Abstract
Die Schweizer Luxusuhrenindustrie muss sich mehr an seinen Kunden orientieren, an ihren Wünschen, Träumen, Sehnsüchten und Hoffnungen. Nur dann werden Uhrenmarken Teil ihrer Identität. Zudem müssen sie endlich erkennen, wie sehr sich das Luxusverständnis ändert. Die Treiber dieses neuen, immer mehr mit immateriellen Attributen verwobenen Luxusverständnisses sind Kennerschaft, Sinn, ehrlichen Beziehungswillen, Reduktion der Komplexität, Beständigkeit und Distanz zur eigenen Wichtigkeit.
Die Schweizer Uhrenindustrie steckt in der Krise, ihr goldenes Jahrzehnt zwischen 2004 bis 2014 ist deutlich erkennbar vorbei. Um Lösungen zu finden, müssen zuerst die Ursachen analysiert werden. Dies sollte gründlich und vorurteilsfrei geschehen – denn eine falsche Analyse führt unweigerlich zu einer falschen Lösung.
Ok, wie sehen also die gängigen Erklärungen für diese Krise aus? Wer die Presse dazu verfolgt, macht Gründe aus, die in zwei Gruppen zusammengefasst werden können:
Fakt ist: Die Schweizer Uhrenmanager haben zu viele ihrer „Eier in nur einen Korb" namens Asien gelegt. Dort fanden die größten Investitionen in Personal, Läden, Ausstattung und Kunden statt, die es aus der Schweiz heraus jemals gab. Sie schnitten ihre Kollektionen immer mehr auf eine Klientel zu, die ein noch vergleichsweise einfaches Luxusverständnis hat und über mehr Geld als Stil verfügt. Alter Luxus.
Fakt ist auch: Die Apple Watch ist, in Apple Maßstäben gerechnet, nicht besonders erfolgreich – dennoch ist sie ist in kurzer Zeit zur weltweit meistverkauften Uhr avanciert. Deshalb raten viele Experten: Schweizer, digitalisiert Eure Uhren! Einige verfolgen diesen Rat (Tag Heuer), andere lehnen ihn ab (Swatch Group).
Reicht das als Erklärung für die Krise aus? Nein. Das Problem sind nicht die Smartwatches, sondern die Sattheit einer erfolgsverwöhnten Industrie und damit ihre Unfähigkeit zur Neuerfindung. BrandTrust hat bereits vor über vier Jahren in einer weltweiten Luxusmarkenstudie nachgewiesen, dass diese Krise eintreten wird, wenn die Schweizer Uhrenhersteller nicht beginnen umzudenken, umzulernen und sich in aller Konsequenz neu zu erfinden.
Der Luxusbegriff ist aktuell enormen Veränderungen unterworfen. Luxus ist nicht mehr nur „Blingbling", sondern mutiert ins Immaterielle. Es geht um Vorfreude und das Erlebnis, weniger um das Produkt. Es geht um den Kaufprozess, weniger um den Besitz. Gerade jungen Menschen (deren scheinbare Luxusabstinenz auch als Teilproblem identifiziert wurde) geht es vor allem um immaterielle Luxusgüter wie Selbstbestimmtheit, Mobilität, Kennerschaft, Beständigkeit und Zugehörigkeit, weniger um klassische Luxustreiber wie soziale Abgrenzung und Aufstiegsausweis.
Die Apple Watch ist ein Computer am Handgelenk – keine Uhr. Sonst wäre dieser Logik zufolge das iPhone eine Taschenuhr. Die Apple Watch ist das, was eine Luxusuhr nicht ist: ein Verbrauchsartikel. Dasselbe passierte Computern und Handys: Früher anbetungswürdige Statusprodukte – heute Wegwerfware.
Eine wirkliche Luxusuhr hingegen wird Teil der eigenen Biografie und anschliessend vererbt. Noch nie wurde soviel Geld vererbt und verdient wie heute, nur: Wie wird es ausgegeben? Welches sind die neuen Kaufmotive? Die Chance für die Schweizer Luxusuhrenindustrie liegt darin, die geänderten Motive und Erwartungen gegenüber Luxusprodukten zu erkennen – und zwar durch alle Sozial- und Einkommensschichten hindurch.
Zum Beispiel war der Selbstdarstellungstrieb junger Menschen im Zeitalter von Facebook und Instagram noch nie so hoch wie heute – zudem funktioniert er anders als früher. Der dazu nötige Fetisch ist ein anderer und wird auch anders codiert. Wie könnte eine Armbanduhr dies unterstützen?
Verkaufen beginnt, wenn der Kunde „nein" sagt
Wer wie die Luxusuhrenindustrie über ein Jahrzehnt lang seine Produkte „zugeteilt" hat, hat das Verkaufen verlernt. Sie hat sich schrittweise vom Kunden weg „nach hinten" orientiert. Der Verkauf und das ständige sich Sorgen um seinen Kunden trat in den Hintergrund, weil der Absatz der Produkte quasi „automatisch" funktionierte. Stattdessen kümmerten sich die Hersteller immer ausufernder um ihre selbstgeschaffenen und selbstbefriedigenden Marketingexzesse.
Obendrein kappten sie gewachsene Verbindungen zu Detailhändlern, und übersäten die Welt mit eigenen Geschäften, um selbst die Handelsmarge zu vereinnahmen. Ob gute Hersteller gleichzeitig gute Händler sind, wurde nicht diskutiert. Liefen die Läden in den teuersten Lagen nicht, wurden sie kurzerhand in Flagshipstores umbenannt, die eher der Präsentation der Marke dienen.
Marke ist mehr als das Produkt
Aus der Sicht der Markenstrategen gibt es zwei Lösungsansätze, welche die Uhrenindustrie aus der Krise herausführen und für weitere Einbrüche wappnen können:
One more thing
Als kleine Inspiration mag die Aktion dienen, die eine der glaubwürdigsten Luxusmarken der Welt, Hermès, im Herbst 2016 in München-Schwabing durchführte: Im Pop-Up-Store „Hermèsmatic" konnten Besitzer von Hermès Carrés ihr kostbares Hermès-Seidentuch umfärben und so wieder auf den neuesten Stand der Mode bringen lassen – kostenlos. Mit einem Augenzwinkern und einer überragend kreativen Idee gelingt es Hermès, den neuen Luxus zu zelebrieren.
Weitere Insights erfahren Sie in unserer neuesten Luxury & Brands-Studie "Digital Luxury: How The Digital Transformation Shapes Luxury Brands".
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Klaus-Dieter Koch
Managing Partner
Das Problem sind nicht die Smartwatches, sondern die Sattheit einer erfolgsverwöhnten Industrie und damit ihre Unfähigkeit zur Neuerfindung.
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