Es war eine Botschaft, die zog ich wie ein roter Faden durch das Mega-Happening SXSW 2023: Unsere Gesellschaft braucht mehr Menschlichkeit, Ehrlichkeit und Kritikfähigkeit. Was kommt hier auf die Marken zu? Wenn wir alles in einen Ein-Wort-Wert packen, lautet dieser: „Verantwortung".
Hier sind neun wesentliche Veränderungen, die für die Markenpositionierung relevant sind:
Wir gleiten in die Ära des „Assistive Computing", in der wir verleitet sind, immer weniger selbst zu denken. Klar, schon heute wird unser Leben bestimmt von Tools: angefangen von einem Blatt Papier, über den Taschenrechner auf dem Smartphone, bis hin zur KI-Unterstützung in der Forschung und im OP-Saal. Aber es wird zunehmen.
Menschen brauchen fundiertes Wissen, um mit den Tools souverän und kritisch umgehen zu können. Denn deren Ergebnisse können durchaus problematisch sein. Nur ein Beispiel: In einem Test sollte das KI-Tool Midjourney Fotos von CEOs sammeln – und es zeigte nur Männer (siehe Bild).
Tools haben einfach keinen Menschenverstand und merzen keine Vorurteile aus. Darum müssen wir weiterhin mitdenken.
Dass Authentizität wichtig ist, predigen Unternehmen ja immer gern. Dennoch hapert es meist am Umsetzungswillen. Aber Authentizität verdient oberste Priorität! Die Menschen wollen nichts Perfektes vorgegaukelt haben, sondern das echte Leben erfahren, echte Stories, echte Erfahrungen, echtes Interesse.
Dieser Wunsch erklärt den Erfolg von TikTok: Die Plattform zeigt echte Erlebnisse, ist real und authentisch, während Instagram eher die perfekte Welt bedient. Gutlaufende Communities zeigen: Ihr Erfolg basiert auf Vernetzung, echtem Interesse und Authentizität, weniger durch Marketing und Verkauf.
Für Marken gilt: Auch sie müssen ehrlich sein, die Wahrheit sagen, echte Erfahrungen teilen, auf (hundertprozentige) Skripte verzichten und nahbarer werden. „Business should not longer hide", bringt es Patagonias CEO Ryan Gellert auf den Punkt. Unternehmen müssen zu ihren Versprechen stehen und Verantwortung übernehmen, wenn sie etwas falsch gemacht haben.
Manche Werbetreibende denken inzwischen um. Sie suchen zum Beispiel Sportler, die tatsächlich an der Marke und deren Fans interessiert sind – das macht sie als Testimonials glaubwürdig. In der Werbung planen solche Unternehmen nicht mehr alles bis ins Detail, damit sie nahbarer, echter – authentischer rüberkommen.
Ein Beispiel aus dem Leben unsere Marketing Managerin Eva: Auf einer Hochzeit strahlte sie instagrammable in die Kamera, aber eigentlich war sie den Tag über zu Tränen gerührt. Die Reaktionen waren durchweg verständnisvoll. Warum also sollte man unehrlich sein, so „tun als ob"? Exakt diese Frage müssen sich auch Unternehmen stellen.
Ehrlichkeit und Verletzlichkeit sind Schlüsselfaktoren für effektive Führung, sie haben in der Corona-Zeit sogar an Bedeutung gewonnen. Davon ist Avery Baker, Chief Brand Officer des Modelabels Tommy Hilfiger, überzeugt: Eine jede Führungskraft besitze eine Superkraft und eine Schwäche – und die gelte es zu akzeptieren, so Avery.
Dass Perfektion nicht mehr das Maß aller Dinge ist, zeigte Avery Baker mit einer Fashion Show in der frischen Luft – es regnetet in Strömen. Noch vor wenigen Jahren wäre das undenkbar gewesen. Doch die Show lief völlig relaxt ab und es gab super Feedback (Pressebericht).
(Avery Baker hat im April Tommy Hilfiger verlassen.)
„The identity always presents itself", pflichtet hier Leslie Merinoff Kwasnieski bei, die gerade mit ihrer Matchbook Distilling Company ihre Branche in den USA aufmischt. Wie ihr das gelingt? Mit ungekünstelter Ehrlichkeit: „Ich starte nicht mit einem ‚Branding Concept' – ich zeige einfach die Tiefe meines Herstellungsprozesses".
Die Nutzung von Social Media ändert sich, sie werden immer mehr zur Recherche verwendet: Laut einer Google-Studie recherchieren inzwischen 40 % der Generation Z nicht in Google, sondern auf Social Media, vor allem auf Instagram und TikTok. Dort stellen sie zum Beispiel gern „How to"-Fragen. Warum? Weil die Plattformen, so die Annahme der GenZ, authentischere Ergebnisse liefern als die SEO-Fundstücke in Google.
Das bedeutet für Unternehmen:
Experten sind sicher, dass klassische Suchmaschinen relevant bleiben, etwa für den Marken- und Vertrauensaufbau. Außerdem liefern sie im Vergleich zu den Social-Media-Plattformen noch die besseren Analytics – und die Conversions sind besser nachvollziehbar.
Alle reden über mehr Diversität, mehr weibliche Führungskräfte, mehr internationale Mitarbeitende, mehr Toleranz. Am wichtigsten ist aber das richtige Repräsentieren dieser Diversität sowie ein tiefes Verständnis davon.
Marken, die international tätig sind, müssen in der Lage sein, die jeweils regionale Kultur und die Bedürfnisse der Konsumierenden reflektieren zu können. Das bedeutet, dass man das Storytelling einer Marke nicht einfach anderen Ländern überstülpen kann, sondern es den kulturellen Gegebenheiten anpassen muss. In dieser global vernetzten Welt müssen Marke Personen und Regionen den nötigen Raum geben, um sich zu äußern und sich zu präsentieren, mit allen Facetten.
Gerade in Zeiten, in der die Künstliche Intelligenz an Bedeutung gewinnt, ist Repräsentation wichtig. Denn diese kann nur von den präsenten Daten lernen – und ist dementsprechend voreingenommen, wenn keine vollständige Repräsentation vorherrscht.
Dazu gehört auch, dass Marken Tabuthemen ansprechen müssen, sofern diese Themen zu den Markenwerten und den Überzeugungen passen. Je mehr echter Content existiert, desto authentischer wird die Marke repräsentiert.
Die Dänen leben uns das Scandinavian-Modell vor. Das ist holistischer Ansatz, bei dem der Mensch mit all seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht. Wer nach diesem Modell vorgeht, orientiert sich allein an der Lösung. Es erlaubt auch anderen, Ideen und Lösungen einzubringen, statt nur auf sich zu schauen und die Ellenbogen auszufahren. Das macht die Dänen nicht, wie immer behauptet, zu den glücklichsten Menschen der Welt – aber sie vertrauen ihrem System immer mehr.
Das Scandinavian-Modell sollten sich auch Marken abschauen, um das Vertrauen ihrer Kunden zu gewinnen, zu halten und um authentischer zu werden. Denn: "Strategy means nothing, if you not empathise with a customers life," stellt der dänische Marketeer Sandeep Seth klar. Es sei wichtig, erst einmal die Knappheiten und Sehnsüchten der Menschen zu kennen, um dann eine Strategie zu entwickeln.
Als Sandeep Seth bei Procter and Gamble für die Marke Pampers gearbeitet hat, übernachtete er – als junger Mann ohne Frau und Kinder – zwei Tage bei einer Familie mit Kleinkindern. Sein Ziel: Er wollte die Sehnsüchte und Probleme der Kunden besser verstehen und darauf basierend ein besseres Produkt entwickeln.
Warum ein solches Verständnis so wichtig ist? „Jene Menschen, die Menschen verstehen, gewinnen immer", bringt es der Marketingsexperte Rohit Bhargawa auf den Punkt.
Über die Hälfte der Menschen leidet unter „Climate Anxiety": die Angst vor den Konsequenzen des Klimawandels. Vor allem wird befürchtet, dass man selbst nichts bewegen kann – eine Annahme, die nicht wahr ist. Es wurde mehrfach nachgewiesen, dass Einzelpersonen sehr wohl Einfluss haben, weil sie Menschen im persönlichen Umfeld beeinflussen können, ob bewusst oder unbewusst. Aus Aktionen von Einzelpersonen entstanden bereits Gesetze zum Schutz der Umwelt. Das Verbot von Strohhalmen etwa begann als Graswurzelbewegung.
Diese Kraft der Einzelnen können Marken für sich nutzen, indem sie (potenziellen) Kunden und Kundinnen eine Plattform anbieten, auf der sie sich zu einem Nachhaltigkeitsthema austauschen können. Diese sollte für die Marke relevant sein. Mit einem solchen Angebot würden die Menschen erfahren, dass sie nicht allein sind mit ihren Sorgen und dass sie gemeinsam etwas bewegen können. Diese Botschaft muss nahbar kommuniziert werden, es gilt zu betonen, warum man etwas tut. „Hard facts" allein helfen hier nicht weiter. Das zieht Gleichgesinnte an, gibt Orientierung und vereinfacht die Kaufentscheidung zugunsten der Marke.
Beim Hochsprung war es früher üblich, vorwärts über die Stange zu springen. Bis der US-Amerikaner Richard Douglas „Dick" Fosbury 1968 rückwärts über die Stange sprang und damit bei den Olympischen Spielen in Mexiko-Stadt Gold holte. Fosbury revolutionierte die Zukunft des Hochsprungs – indem er nicht versuchte, die Zukunft zu prophezeien, sondern indem er ein Problem löste.
Leider fehlt es in vielen Unternehmen an einer solchen lösungsorientierten Vorstellungskraft. Als Konsequenz sind ihre Zukunftsszenarien geprägt von eigener Hoffnung, Ängsten, Fantasien oder einfach nur Unnützem.
Warum nutzen wir die Gegenwart so wenig, um uns weiterzuentwickeln? Zum Beispiel: In den Vereinigten Staaten leben über 100 Millionen Menschen mit Prädiabetes, allerdings wissen 80 % nichts davon. Im Sport wird intensiv auf Glucose-Werte geschaut, um die Ernährung und das Training danach auszurichten. Wir wäre es, wenn wir künftig alle unsere Glucose-Werte messen würden, so selbstverständlich wie das Verwenden eines Schrittzählers?
Diese Denkweise lässt sich auf Premiumprodukte übertragen. Heutzutage gilt „natur pur" und regional als Premium – Hauptsache kein Plastik. Das war nicht immer so. Damals war Plastik die Revolution und galt als Premiummaterial. Was wird es also in Zukunft sein?
Regionale und natürliche Produkte gelten als Premium, sie sind aber oft nicht mit dem Umwelt- und Tierschutz vereinbar. Wie könnte die Lösung aussehen? Könnte es passieren, dass „Fake" das neue Premium wird? Tierprodukte wie Fleisch und Leder aus dem Labor, um den CO2-Fußabdruck zu minimieren und Tierleiden zu beseitigen?
Mehr denn je wissen Konsumenten, was auf der Welt geschieht und wie Marken darauf reagieren, was sie unterstützen und was nicht. Oft jedoch haben Marken Angst davor, zu aktuellen Geschehnissen Stellung zu nehmen, sie befürchten einen Shitstorm. Dabei vergessen sie, dass auch Schweigen einen Shitstorm auslösen kann.
Konsumierende treffen immer häufiger ihre Kaufentscheidungen anhand der Werte und Interessen von Marken. Darum ist es essenziell, dass Unternehmen Stellung beziehen. Selbstverständlich nicht zu allem – nur zu den Ereignissen, die zu ihren Überzeugungen passen.
Trotzdem kann es passieren, dass es zu einem Shitstorm heraufzieht. Dieser hat jedoch den positiven Effekt, dass die Kundschaft sich neu strukturiert. Wer verloren geht, hätte sowieso nicht zur Marke gepasst. Dafür gewinnt man neue Käufer und Käuferinnen hinzu.
Marken müssen eine starke Rolle einnehmen, um die Zukunft unserer Gesellschaft im menschlichen und ökologischen Sinne zu gestalten, davon sind wir bei BrandTrust überzeugt. Wie kann das gelingen? Hendrix Gin, Entwickler des Konzepts des Brand Mysticism bringt es auf den Punkt: Marken dürfen niemals oberflächlich sein.
Stattdessen brauchen sie eine tiefe Identität und müssen einzigartige Herstellungsmethoden verkörpern. Für Hendrix Gin müssen Marken als vielschichtige Instrumente verstanden werden, die sich sukzessive entfalten, je tiefer man sich mit ihnen auseinandersetzt.
Oberflächlichkeit passt ohnehin nicht zu wichtigen Rolle, die Unternehmen und ihre Marken in der Gesellschaft einnehmen müssen, damit die Zukunft gelingt. „Business should not longer hide" rät Patagonias CEO Ryan Gellert und appelliert an das Verantwortungsbewusstsein der Unternehmer: „We messed it up – we have to clean it up."
2024 planen wir wieder eine Learning Journey zur SXSW in Austin. Registrieren Sie sich hier unverbindlich, um Informationen zu erhalten: Infos SXSW 2024
Bereits das dritte Mal in Folge wurden wir 2023 vom Wirtschaftsmagazin FOCUS als Top Unternehmensberatung ausgezeichnet. Auch in diesem Jahr wurden die exzellente Leistung und die im Gedächtnis bleibende Kompetenz unserer Berater sowohl von Kunden als auch von Kollegen wertgeschätzt.
Wir freuen uns über diese Wertschätzung und danken unseren Kunden und Kollegen.
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