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Innovation

Innovationsprozess: Kunden einbeziehen

13. Juli 2020

„Eine Innovation gelingt nur im Einklang mit der Marke“

Über 30.000 neue Produkte werden jährlich eingeführt und 95 Prozent davon scheitern (Harvard Business School 2018). Nur wenige Unternehmen sind also mit ihren Innovationen erfolgreich. Das ist ein enormes Problem, denn Innovationen sind unerlässlich für den Fortbestand und die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Marken. Vor allem in Zeiten wie diesen, in denen sich Märkte und Branchen kontinuierlich wandeln und auch Konsumenten ständig neue Bedürfnisse verspüren.

Damit eine Innovation erfolgreich sein kann, müssen Markenmanager die Innovationskiller identifizieren und verstehen. Sie müssen Innovationsgespür, die nötige Kompetenz und Sicherheit in der Umsetzung entwickeln. Professor Dr. Heiko Seif ist Experte im Bereich Innovationsmanagement und erläutert im Interview ...

  • warum Marken im Innovationsprozess scheitern,
  • welchen Einfluss die Unternehmenskultur auf die Innovationskraft von Marken hat,
  • wie der ideale Innovationsprozess von Marken aussieht und
  • welche Trends den Markt aktuell und künftig bestimmen werden.

Warum scheitern so viele Innovationen? Worauf muss ein Unternehmen achten, damit der Durchbruch gelingt? Dazu haben wir den Innovationsexperten Professor Dr. Heiko Seif interviewt.

Prof. Dr. Seif im Interview mit Nikolaus Rauschl

Professor Heiko Seif ist Senior Manager bei der Digitalisierungsberatung UNITY. Er lehrt als Dozent und Forschungsdekan im Bereich Innovations- und Digitalisierungsmanagement an der Munich Business School und an der Sheffield Hallam University.

Professor Seif, wie lautet Ihre Definition von „Innovation"? UNITY ist die führende Managementberatung für Digitalisierung – braucht somit jede Innovation Ihrer Meinung nach ein technologisches Fundament?

Professor Heiko Seif: Ich definiere Innovation als eine Neuerung, die einen Markterfolg erzielt, den es in dieser Form noch nicht gab. Das kann auch eine Kombination aus etablierten Technologien sein, die aus Sicht des Kunden einen neuen Mehrwert schafft. Ein Beispiel dafür sind die Produkte von Apple.

Auch im Servicebereich gibt es Innovation, etwa wenn eine Dienstleistung auf neue Art und Weise erbracht wird. Auch ein Bündel aus Produkt und Service, das in dieser Zusammensetzung noch nicht existierte, kann eine Innovation sein. Innovationen müssen also nicht immer rein technologischer Natur sein.

In Unternehmen gibt es grundsätzlich zwei Arten von Innovationszielen: zum einen die Innovations- und Technologieführerschaft im Produkt- und Servicebereich. In diesem Fall will eine Marke mit Neuerungen explizite Kundenprobleme lösen und einen Wow-Effekt erzeugen. Zum anderen gibt es Innovationen in Prozessen und Strukturen, mit denen die unternehmensinterne Effizienz gesteigert wird.

Wie wirkt sich denn die Corona-Krise auf das Innovationsverhalten der Unternehmen aus?

Professor Heiko Seif: Einige Unternehmen stellen ihre Innovationsvorhaben zurück, um ihre Liquidität zu sichern, nach dem Motto „aufgeschoben ist nicht aufgehoben". Das führt zu einem Backlog an Projekten. Sobald die Wirtschaft wieder angelaufen und die Cash-Situation gesichert ist, werden diese Projekte mit einem Zeitverzug von 3 bis 12 Monaten wieder aufgenommen.

In manchen Sektoren geschieht das früher, etwa in der Elektronik. In anderen Sektoren dauert das länger, zum Beispiel im Maschinen- und Anlagenbau. Mit einer Innovation gehen wichtige Trends einher, beispielsweise umweltverträgliche Technologien. Diese haben in der Krisenzeit quasi Rückenwind, nicht zuletzt durch staatliche Förderungen und Wiederaufbaumaßnahmen, die an Bedingungen des Klima- und Umweltschutzes gekoppelt sind.

Wir sehen aber auch anpassungsfähige Unternehmen, die sich schnell auf die durch die Krise entstandenen Bedürfnisse einstellen. Mit innovativen Ansätzen bieten sie Produkte, Services und Lösungen an, die reißenden Absatz finden. Ein Beispiel hierfür sind Mund- und Nasenschutzmasken von Marken, die bis dato nichts mit solchen Produkten zu tun hatten. Oder Lieferservices, die gesunde und frische Lebensmittel an die Haustür liefern.

Warum scheitern so viele Innovationen?

Professor Heiko Seif: Selbstverständlich hängt das vom Verhalten der einzelnen Unternehmen ab. Dennoch finden sich in Konzernen, KMUs und Startups die immer gleichen Erfolgskiller.

Zum Beispiel wenn ein kleiner, agiler Hidden Champion, der eine starke Innovationskraft besitzt, seine Innovationsfähigkeit und Agilität nicht als Werteversprechen nutzt. Er muss diese Werte aber vorleben und kommunizieren. Wenn er seine Markenidentität nur lückenhaft vermittelt, könnten Konsumenten seine Innovationsfreude und die dadurch ausgedrückten Werte übersehen, sie also nicht mit der Marke in Verbindung bringen.

Einen weiteren Fehler begehen vor allem traditionelle Unternehmen, die sich bislang kontinuierlich aber nur inkrementell weiterentwickelt haben: Auf Biegen und Brechen entschließen sie sich von heute auf morgen dazu, zu 100 % innovativ, digital, kundenzentriert und agil zu sein – und im gleichen Atemzug erwarten sie, dass sich auch die ersten Ergebnisse agil einstellen. Sie initiieren umfangreiche Digitalprojekte oder nehmen gar einen Chief Digital Officer (CDO) in die Geschäftsleitung auf – während das restliche Unternehmen in gewohnten Mustern verharrt. Hier braucht es zum CDO aber ein Pendant in den unterschiedlichen Abteilungen und Hierarchieebenen. Denn das sind die eigentlichen Eckpfeiler, an denen diese ambitionierten Vorhaben erfolgreich umgesetzt werden müssen.

Ein Problem ist auch der Irrglaube vieler Unternehmen, alle Prozesse ließen sich „agilisieren". Natürlich gibt es in einem gut eingespielten Unternehmen Aufgaben, die man agil abarbeiten kann. Dennoch gilt es zu differenzieren, welche Aufgaben agil lösbar sind – und welche eine stabilere Struktur erfordern, die sich nicht so leicht verändern lässt.

Der letzte – und meiner Meinung nach am häufigsten begangene – Fehler bei Markeninnovationen: Wenn Unternehmen abwarten und erst einmal beobachten, wie sich die Konkurrenz verhält. Das Resultat: Solche Marken verpassen hochrelevante Trends. Sie lassen den Mitstreitern – nach dem Motto „The winner takes it all"– die Rolle des First Movers. Sie sind dann lediglich die Nachzügler, die nur einen Bruchteil des wertvollen Marktpotentials ausschöpfen können.

Was muss eine Marke beachten, um eine Innovation erfolgreich auf den Markt zu bringen?

Professor Heiko Seif: Die Voraussetzung für eine dauerhaft erfolgreiche Innovation ist, dass sie im Einklang mit Markenimage, Markenidentität und Markenwahrnehmung des Kunden ist. Marken müssen darauf achten, dass die Werte, die durch eine Innovation zum Ausdruck kommen, mit den bestehenden Markenwerten Hand in Hand gehen. Passen diese nicht zusammen, besteht die Gefahr, dass die Marke verwässert, an Glaubwürdigkeit verliert und die Verbraucher verwirrt.

Ein weiterer – und oft missverstandener – Erfolgsfaktor für Innovationen sind Trends. Als Marke empfiehlt es sich nicht, möglichst vielen davon zu folgen, sondern nur jenen, die zur eigenen Identität passen und für die Zielgruppe relevant sind. Es ist ausschlaggebend, dass jeder Trend sorgfältig bewertet und eingeschätzt wird. Solche, die eine hohe Langfristigkeit, Passung und Einfluss versprechen, sollten unbedingt in den Innovationsprozess integriert werden.

Das Image einer Marke wird von den Kunden und der Community geprägt. Darum empfiehlt es sich, den Innovationsprozess zu öffnen und die Kunden mit Maß und Ziel in diesen zu integrieren. Das erhöht die Erfolgschancen einer Innovation: Wenn ein Unternehmen direkt mit seinen Kunden interagiert, erhält es wertvolle Bedürfnis- und Lösungsinformationen, mit denen es seine Produkte und Dienstleistungen marktgerecht, effektiver und effizienter konzipieren kann. Als Resultat können Marken ihren Time-to-market reduzieren und ihren Fit-to-market und New-to-market steigern.

Wie läuft der ideale Innovationsprozess einer Marke ab?

Professor Heiko Seif: Speziell in den frühen Phasen – bei der Ideengenerierung und Konzeptentwicklung – entscheidet sich, ob eine Innovation erfolgreich sein wird. Hier werden meines Erachtens die effizientesten Innovationsmethoden angewandt.

Der Prozess beginnt mit der Markt-, Kunden- und Trendanalyse. Sobald ein Unternehmen weiß, wie potentielle Kunden ticken, wie ihr Umfeld aussieht und welche Trends ihr Handeln steuern, kann es sich bei der Ideenfindung (Ideation) überlegen, mit welchen Impulsen, Neuerungen und Technologien es ihr Leben erleichtern und ihnen einen echten Mehrwert bieten kann. Immer zu 100 % kundenzentriert lautet die Devise!

Mit den generierten Ideen kann im Anschluss ein Leistungsangebot erarbeitet werden. Eine hilfreiche Methode ist hier das Value Proposition Design. Das ist ein simples, aber sehr wirksames Werkzeug, um Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Es setzt auf Empathie und hilft, direkt ins Mark der Kundenprobleme und Bedürfnisse zu treffen.

Sobald das Leistungsangebot definiert ist, folgt die Produkt- und Serviceentwicklung. Hier ist zu klären, welche Ressourcen nötig sind und welche Partner im Innovations-Ecosystem vereint werden sollen, damit ein optimales Ergebnis erreicht wird.

Zuletzt müssen sich die Markenverantwortlichen überlegen, wie sie die Innovation auf den Markt bringen und wie sie sicherstellen können, das diese für den Konsumenten relevant sind. Marken brauchen in dieser Phase Feedback in Echtzeit, das heißt: Man sollte sich für diese Phase Testmärkte aussuchen und besonders fortschrittliche Kunden, sogenannte Lead-User, in das Testing integrieren. Deren Feedback entscheidet, ob das neue Angebot verbessert oder, im schlechtesten Fall, wieder vom Markt genommen werden muss. Nach dem Credo „Test, Learn, Adapt" müssen Marken diese Schlaufe so lange durchlaufen, bis sie mit einem idealen Angebot den ganzen Markt betreten können.

Welchen Einfluss hat die Unternehmenskultur auf die Innovationsbereitschaft von Unternehmen?

Professor Heiko Seif: In jedem Unternehmen werden Innovationen gefordert – aber nicht immer werden sie auch gefördert. Die Innovationsleistung eines Unternehmens hängt davon ab, wie stark der Innovationswille in der Unternehmenskultur verankert ist.

Für ein produktives Innovationsklima ist es entscheidend, dass das Top-Management die erforderlichen Prozesse unterstützt und alle Organisationsbereiche und deren Mitglieder in die innovativen Denk- und Handelsprozesse miteinbezieht.

Das sind die gravierendsten Hemmnisse von Innovationen: wenn neue Produkte und Prozesse kaum beachtet werden, wenn der Fokus auf kurzfristigen Geschäftserfolgen und auf dem Kerngeschäft liegt, wenn die Marktforschung unzureichend ist, wenn Entscheidungen hinausgezögert werden und es der Innovationsleistung an Strategien und Vision mangelt.

Je länger und stabiler ein Produkt am Markt etabliert ist, mit nur marginalen Veränderungen, desto starrer und rigider wird die Unternehmenskultur. Fakt ist, dass nicht alle Mitarbeiter gleich innovativ sind, sie stehen dem Thema Innovation unterschiedlich gegenüber. In einem Unternehmen gibt es Innovatoren, Vordenker und kreative Köpfe – und Mitarbeiter, die ein stabiles und routinebedürftiges Arbeitsumfeld brauchen und Innovationen eher als störend empfinden.

Genau hier kommt die Unternehmenskultur ins Spiel: Sie übernimmt eine Integrationsfunktion, sie muss zwischen diesen beiden Extremen vermitteln. Es erhöht die Transformationsfähigkeit und die Innovationsstärke einer Marke, wenn diese heterogenen Gruppen erfolgreich zusammengeführt und deren Arbeits- und Denkweisen (Mindset) regelmäßig hinterfragt und optimiert werden.

Wie kann eine Marke schnell agil werden und dadurch die eigene Innovationskraft fördern?

Professor Heiko Seif: Eine schnell umsetzbare und effiziente Möglichkeit, um Innovationen voranzutreiben, ist das Bilden fachlich-heterogener, „entdeckerischer" und kreativer Arbeitsgruppen. Diese können sich in „Break Out Sessions" einem konkreten Kundenproblem widmen und eine Lösung erarbeiten, losgelöst vom Arbeitsalltag.

Wenn unkonventionell denkende Mitarbeiter von etablierten Strukturen entkoppelt werden, können sie innovative und zukunftsträchtige Ansätze entwickeln, die anschließend in die etablierten Strukturen re-integriert werden. Das geschieht sukzessive und mit ausreichend Geduld. So kann der Start für eine sich zunehmend etablierende Innovationskultur gelingen.

Wie lauten die wichtigsten Trends, die Marken im Visier haben müssen?

Professor Heiko Seif: Nach dem Motto „Do business without harming the environment" ist die Nachhaltigkeit ein hochrelevanter und nahezu zeitloser Trend, vor allem bei Wasserstofftechnologien. Marken, die bis dato kaum bis gar nichts damit zu tun hatten, müssen aber aufpassen, nicht nur Greenwashing zu betreiben.

Eine weitere ernstzunehmende Entwicklung ist die Selbstoptimierung. In der heutigen „schneller, besser, gesünder"-Gesellschaft etablieren sich zahlreiche Marken, die uns Menschen mit „Human Enhancement Technologies" dabei unterstützen, unsere physischen und mentalen Fähigkeiten weiterentwickeln zu können.

Was meiner Einschätzung nach ebenfalls für die nächsten 5 bis 10 Jahre relevant bleiben wird, ist die Künstliche Intelligenz und Digitalisierung. Ein übergeordneter Socio-Trend, den Marken ebenso für sich nutzen können: das Denken in Polaritäten in unserer zunehmend auseinanderdriftenden Gesellschaft.

Pauschal festzulegen, welcher Trend zu welcher Marke passt, ist schwierig. Allerdings gibt es Kriterien, anhand derer man herausfinden kann, ob es sich lohnt, in einem gewissen Bereich innovativ zu werden. Hierfür sollten sich Marken diese Fragen stellen:

  1. Passt die Innovation zur Markenidentität (Innovations-Wertefit)
  2. Ist die Innovation für den Markt attraktiv und hat sie das Potential für einen Wow-Effekt? (USP)
  3. Sind Kunden bereit, die Innovation zu übernehmen? (Adaption)

Welchen Rat möchten Sie Marken für die nahe Zukunft geben?

Professor Heiko Seif: Ich empfehle ihnen, genauestens zu beobachten, welche Bedürfnisse die Corona-Krise in den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen entstehen lässt. Zeitgleich sollten sie überlegen, wie sie mit ihren Leistungen – oder dem Erwerb neuer Kompetenzen – passende Lösungen entwickeln und anbieten können. Damit schlagen sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits leisten sie einen Beitrag für die Gesellschaft, um die Krise zu überwinden. Zum anderen lernen sie, wie sie dank Anpassungsfähigkeit und Innovation wirtschaftlich überlebensfähig bleiben.

Ein solches unternehmerisches Verhalten ist auf jeden Fall dem Abwarten und Hoffen auf bessere Zeiten vorzuziehen. Es ist besser, das unternehmerische Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, anstatt sich abhängig zu machen von äußeren Rahmenbedingungen wie wirtschaftliche Fördermaßnahmen.

Innovationen bestimmen die Marktposition und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, auch in Zeiten wie diesen.

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Eva Stockhausen

Eva Stockhausen

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