Wir leben in einer Zeit des Übergangs. Die alte Ordnung weicht einer Neuen und das mit allen Konsequenzen. Krieg in Europa, Loslösung von Russland und China, das Ende des fossilen Zeitalters, Inflation, Rezession, Digitalisierung, der Zusammenbruch ganzer Branchen und etablierter Vertriebssysteme, Abkehr von Medien und politischen Parteien, wie wir sie kennen, die Neuerfindung des Marketings, Wertschöpfung ohne Wertstiftung und natürlich der allumfassende Fachkräfte- oder überhaupt des Kräftemangels. Der Übergang in diese neue Zeit ist wie alle Übergänge von Unsicherheit und Verwirrung geprägt. Wenn wir ohne Verblendung und mit offenen Augen in die Welt schauen, sehen wir, wie sich die Dinge unumkehrbar verschieben und wir dem Abschluss einer Epoche, die wir vielleicht irgendwann rückblickend die Epoche der Industrialisierung oder des Kapitalismus nennen werden, nahe sind.
Nach einer Studie des Economist gibt es in den USA erstmals in ihrer Wirtschaftsgeschichte ein branchenübergreifendes Überangebot an offenen Stellen, das die Arbeitsnachfrage um einen zweistelligen Prozentsatz übersteigt. Daraus ziehen nicht wenige Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen den Schluss, dass der Arbeiter nicht mehr das Kapital sucht, sondern das Kapital sucht die Arbeiter. Die Diskussion in den USA wird beherrscht von dem 2017 erschienenen Buch „Capitalism without Capital" der beiden britischen Wirtschaftsforscher Jonathan Haskel und Stian Westlake. In diesem Buch versuchen Sie zu erklären, wohin sich eine Wirtschaft entwickelt, in der Talent und eben nicht Kapital die entscheidende Ressource sein wird. Der feuchte Traum aller Spätmarxisten wird wahr, eine Welt ohne die Geisel des Kapitals.
Was bedeutet es für Arbeitgebermarken und Unternehmen, wenn wir in diese Welt eintreten? Wird überhaupt noch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterschieden? Wer bewirbt sich bei wem? Wird von Unternehmern und Führungskräften noch ein Unterschied gemacht zwischen Kunden und Mitarbeitern? Kürzlich erzählte mir ein österreichischer Hotelier, dass in seinem Hotel ab der nächsten Wintersaison die Mitarbeiter das gleiche Essen bekommen wie die Gäste. Und auch sein neues Personalhaus baut er nach dem Standard seines Hotels, inkl. Wellnessbereich mit Sauna. Gewerkschaften und Arbeitsminister sollten sich in einem solchen Umfeld sehr genau überlegen, wie sie ihr Geschäftsmodell anpassen und ihre Existenzberechtigung sichern.
Sollte unser Wirtschaftssystem von einem kapitalbasierten in ein talentbasiertes System umschwenken (was in vielen Branchen bereits geschehen ist), Kapital zum Commodity wird (allzeit unendlich verfügbar und fast ohne Preis) und Hürden zu unternehmerischem Handeln zunehmend abgebaut werden, dann wird dies neue Perspektiven freisetzen und die Beziehung zwischen Menschen und Unternehmen völlig neu definieren.
Davor sollten reinrassige Kapitalisten und auch Gewerkschafter Angst bekommen, alle anderen können sich, wenn sie denn Talent, Fantasie, Kreativität und Zukunftslust haben, auf die beste Epoche freuen, die es jemals für diese Menschen gegeben hat.
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