke voll anvertrauen kann, sich ihrer Leistungen und ihrer Kontinuität sicher sein kann, belohnt dies mit Zuwendung und Wiederkauf. » Hans Domizlaff, der Begründer der Markenlehre und -technik, formulierte es in seinem Buch „Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens“ sehr treffend: „Die Gleichförmigkeit der Verpackung und Aufmachung bedeutet eine augenscheinliche Sicherheit bezüglich der unbedingt verlangten Gleichförmigkeit der Warenbeschaffenheit.“

Die Korrelation zwischen der garantierten Markenqualität und der diese Sicherheit ausdrückenden Form ist also das Entscheidende. Nur wenn beides zusammenspielt, bildet sich die Marke im Kopf des Verbrauchers. Die konsistenteste und stildichteste Verpackung könnte bei einer schlechten oder wechselnden Qualität des Produkts nicht vor dem Misstrauens des Kunden bewahren. Dies gilt auch umgekehrt: Eine Marke riskiert ihre Wertigkeit, wenn die Verpackung die Qualitätskontinuität nicht anhand eines eindeutigen Stils verkörpert.

Riskant: Wenn Innovation gegen Tradition spielt

Coca-Cola hat diese Wahrheiten zu lange in Frage gestellt. Nur so ist es möglich, dass der Konzern für seine Produkte Farbcodes akzeptierte, die nicht als Markenfarben, sondern vielmehr als Leitfarbe für die Produkte fungieren sollten: die zuckerreduzierten Light-Produkte wurden mit den Prestigefarben Silber und Schwarz „veredelt“. Und die mit Stevia-Süße versetzte Cola Life sollte sich über die Farbe Grün als „Du darfst-Produkt“ etablieren.

Verloren hat bei dieser Strategie die Klarheit der Marke Coca-Cola: Weiße Schrift auf rotem Grund.

Markentechnisch könnte man den angekündigten Verpackungs-Relaunch als Änderung der Coca-Cola-Markenarchitektur betrachten. Was sich in der Öffentlichkeit als „neue Kampagne“ darstellt, ist in Wirklichkeit ein großer Eingriff in das bisherige System. Coca-Cola Light, Zero und Life waren im Hause Coca-Cola als eigene Produktmarken angelegt: darauf deutete schon das sehr eigenständige Design hin – bis zu den konzernintern getrennten Abteilungen.

Coca-Cola glaubte daran, dass sich mit Produkten, die auf einzelne Zielgruppen zugeschnitten sind, neue Käuferschichten erobern ließen, die der klassischen Zuckerbrause bisher misstraut hatten.

Coca-Cola ändert seine Markenarchitektur


Wenn Coca-Cola nun die bisher eigenständig geführten Produktmarken sehr eng an die Muttermarke heranführt und diese in Zukunft als Markenmutationen ihres Klassikers managt, dann will man offenbar der Fangemeinschaft größere Individualisierungsmöglichkeiten des Softdrinks Coca-Cola bieten. Mit dieser Markenstrategie setzt man wieder auf die eigene Fan-Community. Coca-Cola erkennt den Wert dieser Identitätsgemeinschaft und schielt weniger auf mögliche Potenziale.

Coca-Cola macht also die Schotten dicht. Die Leitfarbe Rot wird als eindeutiges Erkennungszeichen in Form einer Scheibe über den seit 130 Jahren existierenden Schriftzug gesetzt. Diese Demonstration an Stildichte ist ein klares Signal dafür, dass man sich in der Markenführung dichter und konsequenter aufstellen will als in den vergangenen Jahrzehnten. Dass dies zu erheblichen Einsparungspotenzialen in der Kommunikation führt und zu erhöhter Effizienz in allen Werbeinitiativen, liegt auf der Hand. Eine Marke mit drei Mutationen braucht nicht drei Kampagnen – sondern nur eine.

Die „One Brand“-Initiative Coca-Colas könnte für andere Marken Anlass sein, die eigene Markenarchitektur auf den Prüfstand zu stellen. Diese vier Fragen warteten dann auf eine klare und ungeschönte Antwort:

  1. Markenbeziehung: Stärken sich die Marken des Portfolios gegenseitig oder schwächen sie sich? Wie hoch ist das Kannibalisierungsrisiko untereinander?
  2. Markenstärke: Haben die Marken die Möglichkeit, aufgrund ihrer Spezifik eigene Kundengruppen anzusprechen?
  3. Markenwert: Sind die Markenversprechen ähnlich oder annähernd gleich? Steigen Markenvertrauen und Sicherheit des Kunden, wenn nur noch eine Marke spricht?
  4. Markenstil: Lassen sich die Marken klar als Familie und aus einem Hause kommend erkennen? Hilft dies ihrer Attraktivität oder schadet es ihrer Glaubwürdigkeit?

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