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27. Januar 2014

Das Luxushotel „The Chedi Andermatt “ – Fluch oder Segen für die Region?

Ein „The Chedi“-Hotel eröffnete im schweizerischen Andermatt. Passt die Luxushotelmarke, die bisher an Stranddestinationen der Welt betuchte Gäste anlockte, in die Alpen? Unser Urteil: Aber ja.

Als zur Mitte des 19. Jahrhunderts Alpenstraßen und Zugverbindungen dafür sorgten, dass man ohne körperlich großen Aufwand in den Genuss eines überwältigenden Blicks auf die Berge kommen konnte, ließen Investitionen in die ersten Grand Hotels nicht lange auf sich warten. Für die ansässige Bevölkerung, die den kargen Boden auf über 1500 Metern den Unterhalt für ein einfaches Überleben abtrotzte, war diese Art von Tourismus, Architektur und Reichtum ein unvorstellbares Neuland der Erfahrung.

Wiederholt sich eine solche Geschichte nun, rund 125 Jahre später, weil » der ägyptische Investor Samih Sawiris im schweizerischen Andermatt ein Fünf-Sterne-Ressort der Extra-Luxusklasse gebaut hat, das » The Chedi Andermatt, offenbar ein Luxushotel für eine Klasse von dort bisher völlig unbekannten betuchten Gästen – und mit einer Herangehensweise, die man aus Sawiris’ Ressort-Entwicklung von Destinationsmarken an den Stränden dieser Welt kennt?

Der Verkauf von 490 Apartments soll das Investment finanzieren und eine skandinavische Gesellschaft für Wintersportentwicklung soll das bisher auf Freerider ausgelegte Skigebiet massentauglich machen. Für eine Nacht in der Suite des neuen Hotels werden 1000 Schweizer Franken fällig.

Sicher ist: dieses Vorhaben scheidet die Geister. Die Meinungen reichen von großer Skepsis, die auch neidgetrieben sein könnte, bis zu überschwänglicher Zustimmung, die auch opportunistisch begründbar wäre.

Muss sich die Hotelmarke The Chedi in Andermatt dem Megatrend Regionalität beugen?

Auf den ersten Blick könnte man geneigt sein, das Vorhaben, Anspruch und Funktionslogik eines Strandressorts auf einen kleinen Alpenort zu übertragen, als unangemessen zu verwerfen. Denn die Megatrends Regionalität und Individualität verlangen inmitten einer alpinen Landschaft eher nach Bodenständigem und Verwurzeltem.

» Was Samih Sawiris im Dezember 2013 in Andermatt eröffnet hat, ist aber weder das eine, noch das andere. Da helfen auch nicht die durchaus sichtbaren Maßnahmen darüber hinweg, dass viele regionale Materialen verwendet wurden, die meisten am Bau beteiligten Unternehmen aus dem Umkreis stammten und der Großteil der Mitarbeiter in Andermatt und Umgebung heimisch sein sollen. Das „The Chedi Andermatt“ ist in den meisten Elementen eine Kopie jener Hotelanlagen, die Sawiris als Ressorts der Luxusklasse mit nachweislichem Erfolg vor allem im Nahen Osten betreibt.

Wahrscheinlich wäre es seine wirkliche Chance, bei den Erfolgselementen dieser Ressorts zu bleiben – und ein Fehler, sich dem Diktat der notwendigen Anpassung zu beugen, wonach alles nur dann gut und erfolgreich sein kann, wenn es dem Lokalen entspricht.

Auch im 19. Jahrhundert wirkten Grand Hotels zunächst wie Fremdkörper

Die Investoren der historischen Grand Hotels, heute oft als Pioniere verehrt, nahmen damals ebenfalls wenig Rücksicht auf die lokalen Gegebenheiten. Sie wussten, dass ihre Investments nur dann erfolgreich sein konnten, wenn es ihnen gelingt jene anzuziehen, die sich in den Städten und in den beruflichen Ständen die finanziellen Möglichkeiten erwirtschaftet hatten, sich diese Art von Urlaub und besonderem Erlebnis leisten zu können.

Am Karersee in den Dolomiten erstrahlte das dort 1896 eröffnete Grand Hotel in elektrischem Licht. In Pontresina wartete 1898 das Grand Hotel Kronenhof mit einem dreiflügeligen Gebäude mit Ehrenhof auf seine illustren Gäste. Und 1899 verband im schweizerischen Interlaken eine mächtige Glaskuppel die Hotels Victoria und Jungfrau zum heute noch legendären Grand Hotel der besonderen Klasse. Die lokale Bevölkerung staunte und nahm die gebotenen Arbeitsplätze gerne an.

Mit ihren Lebensumständen freilich hatten die damals außerirdisch wirkenden Hotels nichts zu tun. Sie waren und blieben Fremdkörper in der Landschaft und Gesellschaft. Im heute üblichen kritischen Jargon würde man sagen, diese Projekte wären „aufgesetzt“, ohne Bezug zu Örtlichkeit und Bevölkerung – eine „Machtdemonstration“ und jedenfalls unter Nachhaltigkeitsaspekten fraglich.

Was man aus heutiger Sicht zu den damaligen Hotelprojekten sagen kann, gilt umso mehr für Sawiris neues Grand Hotel in Andermatt: Der Ort hat das Publikum, auf das Sawiris seine Investitionen ausgelegt hat, noch nicht gesehen, war es doch als Ausbildungsstätte für das Schweizer Militär bekannt und wegen seiner unwirtlichen Wetterverhältnisse berühmt-berüchtigt. Die Erreichbarkeit ist insbesondere im Winter schwierig, das Umfeld für Luxustouristen und die Attraktivität eines klingenden Namens sind nicht existent.

Marken dürfen ihre Grenzen nicht überschreiten – das gilt auch für „The Chedi“

Das Ressort der Luxusklasse ist in allen Aspekten ein Fremdling im bisher heimeligen Andermatt nahe dem St. Gotthart Pass. Sawiris erkennt trotzdem die Chance, dass sich sein Engagement und auch das private 125 Millionen-Investment lohnen: „Ihr unterschätzt Euer Land“, diktierte er den anfangs kopfschüttelnden Schweizer Medienvertretern in die Mikrofone und flog mit seinem Privathubschrauber zu einem anderen Geschäftstermin. Wer sogar Geld aus seiner Privatschatulle in die Hand nimmt, um seinem Projekt zur Geburt zu verhelfen, ist mehr als überzeugt, das Richtige zu tun.

Zu den Schlüsselsätzen der Marken-Glaubenslehre gehört, dass Marken immer von innen nach außen wachsen. Erfolg ist immer in der eigenen Strategie begründet, in der eigenen Überzeugung. Damit baut man jene Energie auf, mit der man Anhänger und Käufer an die Marke bindet. Und: Marken leben von der Konsequenz, ihre eigenen Glaubwürdigkeitsgrenzen nicht zu überschreiten.

Betrachtet man das “The Chedi Andermatt“ unter diesen beiden Aspekten, müsste man Sawiris raten, sein eigenes „Chedi-Ding“ in Andermatt einfach durchzuziehen und sich nicht den Erwartungen des Umfeldes zu beugen. Je weniger Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten, desto glaubwürdiger wird Sawiris mit seinem Projekt bei seinen Kunden.

Sich ein bisschen den örtlichen Notwendigkeiten anzupassen, sich in die so stark postulierte Regionalität verbiegen zu lassen, sich dem Zeitgeist des „Genius Loci“ zu verschreiben: die Chedi-Hotels stehen, so wie die damaligen Grand Hotels, für anderes. Ihr » Markenstil ist designter und gelebter Luxus, abgestimmt auf die farb- und tonalitätsperfekten Ansprüche ihrer Gäste, die sich von ihrem Chedi ein unbeschwertes Urlaubserlebnis erwarten, in gleicher Qualität garantiert überall auf der Welt.

Im Chedi-Konzept spielen die Schweiz und Andermatt eine untergeordnete Rolle

Nicht Andermatt ist der Attraktivitäts-Treiber für das „The Chedi Andermatt“, sondern das Chedi-Konzept selbst, dem seine Fans folgen müssen. Dabei spielen die Schweiz und der Ort Andermatt eine sehr untergeordnete Rolle.

Ein bisschen Marke geht nicht. Wenn schon, dann ganz – es ist das Erfolgsgeheimnis vieler Marken, die sich immer genau auf das konzentrieren, was sie immer schon besser konnten als alle anderen. Wer seine Glaubwürdigkeitsgrenzen überschreitet, wer aus seiner etablierten Schublade ausbricht, wer sich am Erfolg der anderen orientiert und imitiert, hat immer schon verloren.

Man würde es Sawiris kaum glauben, wenn er behauptete, sein Engagement sei darauf ausgerichtet, einen Schweizer Ort vor der Bedeutungslosigkeit zu retten. Immerhin verlor Andermatt ganze 20% seiner Bevölkerung in wenigen Jahren durch Abwanderung. Genauso wenig käme man auf die Idee, ein Chedi-Hotel im kargen und windigen Andermatt müsse auf Dekor und Pomp in Raum und Küche verzichten, weil sich dies nicht mit dem gewachsenen Leben eines Bergdorfes vertrage. Nein, es muss genau umgekehrt sein, wenn es ein Erfolg sein soll.

Der Ort Andermatt wird damit leben lernen, dass ihm das „The Chedi Andermatt“ den Begehrlichkeitsrang abläuft und sich über kurz oder lang zum Chedi-Ressort Andermatt entwickelt. Die Geschichte lehrt, dass auch ein solcher Weg erfolgreich sein kann für eine Destination: Wären die heute berühmten Orte in den Alpen ohne Übergriff von außen jemals berühmt geworden?

Als ich kürzlich mit » Luca Cordero de Montezemolo, dem CEO der Automobil-Marke Ferrari zusammensaß und staunend erfuhr, auch Ferrari würde an einem Hybrid-Modell arbeiten, meinte der smarte italienische Manager mit einem Augenzwinkern: „Es wird aber ein Hybrid á la Ferrari sein“. Aha, dachte ich mir, dann eben von ganz besonderer Qualität und Technik. „Wir nutzen die Hybrid-Technik nicht, um Treibstoff zu sparen“, sagte Montezemolo bestimmt, „sondern um mehr PS zu produzieren.“ Damit lieferte er ein Lehrbeispiel dafür, welchen Fehler renommierte Marken nicht machen dürfen: Niemals würde Ferrari als Sparmodell glaubwürdig sein – genau so wenig wie ein „The Chedi“ als regionalisiertes Berghotel im schweizerischen Andermatt.

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