Schon gewusst? Die Schweizer Uhrenindustrie war das erste Opfer der Digitalisierung. Denn in den 1970er Jahren brachten die Japaner digitale Zeitmesser auf den Markt, die so genau und so billig waren wie nie zuvor. Es dauerte kaum ein Jahrzehnt, bis die Schweizer Uhrenindustrie – damals noch ganz auf die Massenversorgung der Welt mit Uhren ausgerichtet – am Ende war.
Erst als der Unternehmer » Nicolas Hayek auf Drängen der Schweizer Banken die maroden Uhrenfirmen übernommen und fusioniert hatte und die Swatch entwickelte, begannen die Schweizer Hersteller, ihre Produkte und Fähigkeiten aus einer anderen Perspektive zu sehen – und sich neu zu erfinden.
Damit schuf die Schweizer Uhrenindustrie eine Erfolgsgeschichte, die bis heute anhält. Zwar stammen heute weniger als drei Prozent der weltweit verkauften Zeitmesser aus der Schweiz, doch vereinigen sie zwei Drittel des wertmässigen Marktanteils auf sich. Im Bereich der Luxusuhren über 1000 Franken besitzt die Schweiz sogar eine geradezu erdrückende Vormachtstellung mit über 95 Prozent Weltmarktanteil.
Wie konnte das gelingen? Grossmeister Hayek ging nach folgendem Sechs-Punkte-Plan vor, ganz im Sinne von Steve Jobs’ Diktum: „Die Menschen wissen nicht was sie wollen, bis man es Ihnen zeigt.“
Man begann, das ganze Bild zu sehen und sich von Features und Funktionalitäten zu lösen. Durch die Swatch haben die großen Schweizer Uhren-Brands begriffen, welche Chancen darin liegen, groß zu denken und ihr Selbstverständnis vom Feinmechaniker zum Lifestyle-Unterstützer zu wandeln. Dieses Prinzip vermochten sie auch sehr erfolgreich in die hochpreisigen Segmente zu übertragen.
Uhren sind sozio-mentale Glaubenssysteme. Das Bedürfnis nach exakter Zeitanzeige ist, wie viele andere Bedürfnisse auch, längst ausgereizt. Lebensknappheiten hingegen sind ein Leben lang knapp und können nie vollständig befriedigt werden. Je mehr sie befriedigt werden, desto süchtiger werden die Menschen danach. Gesundheit, Wohlbefinden, Sex, Selbstbestimmtheit, Anerkennung, Status und nicht zuletzt Geld sind solche Lebensknappheiten, auf die Marken der Zukunft setzen müssen.
Aus verträumten Manufakturen in tief verschneiten jurassischen Tälern und ebenso verschlafenen Juwelieren, die noch die alte Schule des Schmuck- und Uhrenverkaufs repräsentierten, sind global ausgerichtete, hochprofessionelle Vertriebsorganisationen geworden, die ihre Chancen auf dem Weltmarkt zu nutzen wissen. Man verkaufte nicht mehr nur, was produziert wurde, sondern integrierte den Vertrieb in die Wertschöpfungskette.
Der frühe Erfolg der damaligen SMH und kleinerer Manufakturen wie » Patek Philippe oder » Blancpain zog die Aufmerksamkeit internationaler Luxuskonzerne auf sich und motivierte Investoren, die wie Johann Rupert ihre Konzerne transformieren oder diversifizieren mussten, einzusteigen. Dank der neuen Kapitalkraft konnte in neue Technologien, Vertriebsstrukturen, Mitarbeitende und nicht zuletzt repräsentative Gebäude investiert werden.
Dadurch entstand eine noch nie da gewesene Innovationswelle in Technologie, Materialien, Anwendungen, Designs und Marketing. Man begann damit, seine Kunden zu entwickeln und konzentrierte sich darauf, diese lustvoll für Themen zu interessieren (z.B. kleine wie große, an sich völlig überflüssige, dafür umso teurere Komplikationen) und sich in Preisregionen zu entwickeln, die vorher schlicht nicht existierten.
Bemerkenswert: Die Branche der Luxusuhren ist wohl die einzige Branche, die ihre Kunde dazu gebracht hat, „Kompliziertes“ zu schätzen und dafür mehr auszugeben als für Einfaches.
Am wichtigsten war aber die Fähigkeit, sich selbst und seine Glaubensprinzipien in Frage zu stellen und Menschen mit Ideen und Visionen ans Ruder zu lassen. Die „Generation der visionären Patrons“ stirbt aus oder tritt ab und wird ersetzt durch top ausgebildete, global denkende und agierende Manager – denen aber oft die nötigen Ecken und Kanten bzw. der Mut fehlen, neue Ideen auch gegen Widerstände mit hohem persönlichem Karriererisiko durchzuboxen.
Wie bereit ist die erfolgsverwöhnte Schweizer Uhrenindustrie für die Herausforderung aus Kalifornien? Viele Manufakturen vernachlässigen ihre heimischen Märkte in Europa. Sie schließen beispielsweise ihre deutschsprachigen Foren, selektieren langjährige Vertriebspartner aus. Aus Profitgier errichtet man vertikale Vertriebsstrukturen die man nicht beherrscht und klotzt in besten Lagen riesige Läden hin, die kaum Besucher anziehen und weit entfernt vom Breakeven veröden.
Ganze Uhrenkollektionen werden dem asiatischen Geschmack unterworfen, anstatt diese respektvoll und behutsam zu entwickeln. Die Kunden werden gnadenlos ausgenommen mit bis zu fünf Preiserhöhungen in nur einem Jahr, um dann kurze Zeit später mit „Kollektionsbereinigungen“ wieder zurückzurudern.
Die Menschen können vielleicht nicht alle Hintergründe durchblicken, doch haben sie zumindest in den entwickelten Luxusmärkten ein feines Gespür dafür, wann ihnen mehr Geld für die Marketinghülle anstatt für echte herausragende Leistung abgeknöpft wird. Das reduziert das Vertrauen in die mühsam aufgebauten Markensysteme und sensibilisiert die Aufmerksamkeit für Neues. Das macht die Schweizer Uhrenindustrie verletzbar.
Und genau in diese Lücke sticht die » Apple Watch. Samsung und Co. werden nie verstehen, wie man Technologieprodukte beziehungsfähig macht. Es werden immer funktionsüberladene Technikprodukte bleiben, welche die meisten Menschen kalt lassen und zu denen nur echte Nerds ein Gefühl aufbauen können.
Genau deshalb ist Apple zum wertvollsten Unternehmen der Welt geworden. Es versteht es wie kein anderes Technologieunternehmen, über Design und Marketing seinen billig in chinesischen Sweatshops zusammengebauten Produkten ein menschliches Antlitz zu geben und sie beziehungsfähig zu machen.
Genau wie italienische und französische Luxusmarken oder wie » Rolex, Patek und Co., die eben nicht mehr funktionsgetrieben sind, sondern für einen Lebensstil mit den entsprechenden Werten stehen. Genau deshalb ist die Apple Watch eine Gefahr für die Uhrenindustrie – denn die Kaufmotive sind dieselben.
Der Kampf wird nicht über technologische Features ausgetragen, sondern über die Positionierung auf Lebensknappheiten, über Lebensstile und dem Zugehörigkeitsstreben der Menschen. Das hat Apple verstanden und das macht Apple gefährlich – auch für Luxusuhrenmarken.
Die Schweizer Uhrenindustrie ist deshalb gut beraten, sich zu hinterfragen und sich intensiv mit den Themen Smartwatch und Software auseinanderzusetzen – letzteres übrigens ein Gebiet, auf dem die hardwarefixierte Schweizer Uhrenindustrie noch wenig Erfahrung besitzt.
Fakt ist, dass die Uhrenindustrie derzeit im mittleren Preissegment am stärksten wächst und dass bis 2018 gemäß ersten Studien bereits 450 Millionen intelligente Uhren über den Ladentisch gehen könnten. Dieser Umsturz in der Branche kann auch die Schweizer Hersteller nicht kalt lassen kann.
Als Brancheninnovator bietet Apple – wie in den 1990er Jahren die Swatch-Gruppe – die Chance, sich weiter zu entwickeln. Unternehmen, die ihre Marken nur ausbeuten, zu gierig sind, nicht genug investieren, nicht klar und eindeutig positioniert sind oder es sich zu einfach machen, werden durch Apple erhebliche Probleme bekommen. Und letztlich untergehen.
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