Abstract
Was bedeutet es für eine Marke wie Rena Lange, wenn sie in den Ruhemodus versetzt wird? Ist das gefährlich für sie – oder womöglich sogar förderlich?
Kürzlich zitierte die „Süddeutsche" den s.Oliver-CEO Achim Fichtel, der über die aufgekauften Markenrechte an der Marke Rena Lange folgendes Statement abgab: „Die Marke ruht. Aktuell haben wir keine Pläne mit ihr" (27.6.2016). Die Marke Rena Lange gelte als Vorratsmarke und man möchte die gekauften Markenrechte im Moment nicht aktivieren.
Das Statement verwundert. Schließlich ist das aktive Markenmanagement doch eine der Prämissen im verantwortlichen Führen einer Marke. Können denn Marken überhaupt in einen Ruhezustand versetzt werden – und dort überdauern? Wenn ja, wie lange können Marken in einen Dornröschenschlaf bleiben ohne Schaden zu nehmen? Sind sie überhaupt in der Lage, irgendwann wachgeküsst zu werden?
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Rena Lange überzeugte mit Spitzenleistungen
Das Münchner Modelabel Rena Lange wurde als prachtvolle Couture-Marke Deutschlands für luxuriöse Damenoberbekleidung weltweit bekannt und genoss hohe Anerkennung in Fachkreisen. Fast ein Jahrhundert lang stand Rena Lange für inspirierende Prêt-à-porter Mode aus feinsten Materialien, aufwändige Verarbeitung, höchste Qualitätsansprüche und die spielerische Verbindung von Tradition und Moderne.
Neue Handelskonzepte triumphieren
In der vergangenen Dekade bewirkten häufige Wechsel in der Design- und Führungsriege, dass die Unternehmensausrichtung verwässerte. Hinzu kamen Modetrends wie die „Casualisierung" der klassischen Mode und neue starke vertikale Handelskonzepte, zum Beispiel von Zara.
Wiederholte oberflächliche Image-Neupositionierungen, verspätete Expansion in den chinesischen Markt, Missachtung von Trends und unstrukturierte Reorganisations-maßnahmen führten am Ende dazu, dass die Marke um Zahlungsfähigkeit kämpfte und 2014 Insolvenz anmelden musste.
Einzige Hinterlassenschaft der Marke, aber dennoch prägendes Stilelement in der Modewelt: der schneeweiße Bubikragen.
Darf eine Marke ruhen?
Laut MarkenG §§25 und 26 läuft die Benutzungsschonfrist einer Marke, die erlaubt, dass eine Marke ruht, nach 5 Jahren ab. Eine Marke unterliegt nämlich dem Nutzungszwang, um Monopolbildung zu verhindern. Bei Überschreitung dieser Frist kann es nach einer Abmahnung sogar zu einer richterlichen Anklage kommen. In unserem transparenten Zeitalter ein Disaster für den Markenwert.
Die Gesetzeslage macht aus wirtschaftlicher Perspektive besonders Sinn. Die Marke verliert sukzessive an Markenkapital, wenn dem „Markenakku" nicht regelmäßig Energie zugeführt wird.
Um dieses Bild in den Kontext zu setzen: Die Zellen dieses Akkus stellen die Konsumenten dar. Mit ihrem Vertrauen, das sie schöpfen, wird der Akkumulator aufgeladen. In den assoziativen Netzwerken des Konsumentengedächtnisses sammelt sich jegliches Wissen über die Marke. Präferenzen bilden sich und es entsteht eine erfolgsversprechende Kunden-Marke-Beziehung. Die positiven Erfahrungen mit der Marke, die Loyalität, die Weiterempfehlungen und der Wiederkauf lassen Energie entstehen und speisen den Akku.
Die Marke ist somit ein Energie erzeugender Apparat. Das Energiefeld wächst, je widerspruchsfreier die Marke im Gesamten geführt wird. Ist dieser Akku nicht ausreichend geladen, um wiederum Energie an die Produkte abzugeben, wird dem Kunden der Wert der Marke nicht vermittelt.
Ist eine Marke inaktiv, sinkt das Energielevel folgerichtig unaufhörlich. Die Stärke und Relevanz der Markenassoziationen verblassen, weil die Konsumenten die Marke im Laufe der Zeit vergessen. Die Haltbarkeit einer Marke ist im Ruhezustand also begrenzt.
Wie lange können Marken im Ruhezustand bleiben?
Es hängt stark vom Einzelfall ab, wie lange eine Marke ruhen kann. Der passende Zeitraum kann mit keiner mathematischen Formel berechnet werden. In schnelllebigen Märkten, in denen immer wieder Technologieumbrüche die Existenzen von Marken gefährden, ist der Kampf um die "Top of Mind"-Position in den Köpfen der Konsumenten besonders hart. Das bedeutet also, dass die Taktung der Märkte und die Wettbewerbsstrukturen im Markt entscheidende Determinanten für die Dauer des Ruhezustandes eine Marke sind.
Positiv auf die Ruhedauer wirkt in bestimmten Fällen die Verknappung, die durch den Verbleib der Restprodukte entsteht. Die Markenattraktivität der Insider-Automobilmarke Wiesmann erlangte zuletzt nochmals einen kräftigen Attraktivitätsaufschwung. Es scheint, dass „High Involvement"-Produkte mit Sammlerwert positiv mit der Ruhedauer einer Marke korrelieren. Ebenso ist der Produktlebenszyklus – und damit die Möglichkeit, sich immer wieder in das „Total Set" der Konsumenten zu rufen – einflussnehmend.
Indem zudem Lebensknappheiten und Sehnsüchte durch die Marke aktiviert werden, entsteht ein Verlangen nach der Marke, das überdauert. Beseelt durch nostalgische Gefühle konnte der VW Beetle den Platz des VW Käfers einnehmen oder der Mini durch die Akquisition durch BMW wiederbelebt werden.
Die Wiederauferstehung einer Marke
Während der Ruhephase können sich selbstverständlich die Bedürfnisse der Konsumenten ändern, was eine Marke und ihr ursprüngliches Angebot obsolet machen könnte. Die Wiederbelebung einer Marke wäre dann extrem diffizil, weil ein Neuanfang in einer neuen Kategorie gestemmt werden muss.
Dennoch profitieren Marken – vergleichbar der verlorenen Muskulatur nach einer längeren Sportpause – von einem Memory-Effekt. Hilfreich ist ein Trigger, der Erinnerungen wachruft: Patente zum Beispiel, Erfindungen oder Markantes wir Rena Langes Bubikragen!
Es besteht Hoffnung für Rena Lange
Wir können im Falle Rena Lange zuversichtlich sein. Die langen pompösen Roben für spezielle Anlässe überdauern die Ruhephasen durchschnittlicher, mittelpreisiger Textilkleidungsmarken. Weil Rena Lange als „In Brand" in den Ruhestand versetzt wurde, kann durch ein zeitlich angemessenes Zurückziehen im besten Fall sogar ein Faszinosum entstehen.
Wie die Marke Rena Lange allerdings im Rahmen des Markenportfolios von s.Oliver positioniert werden könnte, wird spannend!
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Dr. Judith Scholz
Partner
„Ist eine Marke inaktiv, sinkt ihr Energielevel unaufhörlich.“
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