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12. Oktober 2015

Die Marke als Kurator: eine Aufgabe mit Zukunft

Mehr denn je brauchen Konsumenten Ratgeber, um sich im Überfluss zurechtzufinden. Kuratoren gehört deshalb die Gunst der Stunde – und damit auch Marken, die das Kuratieren beherrschen.

Wir leben in einer Zeit unüberblickbarer Möglichkeiten. Parallel dazu entsteht, verständlicherweise, ein in dieser Dimension noch nie dagewesenes Verlangen nach Klarheit und Orientierung. Marken, die – wie Kuratoren – glaubhaft machen können, dass sie sich in dieser Fülle auskennen, sie für den Kunden gewichten und ihm damit Entscheidungen abnehmen, gewinnen an Einfluss.

Neu ist das Phänomen der Kurator-Marken zwar in keinem Fall. Aber es zeigt ein Potential, das viele alteingesessene Marken noch zu wenig nutzen.

Der neue Wunsch nach Kuratoren

Vor ein paar Jahren fing es an: Der Begriff des Kurators, der zuvor hauptsächlich aus Museen oder als relevante Person des Kunst- und Kulturlebens bekannt war, fand sich plötzlich an unerwarteten Stellen des Lebens wieder. Statt einfach auszuwählen und zu kombinieren, wurde plötzlich alles kuratiert – Informationen, Menus, Wohnungseinrichtungen und Bekleidung.

Was wie eine zufällige und in einer lebendigen Sprache völlig normale Bedeutungserweiterung eines Begriffs anmuten mag, ist viel mehr als das. Wir haben es hier mit dem Hinweis auf einen in den modernen Gesellschaften bestehenden und stetig wachsenden Mangel zu tun: dem Fehlen von Orientierungskriterien.

Wer in einem Museum oder einer Ausstellung als Kurator tätig sein möchte, braucht eine gründliche Ausbildung, Erfahrung und einen guten Überblick über alle relevanten Stücke. Nur so kann er – und das ist der Aspekt des Berufs Kurator, um den es hier geht – die richtige Auswahl an Werken treffen und diese gemäß dem Ziel der Ausstellung darbieten. Kuratoren vereinen Wissen, Überblick und Entscheidungskraft in sich.

In einer Zeit, in der jeder mit etwas Budget und online-fähigem Endgerät Zugang zu allen Kunstwerken, Kleidungstücken, Möbeln und Informationen hat, hat derjenige, der Überblick und die richtigen Bewertungskriterien besitzt, eine garantierte Zuhörerschaft. Denn: wenn alles möglich ist, geht es nicht mehr um das Machbare, sondern um Relevanz!

Aus diesem Überfluss an Möglichem und dem Fehlen von Orientierung heraus entsteht also das aktuelle Kurator-Phänomen.

Die Zeit der neuen Kurator-Marken

Der Mangel an Überblick ist ein perfekter Nährboden für Geschäftsmodelle und Marken. Vor allem bei Digitalmarken zeigt sich seine steigende Bedeutung. Google, eine der wertvollsten Marken dieser Welt, ist - wenn man es so sagen möchte - der Über-Kurator. Alle im World Wide Web vorhanden Informationen werden nach den Kriterien dieses Unternehmens bewertet und für den Nutzer sortiert.

Neben dem Kuratieren von Information („Curated Content“) gewinnt vor allem das Kuratieren online erwerbbarer Konsumgüter an Bedeutung. Die Zahl an Marken, die so genanntes „Curated Shopping“ anbieten, wächst stetig: Unternehmen setzen sich dazu an die Schnittstelle zwischen bestehendem Angebot und Konsument und suchen auf Basis bekannter Daten die passenden Produkte für ihn aus. Für den Konsumenten bedeutet das Entlastung: Kein lästiges Klicken durch seitenweise Hosen und T-Shirts, einfach Fragebogen ausfüllen, bei Bedarf ein kurzes Telefonat und schon bekomme ich das Passendste zugeschickt.

Auf dem deutschen Markt sind vor allem die Marken Outfittery und Modomoto für Curated Shopping bekannt. Beide haben sich auf das individuelle Kuratieren von Männermode spezialisiert. (Offensichtlich gibt es bei Männern größeren Bedarf an Klarheit. Oder bei Frauen ist der Wille, sich selbst einen Überblick über das Angebot zu verschaffen, einfach zu ausgeprägt.) Seit Mitte des Jahres hat auch Zalando mit Zalon einen eigenen Anbieter für Curated Shopping. Die Marke bedient Männer und Frauen und verspricht: „Erfahrene Stilexperten stellen für dich individuell perfekt abgestimmte Looks aus Deutschlands größtem Kleiderschrank zusammen.“ Hier wird das Kurator-Prinzip also maximal in Szene gesetzt.

Kuratierende Marken nehmen Arbeit ab und helfen dabei, effizienter und schneller Entscheidungen zu fällen. Gerade die Vielfalt und Unordnung des Netzes scheint Kuratoren unerlässlich zu machen.

Marken waren schon immer Kuratoren

Unter diesem Gesichtspunkt mag die Tatsache, dass das Kurator-Dasein für Marken nichts wirklich Neues ist, zunächst erstaunlich wirken. Marken waren jedoch schon immer Vordenker und Entscheider in dem Sinn, dass sie aus allen bestehenden Möglichkeiten gezielt Dinge auswählen und andere weglassen. Denn die Funktionsweise einer Marke ist das Markieren eines Produkts oder einer Leistung als Träger einer bestimmten Eigenschaft.

Aus Kundensicht ist es die Aufgabe von Marken, eine Auswahl zu treffen und nur jene Produkte, die Träger ihrer Leistung sind, unter ihrem Markendach zuzulassen. Eine starke Marke ist also immer auch ein guter Kurator. Aber das allein reicht heute nicht, sie muss auch deutlich machen, auf Basis welcher Leistungen oder Qualitäten sie auswählt.

Erst vor kurzer Zeit ging ein spannender Fall durch die Medien. Die Drogeriehändler-Marke dm hatte sich geweigert, eine Zahnpasta der Marke Dentagard wieder ins Sortiment aufzunehmen, bei der– bei gleichbleibendem Preis – die Verpackungsgröße verkleinert worden war. Was von Händlern für gewöhnlich stillschweigend hingenommen wird, wurde von dm geschickt zur Vermittlung der eigenen Leistungen genutzt. Die dm-Message dahinter ist deutlich: Ein solches Produkt passt nicht zu unserer fairen und verlässlichen Marke.

Auf diese Weise machte dm seine Kurationsentscheidung und die dahinter stehenden Entscheidungsprinzipien öffentlich. Ein geschickter Zug: In Zeiten, in denen analoge Händler fürchten müssen, ihren Markt durch günstigere und leichter zu erreichende Online-Anbieter zu verlieren, ist es umso wichtiger, auf die eigenen Spitzenleistungen hinzuweisen und so nicht austauschbar zu sein.

Es zeigt sich also, dass nicht nur digitale Marken davon profitieren können, ihren Status als verlässliche Kuratoren hervorzuheben. Je mehr Möglichkeiten es gibt, desto strenger müssen Marken bei ihrer Auswahl sein, um ihren Kunden Orientierung zu geben. Vor allem analoge Marken sollten sich der Bedrohung durch Willkür bewusst werden. Sie sollten ihre Leistungen und Kriterien deutlich vermitteln. Nur so haben sie eine Chance..

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