Von der Vermittlungsplattform Airbnb hört man, sie wolle sich zu einem vollwertigen Reiseportal entwickeln. Aus unternehmensnahen Kreisen wird kolportiert: Das Startup, das durch das Vermitteln privater Wohnungen zum Konzern aufgestiegen ist, möchte seinen Kunden demnächst nicht nur Unterkünfte vermitteln, sondern auch Flüge und Mietwagen.
Weil auch Airbnb seinen Finanzgebern zeigen muss, dass sich deren Investition möglichst schnell in bare Wertsteigerung umsetzen lässt, will das Portal offenbar in die Breite wachsen. Die Überlegung scheint zu sein: Wenn schon Vollsortimenter wie Reiseveranstalter und Vermittlungsportale auf diese Weise ihre Wertschöpfungskette verlängern, müsste das doch ebenso für Airbnb ein lukratives Geschäftsmodell sein? Immerhin weiß Airbnb, wie man mit Provisionen umgeht, kennt das Reisegeschäft und ist erfolgserprobt. Wäre das nicht der günstigste Nährboden für ein weiteres Wachstum außerhalb des bisherigen Kerngeschäfts?
Das müsste doch gutgehen? Ein Blick in die Markengeschichte sagt: Nein.
Die Markendehnung gehört für Unternehmen zu den größten Verlockungen. Wenn es in einem Segment prächtig läuft, warum sollte es in ähnlichen Segmenten anders sein? Schließlich geht es um denselben Bereich, in dem sich das Unternehmen Kompetenz und Fähigkeiten zutraut. Was also wäre einfacher und erfolgsversprechender, als der Klientel mehr Dienstleistungen unter der gleichen Marke anzubieten?
Die Marke Edding steht für markieren, nicht für schreiben
Genauso dachte der äußerst erfolgreiche Hersteller von Markerstiften Edding. Mit seinen Stiften wurde jeden Tag millionenfach auf Flipcharts geschrieben, als er sich anschickte, in das Geschäft mit Füllern und Schreibgeräten einzusteigen. Lamy, Pelikan und Staedtler wurden schnell als Konkurrenten identifiziert und eigene Produkte als „edding-Schreiber" auf den Markt gebracht. Aber dafür gab es offenbar keine Kunden – und die Markendehnung floppte.
Die große Marke edding hatte zu sehr aus dem Produkt heraus gedacht – und die Wahrnehmung seiner Kunden nicht beachtet. Diese hatten als Kernkompetenz Eddings nicht Schreiben, sondern Markieren gelernt und waren deshalb nicht bereit zu glauben, dass Edding bessere Füller herstellen könne als bisher etablierte Schreibgerätehersteller. Als Edding hingegen Sprühlacke auf den Markt brachte, zahlten die Kunden plötzlich Premiumpreise. Ebenso für die Edding-Druckerpatronen und letzthin auch für Nagellacke (laque®) in über 50 Farbtönen.
Eddings CEO Per Ledermann sagt dazu: „Das Preispremium für unsere Nagellack-Produkte kommt aus der Marke, nicht aus dem Produkt." Dass dieses bestens funktioniert und die Markenkernwerte Eddings verkörpert, versteht sich von selbst – aber dass Kunden dafür einen wesentlich höheren Preis bezahlen als für Konkurrenzprodukte im Kosmetikmarkt, kommt aus dem Vertrauen, dass Edding-Stifte wischfest markieren können.
Airbnb – kein Reise-, sondern ein Beziehungsgeschäft
Wer bei Airbnb bucht, will keine hotelähnliche oder günstige Unterkunft, sondern will hinter die Kulissen des wahren Lebens einer Stadt blicken. Dieser „Sharing-Life-Through-Experience-Gedanke" ist der eigentliche Treiber für die weltweit etablierte Marke, deren schnelles Wachstum die gesamte Branche überrascht hat. Mit zwei Millionen Übernachtungsangeboten in 190 Ländern ist das ehemalige Startup aus Kalifornien zu einer festen Größe im Reisemittlergeschäft herangewachsen.
Die Fans dieser Plattform wurden nicht zu Fans, weil sie auf der Suche nach einem Reiseanbieter klassischen Musters gewesen wären. Die Kunden sehen in Airbnb eine Art alternatives Gegenangebot zu dem, was in der Reisebranche üblich ist: Vermittlung von Hotels plus Nebenleistungen, Organisation des Transports, Verkauf geführter Touren zu den Sehenswürdigkeiten. Bei Airbnb hingegen steht nicht die Organisation der Reise im Vordergrund, sondern die gesellschaftliche Beziehung, die über die privaten Gastgeber in Städten oder Regionen aufgebaut werden kann. Das ist das entscheidende Kaufkriterium für die Marke Airbnb.
Eine jede Markendehnung, die Airbnb plant, muss dem entsprechen, wenn sie gelingen soll. Wie sollte das Vermitteln von Linien- oder Charterflügen diesem Kriterium entsprechen? Ganz anders wäre es, wenn Airbnb – ebenbürtig zu seinem bisherigen Geschäftsmodell – das Mitfliegen in privaten Fluggeräten anbieten würde. In diesem Fall stünde wieder die Beziehung im Vordergrund und nicht die Notwendigkeit Transport.
Mont Blanc kann auch Uhr oder Gürtel sein
Die Geschichte der gescheiterten Markendehnungen ist lang:
In allen Fällen gelang es etablierten Marken nicht, das Vertrauen der Kunden auf andere Produktsegmente auszudehnen. Erfolgreich war hingegen der Luxusfülleranbieter Mont Blanc, als er sich in das Uhren- und Ledersegment vorwagte. Denn Kunden kaufen die Marke nicht (nur), um ein Schreibgerät zu besitzen, sondern um sich als Anhänger großer handwerklicher Qualität zu outen. Das funktiontiert ebenso mit Gürtel, Taschen und Uhren, nicht nur über einen Füllhalter.
Die Marke Airbnb sei also vorgewarnt. Sie sollte sich über eine vermeintlich einfache Ausdehnung des Dienstleistungsangebots nicht übernehmen.
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