Abstract
Die Zwei-Marken-Strategie sorgt dafür, dass beide Marken getrennt voneinander wahrgenommen werden und hat mehrere positive Effekte. Die Orte des Engadins offerieren nun gemeinsame Angebote, können alle Leistungsträger besser einbinden und freuen sich über eine Zunahme bei nationalen Gästen.
Wenn ein Unternehmen mehrere Produkte für unterschiedliche Anspruchsgruppen verkauft, macht es aus markenstrategischer Sicht Sinn, getrennte Marken aufzubauen. Im Schweizer Kanton Graubünden gibt es ein Beispiel, wie eine Zwei-Marken-Strategie wertstiftend gelingen kann: das Oberengadin.
Ausgangslage: Alle 13 Tourismusstellen unter ein Dach
Durch einen regionalen Entscheid wurden die 13 Gemeinden des Oberengadins 2007 zu einer touristischen Dachorganisation zusammengeschlossen. So kamen alle Tourismusstellen unter das Dach einer gemeinsamen Tourismusorganisation: mit einem zentralen Vorstand, Geschäftsführung sowie einem Team. Diese Organisation arbeitet im Auftrag der Oberengadiner Gemeinden. Ihr Ziel: die bekannteste und begehrenswerteste Feriendestination der Alpen zu werden.
2008 war das Jahr, in dem die Tourismusorganisation BrandTrust hinzuzog, um ihr ehrgeiziges Ziel zu erreichen. „Ein Projekt wie dieses war einmalig, so etwas gab es in der Schweiz und im gesamten Alpenraum noch nicht", erzählt Klaus-Dieter Koch, der die Destination von Anfang an bei ihrer Markenarbeit begleitete.
Herausforderung: Rückgang der Übernachtungen und ein starker Franken
Die markenstrategische Ausrichtung touristischer Orte, Gemeinden oder Destinationen ist sehr komplex, denn für einen spürbaren und nachhaltigen Erfolg müssen dazu alle Beteiligten einbezogen werden – vom Hotelier bis zum Ferienwohnungs-Vermieter oder Seilbahnbetreiber. Touristische Leistungsträger und Einheimische haben viele unterschiedliche Erwartungen, Zielsetzungen und Bedürfnisse. Das war auch bei Engadin St. Moritz der Fall.
Die Herausforderung, vor der die neu geschaffene Tourismusorganisation vor zehn Jahren stand, war der Zusammenschluss von 13 sehr unterschiedlichen Oberengadiner Gemeinden, zwischen Maloja und Zernez. Diese mussten gebündelt werden, damit sie gemeinsamen Erfolg erringen können.
Das Vorhaben war bis dahin einzigartig im Alpenraum und wurde von der Herausforderung begleitet, dass der „Leuchtturm" der Region, St. Moritz, nicht zum restlichen Engadin passte.
Auch die Probleme waren unterschiedlicher Natur: So verzeichnete gerade St. Moritz einen Rückgang bei Gästen aus der Schweiz und den Euro-Ländern
Der starke Franken seit 2011 wurde zudem für das Oberengadin wie auch für die Schweiz eine Herausforderung. Dies wurde vor allem im Tourismus deutlich. „Eine spontane Verarmung der Gäste, sobald sie die Grenze passieren, ist eben kein reizvolles Motiv für einen Familienurlaub." Die Situation zwang alle Schweizer Destinationen zu handeln – und den Weg vom chancenlosen Preisvergleich Richtung Wertvermittlung und Wahrnehmung zu gehen.
Strategie: Mit einer Zwei-Marken-Strategie die Unterschiede als Vorteil nutzen
Für diese vielschichtigen Herausforderungen konnte es keine einfache Gesamtlösung geben. Zumal Studien zeigten, dass beispielsweise die Schweizer das Engadin liebten, St. Moritz jedoch als nicht anziehend empfinden. Also war der erste wichtige Schritt, die Unterschiedlichkeit in der Wahrnehmung der Gemeinden zu erkennen und dies als starken Vorteil auszuarbeiten und zu nutzen.
„Die Antwort auf diese Herausforderungen war eine Zwei-Marken-Strategie. Mit dieser kann einerseits die Strahlkraft von St. Moritz genutzt und andererseits die sehr unterschiedlichen Oberengadiner Gemeinden gebündelt werden." Beschreibt Ariane Ehrat, CEO der Tourismusorganisation Engadin St. Moritz.
So dient die Marke St. Moritz als Türöffner für die Fernmärkte sowie für ein anspruchsvolles, hochklassiges Publikum. Denn St. Moritz übt noch heute eine mondäne Anziehung auf seine Gäste aus, die sich aus dem damaligen Jetset, der höchsten Dichte an 5-Sterne-Hotels sowie einmaligen Sport- und Kulturereignissen wie dem White Turf oder Festival da Jazz, speist. „Hinter dem Mythos St. Moritz stecken beeindruckende Pioniertaten aus der Vergangenheit", sagt Hugo Wetzel, Präsident Tourismusorganisation Engadin St. Moritz.
Nur St. Moritz hat dank seiner lokalen Verortung und der einmaligen Historie die Chance, die schillerndste Alpendestination weltweit zu sein. Seine Positionierung stärkt das gesamte Engadin und ist ein bedeutender Anker im Wettbewerb mit anderen internationalen Orten.
Das Engadin hingegen kann mit seinem vielfältigen Angebot die Nahmärkte, vor allem die Schweiz, themengenau bedienen. Es bietet, eingebettet in ein atemberaubendes Hochtal, einen Kontrastreichtum, den es in dieser Form kein zweites Mal gibt. Unter dem Markendach des Engadin kann sich jede der 12 Gemeinden mit einem eigenen Fokus positionieren und gleichzeitig in der Gesamtansprache die Stärke des Engadins nutzen. So hat sich Pontresina mit seiner Bergsteiger-Historie und dem einfachsten Gletscherzugang weltweit auf das Thema alpinen Genuss konzentriert. Sils hingegen bietet mit seiner Kultur-Tradition einen einmaligen Kontrast zum Alltag.
Quelle: Tourismusorganisation Engadin St. Moritz
Ergebnis
Die Marke Engadin St. Moritz zeigt, dass eine konsequent implementierte Zwei-Marken-Strategie erfolgreich sein kann. Nach knapp zehn Jahren des Managements einer solchen Grossdestination lohnt es sich, Bilanz zu ziehen.
Dass die Zwei-Marken-Strategie der richtige strategische Ansatz für die Destination Engadin St. Moritz ist, belegen mehrere Indikatoren:
St. Moritz
1. Wachstum trotz starken Frankenkurses: Entgegen dem gesamtschweizerischen Trend (-18 %), konnten die Hotel-Logiernächte aus China 2016 um +13.5 % gesteigert werden.
Quelle: Tourismusorganisation Engadin St. Moritz
2. Mehr Stärke durch Abgrenzung: Durch die klare Trennung beider Marken gelang eine messbare Stärkung der Einzelmarke St. Moritz. Dies wurde durch Markforschungsergebnisse sowie durch das zweistellige Wachstum in 2016 in den neuen Märkten (China +13,5 %, Indien +20,5 %, Golfstaaten +31,9 % und USA +20,5 %) belegt.
Entwicklung Anteile Gästemix in Prozent und Hotel-Logiernächte (LN), 2005 - 2015:
Quelle: Tourismusorganistion Engadin St. Moritz
3. Passende Markenkontaktpunkte: Um die Einzelmarke St. Moritz zu stärken, wurden neue Projekte initiiert und umgesetzt, beispielsweise das „St. Moritz Magazin", der Umbau der klassischen Informationsstelle in eine iLounge sowie die Feierlichkeiten rundum 150 Jahre Wintertourismus, die auf die Sporttradition des Ortes einzahlten.
Engadin St. Moritz
1. Ausbau durch neue Angebote: Die Gäste des Engadin profitieren von neuen Angeboten, die erst durch das Bündeln der Synergien entstanden. Dazu gehören flächendeckende Angebote wie „Bergbahn inklusive" und „Hotel + Skipass".
2. Wachstum bei nationalen Gästen: Die klare Unterscheidung der beiden Marken sorgte für eine überproportionale Rückgewinnung der Schweizer Gäste im Engadin (+4,8 %).
3. Mehr Engagement der Leistungsträger: Die Leistungsträger – zum Beispiel Seilbahnbetreiber, Hoteliers, Gastronomen können nun an der Entwicklung der Destination aktiv mitwirken. Die klare Markenstrategie schuf den gemeinsamen Handlungsrahmen für das nötige „Wir-Gefühl".
Trennscharfe Wahrnehmung beider Marken: Die Zwei-Marken-Strategie sorgt dafür, dass beide Marken getrennt voneinander wahrgenommen werden (ANM. Folie 6+7). Durch diese neue Struktur gelingt Engadin St. Moritz eine eindeutigere Ansprache in einzelnen Märkten und Segmenten und kann für Gäste und Partner das passendste Angebot zu entwickeln.
Interview mit Ariane Ehrat, CEO der Tourismusorganisation Engadin St. Moritz
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Touristische Leistungsträger und Einheimische haben viele unterschiedliche Erwartungen, Zielsetzungen und Bedürfnisse. Das war auch bei Engadin St. Moritz der Fall.
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