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30. November 2015

In übersättigten Märkten müssen Marken einzigartig sein

Für zwischenmenschliche Beziehungen mag Kompromissbereitschaft gut sein – nicht aber für Marken! Sie brauchen klare Grenzen.

Wir alle kennen solche Beispiele: das kleine italienische Restaurant, das nicht von einem Italiener geführt wird und das – um eine möglichst große Kundengruppe anzusprechen – statt authentischer Spezialitäten auf Pizza, Pasta, Schnitzel, Burger und Sandwiches zum Dine-in oder Take-out setzt. Hinzukommt Mittagstisch, Value Meal und Tagesangebot.

Somit fehlt es dem Lokal an Alleinstellungsmerkmalen. Der Gastronom befindet sich ungewollt in direktem Preiskampf, weil er mit allen umliegenden Anbietern von Lebensmitteln von Restaurant bis Supermarkt vergleichbar wird. Die Vielzahl an Wettbewerbern und Austauschbarkeit des Angebots hat meist einen unmittelbaren Mehrfrontenkrieg zur Folge, in dem der Preis das einzige übrig gebliebene Entscheidungskriterium ist.

Das Problem mangelnder Profilierung in übersättigten Märkten ist allerdings kein Einzelschicksal. Gegenwärtig lässt sich in vielen Branchen ein Trend zur Austauschbarkeit beobachten - beispielhaft die Entwicklungen im Lebensmittelhandel in Deutschland oder auch in der globalen Luftfahrt.

Lebensmittelhandel: Handelsmarken verlieren an Kontur

Im deutschen Lebensmittelhandel zeigt sich der abnehmende Mut zur klaren » Markenpositionierung folgendermaßen: Früher gab es Supermärkte wie Rewe und Edeka, die Markenartikel anboten. Und es gab Discounter wie Aldi und Lidl, die hauptsächlich „No Name“-Produkte führten.

Diese Trennschärfe gibt es heute nicht mehr: Zunächst begann Lidl, sich zu einem Hybrid zu entwickeln und ausgewählte Markenartikel anzubieten, um sich vom Kategorie-Primus Aldi zu differenzieren. Gleichzeitig begannen die Supermärkte, eigene Labels wie „ja!“ (Rewe) oder „Gut und Günstig“ (Edeka) in den Regalen zu platzieren. Zusätzlich lancierten Rewe mit Penny sowie Edeka mit Netto hauseigene Marken-Discounter, dem ultimativen Hybrid aus Supermarkt und Discounter.

Das Ergebnis ist Vergleichbarkeit und somit Austauschbarkeit. Inzwischen werden die Einstiegspreisprodukte von Rewe und Edeka sogar offiziell und tagesaktuell an die Preise der Vergleichsprodukte Aldis gekoppelt und stammen oft vom gleichen Subunternehmer.

Die Differenzierung liegt somit nur noch im Verpackungsdesign und dem gebotenen Einkaufserlebnis.

Ein Preiskampf, der allen schadet

Wie reagiert Aldi auf die zunehmende Anzahl an austauschbaren Wettbewerbern? Anstatt das „Low-Cost/ High Margin“-Geschäftsmodell konsequent weiterzuentwickeln und sich damit von all den Hybriden und Markenproduktanbietern abzugrenzen, strebt Aldi ebenfalls zur Mitte hin und listet vermehrt Markenprodukte. So findet man neuerdings zum Beispiel Funny Frisch Chips und Red Bull in den Regalen von Aldi Nord und Süd.

Den Kunden freut es, aber die Marge leidet: Aldi bot Funny Frisch Chips, die im Supermarkt durchschnittlich 1,79 € kosten, zunächst im Sonderangebot für 1,29 € an. Der Artikel verkaufte sich gut und wurde dauerhaft in das Sortiment aufgenommen. Kurz  darauf unterbot Lidl den Aldi-Preis: Die Tüte für 1,19 € statt ehemals 1,99 €. Heute bieten Aldi und auch Rewe den Artikel für 1,19 € an - im aktuellen Sonderangebot der Rewe sogar für 1,11 €.  Das Ergebnis: ein dauerhafter Preissturz um über 40%.

Gleiches passierte mit Red Bull. Aldi nahm den Artikel für 0,95 Cent per 330ml ins Sortiment auf und unterbot so Lidl (250ml für 1,49 €). In direkter Reaktion senkten Penny und Netto den Preis ebenfalls auf 0,95 Cent per 250ml. Lidl konterte mit 0,92 €. Zum Vergleich: In Supermärkten kostet die Dose nun 1,39 € (Rewe) - Restaurants berechnen je Dose ca. 4 € und Tankstellen meist 2,79 €. Die Zahlungsbereitschaft für Red Bull liegt also deutlich über den Einzelhandelspreisen.

Rewe und Edeka differenzieren sich nun durch ein höherwertiges Ambiente, exotische Produkte sowie ein breiteres Sortiment. Diese Differenzierung durch ein umfassenderes Shoppingerlebnis wird von den Kunden honoriert: die Supermärkte wuchsen im Jahr 2014 durchschnittlich um 2,8% und somit doppelt so stark wie die Discounter.

Gewinner und Wachstumstreiber der Lebensmittelbranche sind allerdings die Spezialisten: Naturkostfachhandelsmarken. Ihr Mut, eine begrenzte Zahl an Produkten, die spezielle Regeln erfüllen müssen, anzubieten und somit klare Grenzen zu ziehen, schlug sich in einem Umsatzwachstum von 9% im Jahr 2014 nieder – das ist ein Vielfaches des Branchendurchschnitts.

In der Luftfahrt überzeugen Linien mit klaren Services

Ein ähnlicher Trend zum Hybrid und somit dem Abbau von Abgrenzungsmerkmalen lässt sich auf globaler Ebene in der Luftfahrt beobachten. Das ist eine Branche, die einst Monopolstruktur hatte und von Flag Carriern mit eindeutigem Profil wie die Lufthansa dominiert wurde. Über die Jahre bildete sich ein Oligopol von Fullservice-Providern mit abnehmender Leistungsspezifik. Seit dem Markteintritt der Billigfluglinien wie Ryanair und EasyJet ist der Preiskampf offiziell eröffnet und die Austauschbarkeit des Leistungsangebots nimmt zu.

Einige etablierte Fluglinien wie airberlin entwickelten ein Hybridgeschäftsmodel, indem sie Inklusivleistungen reduzierten – und besetzten so die Mitte zwischen Premium und Low-Cost.

Heute streben alle Marktteilnehmer zur Mitte. Die Lufthansa hat mit Germanwings und Eurowings hauseigene Billiganbieter. Zusätzlich wurde kürzlich ein neues Tarifsystem aufgesetzt, das sich nur noch durch den im Ticketpreis inkludierten Snack von den hauseigenen Billigfliegern differenziert. Beispielsweise gibt es einen neuen Basistarif mit eingeschränktem Kabinenservice und ohne Freigepäck. Diesen Serviceabbau haben andere Flag Carrier wie KLM oder SAS bereits hinter sich und sind in der Marktmitte und somit dem Preiskampf angekommen.

Arabische Fluglinien fliegen der Konkurrenz davon

Gleichzeitig erhöhen Billigflieger wie Ryanair das Servicelevel und streben ebenfalls gen Marktmitte: Sitzplätze werden nun ohne Aufpreis zugewiesen und zusätzlich sollen Geschäftsreisende durch den Anflug von Hubs und das Angebot von Flex-Tarifen geködert werden. Ergebnis des mangelnden Muts der Marktteilnehmer zu eindeutiger Positionierung ist ein direkter Preiskampf und rote Zahlen bei einem Großteil der Branchenteilnehmer.

Schwarze Zahlen und das höchste Wachstum im Branchenvergleich verzeichnen Fluglinien (neben den Billiganbietern, die eine überlegene Kostenstruktur haben), Fluglinien aus den Arabischen Ländern, wie Emirates oder Etihad und Asien, wie Singapore Airlines und Turkish Airlines.

Deren Wachstum liegt nicht nur in den staatlichen Subventionen begründet, sondern auch in einer klaren Positionierung mit Bekenntnis zu Service und Inklusivleistungen: Emirates bietet zum Beispiel einen kostenlosen Chauffeur-Service für Businessclass-Gäste. Oder in der Economy ein spezielles Angebot für junge Fluggäste, eine Auswahl aus zwölf Menüs, großzügige Beinfreiheit und Freigepäckregularien von 32 Kilogramm auf Interkontinentalflügen. Zum Vergleich: ein Lufthansa- oder Air-France-Passagier muss auf der Strecke Frankfurt-Bangkok bisweilen ohne In-Flight Entertainment mit 20 Kilogramm Freigepäck auskommen.

Das neue Premium Konzept der Lufthansa auf der Langstrecke ist ein Schritt in Richtung Profilierung und Abgrenzung, allerdings steht dieses in direktem Widerspruch zu den neuen Basistarifen in Europa und strengeren Regeln bezüglich der angebotenen Tarife. Das Ergebnis dieses Spagats bleibt abzuwarten. Momentan jedoch ist die Attraktivität der Marke durch den Abbau von Inklusivleistungen eindeutig im Sinkflug.  

Der Ausweg aus diesem Preiskampf führt nur über Differenzierung und Profilierung. Markenbildung kann ein entscheidender Faktor sein, um sich der Vergleichbarkeit zu entziehen und nachhaltig profitabel zu wachsen.

Ob Lebensmittelhandel oder Fluglinien – die beiden Branchenanalysen zeigen, wie wichtig es in übersättigten Märkten ist, eine einzigartige Markenpositionierung zu besitzen. Unvergleichbare Produkte lassen sich zu unvergleichbaren Preisen verkaufen. Mit intelligentem Markenmanagement könnten solche differenzierenden Spitzenleistungen noch besser ausgedrückt und das Markenprofil weiter geschärft werden.

Bleiben Sie unvergleichlich! Das sollten alle Unternehmen beherzigen, die in übersättigten Märkten dauerhaftes Wachstum generieren wollen.


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