„Als Singularität bezeichnet man in der Technologie den Punkt, an dem die Menschen künstliche Intelligenz nicht mehr von menschlicher Intelligenz unterscheiden können."
Permanentes digitales Echtzeitfeedback, enge Regulatorik und weltweit angeglichene Geschmacksvorstellungen führen zu immer gleicheren Bildern. Egal, ob in der Architektur von Stadtbildern, AirBnB-Apartments oder Coffee Bars, bei Schönheitsidealen auf Instagram, in der Mode oder natürlich im Produkt und visuellen Design – ganz speziell im Automobildesign. Alles wird immer gleicher, konformistischer und damit austauschbarer.
Übersetzt auf die deutsche Automobilindustrie, die Kernindustrie der deutschen Wirtschaft, stellt sich die Frage: Wann können die Menschen Design und Qualität deutscher Automobile nicht mehr von denen aus chinesischer Produktion unterscheiden?
„Sea of Sameness" – so bezeichnet mein Kollege Kees Elands von TrendsActive den wahren Endgegner der deutschen Überlegenheit und bezieht sich in seiner Forschung auf den Artikel „The age of average" von Alex Murell: Wenn Algorithmen das Design bestimmen, Likes darüber entscheiden, wie Design funktionieren soll und Gleichheit als der erfolgversprechendere Weg erscheint.
Die deutsche Automobilindustrie verliert, was sie groß, weltweit dominant, unterscheidbar und letztendlich so begehrt gemacht hat. Da konnten die US-Industrie und asiatische Hersteller sich anstrengen, wie sie wollten - in die Premium- und Luxusklasse haben sie es nie geschafft. Hier waren und sind deutsche Hersteller das Maß aller Dinge. Tesla hat dieses Selbstbewusstsein durch seinen schnellen Start kurzzeitig ins Wanken gebracht und vom Early-Mover-Effekt profitiert, aber die Deutschen haben in den letzten Spielminuten aufgeholt und auch Tesla gezeigt, wo in der Elektromobilität der Hammer hängt.
Der Technologiewandel in der Automobilindustrie verändert nicht nur Antriebskonzepte, sondern auch Konstruktions- und Designkonzepte. Die Regulatorik ändert sich, die Plattformen, auf denen Fahrzeuge aufgebaut werden, die Anforderungen des Windkanals und natürlich die Bordelektronik bis hin zum autonomen Fahren. Das herkömmliche Fahrzeugdesign wird sich innen wie außen komplett wandeln. Produktionsanforderungen und Materialkonzepte entwickeln sich in atemberaubender Geschwindigkeit.
Über Jahrzehnte angesammeltes Knowhow der Automobilindustrie und deren Zulieferern wird quasi über Nacht nicht mehr gebraucht und das, was gebraucht werden würde, fehlt aufgrund verkrusteter Strukturen, unpassendem Mindset, Fachkräftemangel und veralteten Bildungs- und Ausbildungskonzepten.
Singularität in der Automobilindustrie ist also erreicht, wenn die weltweiten Kunden nicht mehr in der Lage sind, sowohl von außen und innen als auch beim Fahrgefühl ein Fahrzeug aus deutscher Fabrikation von einem in Asien gefertigten Fahrzeug zu unterscheiden. Die Gefahr: bei Gleichheit und Austauschbarkeit entscheidet am Ende immer der Preis. Hier jedoch kann die deutsche Automobilindustrie mit der chinesischen Konkurrenz nicht mithalten. Egal, was sie tut.
Ist also der Punkt der Singularität erreicht, ist die deutsche Automobilindustrie tot und die deutsche Wirtschaft existenziell bedroht?
Die Gleichheit, nicht die Technologiesprünge, ist zum zentralen Gegner unseres gegenwärtigen Wirtschaftsmodells geworden und muss auch als diese Bedrohung wahrgenommen werden. Sie ist nicht der risikolose Weg zum Erfolg, sondern in die Austauschbarkeit.
Aus markenstrategischer Sicht stellt sich also nicht die Frage, „was" man tut, um sich im technologischen Wandel zu behaupten, sondern das „WIE" muss in den Vordergrund.
Das „Was" wird und wurde bereits erschöpfend behandelt – Bücher wurden geschrieben, Aus- und Fortbildungskonzepte darüber, was man tun muss, um zu wachsen, seine Preise durchzusetzen und den Wandel zu gestalten, wurden vielfach verkauft. Aber WIE die Dinge getan werden müssen, um Differenzierungskraft und Begehrlichkeit aufzubauen, wird oft übersehen.
Genau hier setzt das Wachstumsmodell „Marke" an. Hier geht es immer um Spezifik und Unterscheidbarkeit. Die Dinge auf seine „ganz eigene Art" zu tun. Nie kopieren, sondern kapieren. Nie folgen, sondern führen. Nie vergleichen, sondern alles dafür tun, um unvergleichbar zu sein. Das ist wahre Markenführung, die dabei helfen kann, die Singularität zu verhindern, nicht nur in der Automobilindustrie.
Jede Branche und jeder Arbeitgeber in Deutschland muss sich mehr um sein „Wie" kümmern, seine Spezifik, seine Eigenart in den Mittelpunkt seines Handelns rücken und die Bildung und Führung seiner Marke nicht den Daten und IT-Ingenieuren oder gar den Geschmacksvorstellungen ferner Nicht-Kunden (die man gerne gewinnen würde) überlassen. Marken wachsen niemals durch Ausdehnung, sondern immer nur durch Anziehung. Dafür ist neben dem „was" eben immer das „WIE" ganz wesentlich.
Die Welle, die zu uns nach Europa herüberschwappt, kann mit situativen Reaktionen und dem kurzfristigen Kopieren des Wettbewerbs nicht aufgehalten werden. Das können nur begehrenswerte, starke, bewusst geführte Marken – mit Mut, Vertrauen in das Ungewisse und einer glasklaren Markenstrategie.
Managing Partner und BrandTrust-Gründer Klaus-Dieter Koch zählt zu den erfahrensten Markenstrategieberatern Europas und teilt hier regelmäßig Gedanken und Inspirationen mit Ihnen.
Sie möchten „Inspiration by BrandTrust" auch das nächste Mal erhalten und haben sich noch nicht registriert? Dann füllen Sie unten stehendes Formular doch gleich aus.