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16. Februar 2015

Schweiz-Tourismus: Darum ist teuer gleichzeitig gut

Die Schockstarre der Schweizer Tourismusbranche nach dem Höhenflug des Franken ist verständlich - ihr Ruf nach Preissenkungen hingegen nicht. Im Falle der Schweiz gilt: teuer ist besser.

Folgende Szene, kolportiert aus einem Schweizer Vier-Sterne-Hotel, wäre als Material für ein Filmdrama geeignet: Eine Familie stellt bei der Abreise am frühen Morgen fest, dass ihr Urlaub über Nacht um 27 Prozent teurer geworden ist als bei der Buchung in Euro ausgewiesen. Der herbeigerufene Chef des Hauses vermutete einen Fehler in der Berechnung, dann eine freche Masche seiner Kunden, und muss schließlich erfahren, dass die Schweizer Nationalbank für die eklatante Preiserhöhung verantwortlich ist.

Die Notenbank hatte über Nacht mit der Veränderung des Wechselkurses die Preise für Nicht-Schweizer um rund 25 Prozent angehoben. Auf eine solche Situation war wohl niemand gefasst. Was in Ländern mit galoppierender Inflation zum Tagesgeschäft gehört, wuchs in der Schweiz zum Tages- und Wochendrama heran: Ein Bier am Bahnhof in Zürich kostet nun acht Euro anstatt der bisherigen 6,65 Euro und ein Skipass pro Woche 380 Euro.

Die Verteuerung des Schweizer Frankens macht ein Dilemma der gesamten Tourismusindustrie deutlich: Sie ist bisher der preissensiblen Masse mit Schnäppchen hinterhergelaufen, anstatt sich um den Urlaubswert zu kümmern. Billigere Flieger, größere und damit kostengünstige Ressorts, Verlagerung der Reiseströme in Billiglohnländer, Vermassung des Angebots durch "Mehr vom Gleichen" weltweit: Nicht nur die Schweiz hat im Wettbewerb um den Durchschnitt den eigenen Wert zunehmend verspielt und dem Nachfrage-Druck geopfert.

Die Schweiz – schon immer teurer als andere Alpenländer


Die Schockstarre der Branche nach dem Höhenflug des Schweizer Franken ist verständlich, der Ruf nach Preissenkungen hingegen nicht. Sollte sich die Schweiz nun billiger machen, dann kostet es sie ihren Ruf und ihren Wert.

„Und?“ fragen sich alle, die schon seit Jahren die Schweiz als Urlaubsland aus Kostengründen kategorisch für sich ausgeschlossen hatten, „War die Schweiz nicht immer schon teurer als andere Länder im Alpenraum?“

Wahrscheinlich gibt es genügend Urlauber, die von solchen Preis- und Wechselkursdiskussionen nicht betroffen sind, weil die in der Schweiz aufgerufenen Preise ohnehin ihre Möglichkeiten übersteigen. Wenn in Vietnam oder Perú ein dreigängiges Mittagessen, das fünf Euro kostet um 20 Prozent teurer würde, dann würde es Otto-Normal-Urlauber nicht einmal auffallen. Die Schweiz ist deshalb überall auf dieser Welt.

Nicht der Preis entscheidet, sondern der Wert eines Angebots


Die entscheidende Frage für die Marke Schweiz ist nicht, was sie kostet, sondern was sie wert ist. Wert- statt Preisfrage ist das einzige Mittel gegen die grassierende Seuche der Schnäppchenjagd.

  • Haben sich die Hersteller Schweizer Luxusuhren jemals gefragt, ob ihre Produkte für alle Durchschnittsverdiener erschwinglich sind?
  • Haben sich Luxusmarken von Louis Vuitton bis Prada und Ferrari jemals auf die durchschnittliche Ausgabenbereitschaft der Bevölkerung ausgerichtet?
  • War ein Aufenthalt in Mauritius jemals massenfähig, weil günstig?

Dreimal nein.


Die Loslösung vom Euro gibt der Marke Schweiz den Weg vor


Der Denkfehler liegt in der Annahme, der Preis wäre in der Tourismusbranche der einzige Entscheidungsgrund. Dies würde nur dann stimmen, wenn sich die Angebote als austauschbar erweisen, und es deshalb keinen Grund für einen Kunden gäbe, sich für das teurere Angebot zu entscheiden. In dieser Logik müsste der Espresso in einem Café am Markusplatz in Venedig genauso viel kosten wie in der Fußgängerzone von Augsburg.

Nur die Einzigartigkeit des Erlebnisses entzieht sich dem Preiskampf, nicht das Produkt oder die Dienstleistung selbst. Wer die acht Euro für den Espresso am Markusplatz hinblättert, kann sich nur die Frage stellen: Ist mir dieser Moment den Preis wert, und nicht: Wäre er in Augsburg billiger?

Im Preisvergleich hat die Schweiz zu Österreich, Südtirol, Deutschland und Slowenien keine Chance. Die mutige Entscheidung, dem Euroraum währungspolitisch fern bleiben zu wollen, gibt der Marke Schweiz den Weg vor, bewusst als teuer gelten zu wollen und dieses Vorurteil auf die Spitze zu treiben.

Der Preis wird vergessen, die Qualität nicht


Allerdings muss die Spitzenleistung in Hotellerie und Dienstleistung den Wert für diese Positionierung liefern. Wenn bei der Louis-Vuitton-Tasche nach drei Wochen der Reißverschluss ausbräche, ist es mit dem Vorurteil „teuer, aber den Preis wert“ sehr schnell vorbei. Marken müssen immer ihre Versprechen halten, nicht nur solche geben. Mit Marketingkonzepten wird der Schweiz und ihrer Tourismusbranche nicht geholfen sein.

Dem Schweizer Hotelier, der seinen aufgebrachten Gästen gegenüberstand, blieb nur die freundliche Frage, ob die eben verbrachte Urlaubswoche in seinem Haus den Preis nicht wert gewesen sei. Er hätte auch Gordon Selfridge, den Gründer des Supermarktsystems, zitieren können: „Die Qualität bleibt bestehen, wenn der Preis schon lange vergessen ist“.

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BrandTrust

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