Wer kennt sie nicht: Die Drucke, deren Motive sich in kräftigen Farben wiederholen, etwa jener von 32 nahezu identischen Campbell-Suppendosen. Oder dem Gesicht von Marylin Monroe, in vierfacher Ausfertigung. Oder einem demolierten Auto, 16 Mal abgebildet. Es sind Werke von Andy Warhol, dem berühmtesten Vertreter der Pop Art.
Vor 90 Jahren, am 6. August 1928, wurde Warhol in Pittsburgh geboren. Dass er unter den tausenden Künstlern seiner Zeit zur größten Ikone der Pop Art aufstieg, verdankt er dem Einsatz von fünf Faktoren. Dass ihm das gelang, ist eigentlich kein Wunder: Vor seinem Künstlerleben war er in der Marken- und Werbebranche New Yorks unterwegs.
Warhols Werke sind unverwechselbar. Sein Stil beruht darauf, dass der Künstler das Siebdruckverfahren exzellent beherrschte. Das ist ein relativ einfaches Druckverfahren, bei dem die Farbe mit einem Kratzeisen aus Gummi durch ein engmaschiges Gewebe aufgetragen wird. Warhol perfektionierte den Siebdruck für seine Kunst, so wurde seine platte und plakative Ausdrucksweise in jedem Werk klar sichtbar.
Warhols Marke beruht also auf echten handwerklichen Spitzenleistungen, die Betrachter (und zahlungskräftige Käufer) in jedem seiner Werke erkennen. Außerdem optimierte er den Siebdruck aus ganz profanen wirtschaftlichen Gründen: Er nutzt ihn, um seine Kunst schnell und in hoher Auflage zu vervielfältigen, was elementar für seine Haltung war.
Die grundlegende Idee Warhols war es, Kunst für jedermann verständlich und erwerbbar zu machen. Er wollte deren elitär-bürgerliche Ketten sprengen. Dazu setzte er auf das Darstellen profaner Alltagsgegenstände, etwa die 32 Campbell-Suppendosen, weil es diese in 32 Geschmacksrichtungen gab. Er arbeitete figürlich und nicht abstrakt wie sein berühmter Zeitgenosse Mark Rothko.
Kunst soll nahbar sein, realistisch und bekannte Gegenstände oder Menschen in einem neuen Licht zeigen. Das war Warhols künstlerischer Wille. Zu Beginn jedoch stieß er auf enormes Unverständnis: So fanden sich bei seiner ersten Ausstellung 1962 in Los Angeles nur fünf Käufer für seine 32 Campell-Dosen (die er aber nur als komplettes Ensemble verkaufen wollte). Trotzdem blieb er seiner Linie treu und revidierte nicht seinen Entschluss, Künstler zu sein – schließlich war er zuvor ein hochbezahlter Grafikdesigner. Er erfand sich neu und blieb seinem Entschluss und seinem Kunstverständnis treu.
Warhol verbog sich nicht. Er hielt an der Idee hinter seiner Marke fest. Das zahlt sich noch heute aus, über 30 Jahren nach seinem Tod. So kaufte etwa das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) sein Ensemble der Campell-Dosen 1996 für 15 Millionen Dollar.
Obwohl der Pop-Art-Künstler ganz gewöhnliche Alltagsgegenstände druckte, waren seine Werke nie austauschbar. Das liegt an der behutsamen Verfremdung und an der omnipräsenten Wiederholung. Dies wurde zu Warhols eindeutigem Markenzeichen, das die meisten seiner Werke erkennbar macht.
Überhaupt ist die stete Betonung von Quantität und Wiederholung Warhols Fixstern. Das treibt er später in seiner berühmten „factory" auf die Spitze: Hier vervielfältigen zu Spitzenzeiten bis zu 57 Mitwirkende seine Werke und machen die Siebdrucke für viele verfügbar. Die Marke Warhol ist rebellisch und will die Menschen mitnehmen. Es geht ihm darum, die Kunst und deren scheinbar ehernen Gesetze – teuer, Unikate, elitär – zu brechen und neu zu entdecken. Diese klare Haltung drückt sich in seinem Stil aus und sorgte dafür, dass seine Werke nie in den Einheitsbrei der Kunst gelangten.
Starke Marken verstauben nicht. Sie sind immer auf der Höhe der Zeit, ohne ihre Überzeugungen zu verraten. Warhol griff die Gegensätze seiner Zeit auf und dramatisierte sie. Der öffentlichen Gier nach Status und Stars (Marylin Monroe) stellt er die Promisucht („In Zukunft wird jeder für 15 Minuten berühmt sein") und Konsumexzesse gegenüber.
Der Künstler adressierte die Themen seiner Zeit, das machte ihn als Marke relevant. Vor allem die Konsumhaltung ist eine Grundidee für die Quantifizierung, die er in seiner Kunst (32 Arten Dosensuppe) und durch die „factory" ausdrückte.
Andy Warhol war eher wortkarg, fast scheu. Dennoch machte er sich als Könner im Erzählen von Geschichten rund um seine Person und seinem Schaffen einen Namen. Er kokettierte zeitlebens mit seinen Bekanntschaften zu vielen Film- und Musikstars, verwob seine Erlebnisse mit ihnen in seiner Kunst und gab ihr so eine höhere Bedeutung.
Auch seine Erscheinung ist Teil der Story: immer mit weißblonder Perücke, schwarzer Sonnenbrille und einem bewusst eitlen Verhalten. Die größte Story der Marke Warhol ist die über das Attentat auf ihn. Die Frauenrechtlerin Valerie Solanas schoß ihn 1968 in seiner „factory" nieder und verletzte ihn lebensgefährlich.
Warhol erholte sich weitestgehend und nutzte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für seine Markenstory: Er gibt Interviews, liess seine Narben von Modefotografen in Bildern festhalten und verkaufte seine durch die Schüsse beschädigten Werke. Über seine Art, mit der Situation umzugehen, kann man gewiss unterschiedlicher Meinung sein. Was aber sicher ist: Das dramatische Ereignis gab Warhol erst den entscheidenden Schub – auch, weil er es richtig in seiner Markenstory genutzt hat.
Auch in der Kunst ist eine Marke immer ausgedrückter Wille. Warhol lehrte uns das, aber auch zeitgenössische Künstler wie Richter (Wie sich Gerhard Richter als globale Marke etablierte) oder Baselitz (Georg Baselitz: Darum ist der Künstlerrebell eine gefeierte Marke).
Für die Führung einer Marke in der Marktwirtschaft bedeutet das zweierlei:
Andy Warhol hat eine Weltmarke aufgebaut und damit Fans gewonnen, die für seine Werke über 100 Millionen Euro bezahlen. Letztendlich zahlt sich ein starker Wille, der in der Marke ausgedrückt wird, auch monetär aus.
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Sebastian Schäfer
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Die Marke Warhol ist rebellisch. Es geht ihm darum, die Kunst und deren scheinbar ehernen Gesetze – teuer, Unikate, elitär – zu brechen und neu zu entdecken.
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