Der Kern der Veränderung

Inspiration: Kern der Veränderung

Cancel Culture

Yuval Harari trifft es in seinem Buch „Homo Deus" auf den Punkt: Er schreibt, seit Jahrtausenden herrschten Wenige über Viele, weil die Wenigen besser organisiert waren als die Vielen. Adel, Militär und Klerus waren perfekte Organisationen, die die Macht ihrer Mitglieder sicherstellten. Gesellschaften waren Pyramiden mit breiter Basis und schmalen Spitzen.
Die Digitalisierung stellt diesen Aufbau auf den Kopf. Erstmals in der Menschheitsgeschichte sind die Vielen durch die Vernetzungseffekte des Internets besser organisiert als die Wenigen und niemand weiß, was durch diese Umkehrung alles ausgelöst wird.

Die Cancel Culture ist beispielsweise ein Ausdruck dieser Umkehrung der Verhältnisse, die gravierenden Fehlleistungen von Demoskopen in der Vorhersage von Wahlergebnissen eine andere. Kunden zu manipulieren, falls das jemals möglich war, ist eine Technik der Vergangenheit. Über Imagewerbung Wahrnehmungsmuster von Marken zu drehen oder über Massenwerbung Massenmeinung zu gestalten sind antiquierte Irrglauben des Marketings der 80er-Jahre.

D-t-C (Direct-to-Consumer) oder Kundenzentrierung ist neben der allgegenwärtigen Nachhaltigkeit das zweite große Thema, das Unternehmen nach meiner Wahrnehmung zurzeit massiv beschäftigt.

Kundenzentrierung und Markenmanagement – wie geht das zusammen?

In der Luxusindustrie, die oft wie ein Seismograf für künftige Entwicklungen im Massensegment funktioniert, wird der Direct-to-Consumer Ansatz als die zentrale Herausforderung für die nächsten Jahre gesehen. Wie kann man seinen Kunden nahekommen, ohne die in der Luxuswarenindustrie so wichtige Distanz zu verlieren? Was heißt „nahekommen" überhaupt? Im Marketing Loyalitätsprogramme starten? Seine Ware direkt vertreiben und dabei Gefahr laufen, die eigenen Händler zu vergraulen? Wie mit Reklamationen umgehen? Wie auf Social Media einen Dialog aufbauen? Oder hat man gar Angst vor dem direkten Kontakt mit seinen Kunden?

Die neue Nähe

Es geht darum, seinem Kunden näher zu sein als der Wettbewerb. Die Digitalisierung, der Datenansatz, Managementphilosophie oder Geschäftsmodellansatz fungieren hier maximal als Werkzeug, nicht aber als Lösung.

Wer näher dran ist, kennt seinen Kunden irgendwann besser als alle anderen, kann seine Wünsche vorausahnen und durch das enge Beziehungsverhältnis mit weniger Aufwand (=Kosten) verkaufen. Wenn es sehr gut läuft, promotet und verkauft der Kunde sogar für das Unternehmen und das ganz ohne direkten Nutzen oder Bezahlung.

Die guten alten Absatzmittler wie Großhandel, Einzelhandel oder Vertreter werden mehr und mehr als unkontrollierbare Störfaktoren empfunden. Wozu Handelsmargen abgeben, wenn man sie selbst behalten und dabei noch mehr Kontrolle ausüben kann.

Warum ist das so und was kann man tun?

Daten vs. Erkenntnis
Viele Daten ergeben noch lange keine Information und Information führt noch nicht zu Erkenntnis und Erkenntnis noch nicht zu Wissen. Um Marken besser auf den Kunden und seine Lebensknappheiten auszurichten, kann Big Data nur als eine Grundlage dienen. Erst wenn aus Big Data ‚Thick Data' wird, kommen wir einen Schritt weiter. Thick Data reichert Big Data mit Kontextwissen, Tiefe und Sinn an. Es stellt sich auch dem Unbekannten und bezieht dies in seine Erkenntnisse ein.

Bedürfnisse vs. Lebensknappheiten
Das wichtigste ist echtes Interesse an seinem Kunden und das, was ihn bewegt. Ihre Schmerzpunkte und Lebensknappheiten bestehend aus Sehnsüchten, Hoffnungen, Träumen und Wünschen. Lebensknappheiten haben gegenüber Bedürfnissen den Vorteil, dass sie nie erfüllt und deren Lösung nur schwer zu kopieren ist. Bedürfnisse kommen, ändern sich und gehen. Lebensknappheiten bleiben, sie sind verlässliche Anknüpfungspunkte, um Beziehungswillen demonstrieren zu können.

Senden vs. Dialog
Nähe besteht aber nicht nur aus Senden, sondern in der Wiederherstellung der Dialogfähigkeit auf Augenhöhe und das haben viele Unternehmen komplett verlernt. Das One-to-Many des Industriezeitalters, der Epoche der Massenwerbung, ist überholt. Dialog und Nähe heißt nicht Kunden mit FAQ's und Textbausteinen abzuspeisen, heißt nicht Anträge zu bewilligen oder abzulehnen, heißt nicht Warteschleife im Call Center, heißt nicht Beweispflicht, heißt nicht Misstrauen und heißt auch nicht, liebe Digitalunternehmen, Kunden zu Produzenten der Ware zu machen, für die sie später bezahlen müssen.

Menschen vs. Verbraucher
Kunden sind weder Verbraucher noch Zielgruppen. Motoren sind Verbraucher, Heizungen sind Verbraucher. Verbraucher sind per se dumm und definieren sich nur darüber, wieviel sie verbrauchen. Je mehr, desto besser – das Mantra der Industrialisierung. Heute im Zeitalter der Knappheiten muss Verbrauch eingespart und intelligenter werden. Vielleicht betrachten wir Verbraucher dann endlich wieder als Menschen, denen man ein gewisses Maß an Einsicht, Intelligenz, Empathie und Verantwortungsfähigkeit unterstellen darf und die es wert sind, auf Augenhöhe angesprochen zu werden.

Kundenbindung vs. Beziehungswille
Customer Journeys aufstellen, analysieren und mit Hilfe von Daten zu verbessern ist das Eine, echten Beziehungswillen zu demonstrieren das Andere. Menschen fühlen sich von anderen lebenden Systemen angezogen und gebunden, egal ob diese nun menschlich sind oder digital erzeugt werden. Marken sind lebende Systeme mit Willen und Charakter, starken Grenzen, Stärken und Schwächen. Zu Produkten kann man keine Beziehung aufbauen, zu Marken, die Ihnen Bedeutung geben schon. Marken erwarten, dass Ihre Kunden loyal sind – wir sagen, Marken sollten erstmal ihren Kunden gegenüber loyal sein. Man erwartet Gefolgschaft, Vertrauen, Zuneigung, ist aber selbst oft nicht bereit, das seinen Kunden entgegenzubringen. Nachnahme, Vorauszahlung, Kreditkarte etc. sind täglicher Ausdruck dieses Misstrauens. Kunden müssen sich die Loyalität einer Marke hart verdienen. Sieht so echter Beziehungswille aus?

Kundenzentrierung ist heute schlicht eine Frage des Überlebens, eine Notwendigkeit, die kein Verantwortlicher ignorieren sollte. Einseitige Massenwerbung, Verbraucher in Zielgruppen einzuteilen und ihnen mit genügend Penetration jede noch so dümmliche Botschaft von oben herab einzuhämmern und glauben zu machen, hat mit guter Markenführung nichts zu tun. Naomi Klein hatte mit Ihren anklagenden No-Logo-Thesen vielleicht gar nicht so unrecht.

Weiterführende Links zu inspirativen Artikeln:

Klaus-Dieter Koch

Managing Partner und BrandTrust-Gründer Klaus-Dieter Koch zählt zu den erfahrensten Markenstrategieberatern Europas und teilt hier regelmäßig Gedanken und Inspirationen mit Ihnen.

Ihre Ansprechpartnerin

Alma ­Prüfert

Communications Manager Austria

E-Mail:
alma.pruefert@brand-trust.de

Inspiration by BrandTrust anfordern

Sie möchten „Inspiration by BrandTrust" auch das nächste Mal erhalten und haben sich noch nicht registriert? Dann füllen Sie unten stehendes Formular doch gleich aus.

*Pflichtfeld