Meine Ausgangsthese ist diese: Die Marke Schweiz bezeichnet mehr als einen geografischen Ort. Vielmehr markiert sie ein Assoziationsbündel im kollektiven Gedächtnis der Menschen in aller Welt. Aus diesem Assoziationsbündel entwickeln sich Vorurteilsmuster, die letztlich das Bild der Schweiz in den Köpfen der Menschen prägen.
Je deutlicher dieses Bild, desto schärfer die Marke. Die Marke Schweiz gehört im globalen Vergleich zu den stärksten Marken der Welt, weil sie glasklar und unverwechselbar positioniert ist.
Die Assoziationen reichen von konkreten Bildern wie Schokolade, Matterhorn, Heidi, Geld, Luxusuhren, Simmentaler Kühe, Käse aus Gruyère, SBB, Grand Hotels, Schweizer Kreuz, St. Moritz und Ascona bis hin zu nicht minder starken, abstrakten Begriffen wie Banken, Reichtum, intakte Natur, Lebensqualität, Gesundheit, High Tech, direkte Demokratie, Genuss und Kultur.
Es gibt wenige Nationen, die eine so attraktive und gleichzeitig so differenzierte Marke herausgebildet haben. Produkte und Dienstleistungen mit dem Herkunftszeichen „Swiss Made“ erzielen weltweit beachtliche Preisaufschläge um bis zu dreistelliger prozentualer Höhe. Dies führt dazu, dass die Schweiz im Report 2017 von U.S. News & World Report, Y&Rs BAV Consulting und der Wharton School der University of Pennsylvania auf Platz 1 von 80 Ländern liegt, die nach Kriterien wie politischem und wirtschaftlichem Einfluss bis hin zu Bürgerrechten und Lebensqualität bewertet wurden. Er soll erfassen, wie Staaten international wahrgenommen werden.
Klare Bilder im Kopf erzeugen ebenso klare Erwartungen. Und bei einer so starken Marke wie der Schweiz sind diese auch entsprechend ausgeprägt. Die Schweizer werden dadurch zu Markenmenschen, zur Inkarnation und zu Botschaftern dieses Assoziationsbündels – ob sie wollen oder nicht. Sie werden danach beurteilt wie sehr sie den Vorurteilsmustern der Marke Schweiz entsprechen, sie übertreffen oder unterlaufen. Nicht jeder Schweizer ist bereit oder in der Lage, diese an ihn ganz persönlich gestellten Erwartungen zu erfüllen.
Wie definiert nun die Schweiz selbst ihre Marke? Wie sieht die Regierung die Realität? Das „Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten“ verortet den Kern der Marke Schweiz zwischen den beiden Polen „Selbstbestimmung“ und „Zukunftssicherheit“.
Wenn diese vergleichsweise nüchterne und abstrakte Eigendefinition die Schweiz repräsentiert, dann kommt die Marke Schweiz, wie sie im Kopf des Weltbürgers abgespeichert ist, im Vergleich dazu schon recht nah an Utopia, den berühmten Nicht-Ort aus dem 1516 erschienen Roman von Thomas Morus, ran. Dann ist die Marke Schweiz tatsächlich eine idealtypische Vorstellung im kollektiven, globalen Gedächtnis, die mit der realen Schweiz nicht mehr viel zu tun hat.
Wie bei allen Marken gilt hier: Von innen nach außen. Ohne die Identifikation der Bevölkerung mit Ihrer Markenutopie kann es nicht dauerhaft gelingen, die Markenleistung mit dem Markenversprechen in Übereinstimmung zu bringen. Eine Herausforderung, weil man die eigene Bevölkerung dazu nicht zwingen, sondern nur motivieren kann.
Zudem muss die Anzahl der Trittbrettfahrer möglichst niedrig gehalten werden. Also jene Marken, die im Kielwasser der starken Herkunftsmarke Schweiz fahren und ihre eigene minderwertige Leistung durch die Verknüpfung mit der Marke Schweiz attraktiver gestalten wollen.
Vereinzelt richtet das keinen großen Schaden an, aber als dauerhafte und häufige Erscheinung macht es das Markensystem morsch und höhlt es aus. Daher sind eine hohe Sensibilität des Regulators sowie konsequentes Handeln Voraussetzungen, um die Kraft der Marke Schweiz zu erhalten und auch auszubauen.
In Zukunft wird die utopische Marke Schweiz – dieser nicht existente Sehnsuchtsort, der vielen Wünschen, Träumen und Hoffnungen als Projektionsfläche dient – bei entsprechender Pflege noch mehr an volkswirtschaftlicher und soziomentaler Bedeutung gewinnen.
Die Marke Schweiz ist mit ihren vielfältigen und differenzierten Facetten die idealtypische Antwort auf die zunehmende Unübersichtlichkeit und Unsicherheit der Welt. Und wenn es ihr gelingt, die Lebensknappheiten der Menschen glaubwürdig zu adressieren und mit konkreten Leistungen zu unterlegen, wird die Utopie Schweiz vielleicht doch noch zur Realität.
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