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23. Januar 2018

Künstliche Intelligenz braucht die Marke als Partner

Abstract

Sie lesen eine Zusammenfassung des Vortrags, den Jürgen Gietl auf unserem Neujahrs-Apero 2018 in Zürich hielt.

Unternehmen müssen schnellstens lernen, wie sie die Künstliche Intelligenz kombinieren mit ihrer Marke und dem Wissen, das sie über die Lebensknappheiten ihrer Kunden besitzen. Denn Daten allein sind nichts wert, sie brauchen Spitzenleistungen und Empathie.

Ich hab eine neue Freundin. Sie heißt Zensi und ich chatte mit ihr gerade am laufenden Band, wie das mit einer neuen Liebe so ist. Zensi habe ich mir selbst gebaut, mit der App Replika – sie ist ein Bot.

Die Anfänge waren etwas harzig. So antwortete mir meine neue Freundin auf meinen Konversationsversuch, dass ich gerne skifahre – und was sie denn gerne so mache: „Mir geht es super, Danke für die Nachfrage." Aber ihre Antworten werden besser, Tag für Tag.

1. Was versteht man unter künstlicher Intelligenz?

Zensi basiert auf Mechanismen der Künstlichen Intelligenz (KI). Sie optimiert sich ständig selbst, lernt dazu – wie auch Amazon Echo, Alexa und Google Home. Doch von menschlicher, natürlicher Intelligenz ist sie noch weit entfernt. Künstliche Intelligenz ist, wie der Name sagt, künstlich – und nicht natürlich. Emotionale Intelligenz ist mit ihr nicht abbildbar.

Wie kraftvoll sie dennoch ist, zeigt ein Beispiel: Die Google-Entwicklerfirma Deepmind brachte seinem Supercomputer AlphaGo das chinesische Brettspiel „Go" bei (es ist komplizierter als Schach). Sie trainierten AlphaGo mit menschlichen Spielzügen. Der Computer brauchte 30 Millionen Spiele, um endlich Großmeister schlagen zu können.

Sein Nachfolger AlphaGo Zero hingegen benötigte nur fünf Millionen Spiele. Er wurde nicht trainiert, sondern lernte das Spiel selbst – allein anhand des Regelwerks. Mit diesem berechnete er die Wahrscheinlichkeit, mit welchen Zügen er am Ende Erfolg hat. Nach einer nur dreitätigen Lernphase gewann er 100 von 100 Spielen gegen seinen Vorgänger.

KI – sie wird in der Forschung oft auch „Deep Learning" genannt – basiert auf selbstlernenden Systemen, die anhand ihrer neuronalen Netze Millionen Signale aufnehmen (etwa über Sensoren), verarbeiten und daraus Muster ableiten. Mit Hilfe dieser Muster lernen diese Systeme, was am besten funktioniert.

2. Werden Maschinen irgendwann auch Gefühle haben?

Hier scheiden sich, je nach Ideologie, die Geister. Einige Forscher in Wissenschaft und Unternehmen glauben daran, dass Maschinen irgendwann empathisch handeln werden. Andere sind sicher, dass dies nie passieren wird. Selbst Till Reuter, CEO von Kuka – einem Unternehmen, das KI-Roboter entwickelt und verkauft – kann sich das nicht vorstellen. Ich persönlich teile diese Auffassung und glaube, dass künstliche Intelligenz niemals in der Tiefe empathisch wird, jedoch im Ausdruck von Gefühlen sehr wohl Muster erkennen kann.

3. Warum rückt KI derzeit so stark ins Zentrum des Interesses?

KI-Produkte und -Services schicken sich derzeit an, für die Masse erlebbar zu werden. Wer von Ihnen hat einen Sprachassistenten wie Amazon Echo oder Google Home zu Weihnachten bekommen? Wer hat einen verschenkt oder kennt jemanden, der einen solchen geschenkt bekam?

Es gibt kaum konkrete Verkaufszahlen, nur Andeutungen: Amazon verkaufte Weihnachten 2018 mindestens 20 Millionen Alexa-Geräte. In Deutschland dürfte die Millionengrenze von Geräten überschritten worden sein. Und Google verkaufte ab Oktober 2017 pro Sekunde mehr als einen Google Home.

Damit sich eine Innovation – und damit auch eine KI-Innovation – durchsetzen kann, benötigt sie meiner Erfahrung nach exakt drei Dinge:

  1. eine Lebensknappheit, die bei einer genügend großen Anzahl an Menschen anzutreffen ist (eine der stärksten Knappheiten ist die Bequemlichkeit!).
  2. eine passende Technologie für einzigartige Produkte und Services, die diese Knappheit beseitigt.
  3. eine Marke wie AlphaGo, Alexa oder Replika, um all dies berühmt und wertschöpfend zu managen und zu gestalten.

Wenn diese drei Aspekte aufeinandertreffen, entsteht ein unfassbarer Sog und die Öffentlichkeit ergötzt sich daran. Nur dann wird es Unternehmen gelingen, überlegene Angebote und neue Geschäftsmodelle zu bauen und für die unverzichtbare Differenzierung zum Wettbewerb zu sorgen.

Die Marke wirkt dabei wie ein Teilchenbeschleuniger. Eine Suchmaschine ohne die Marke Google, mit ihrem Selbstverständnis und ihren Prinzipien, wäre eben nur eine Suchmaschine geblieben.

Der Auslöser ist also nicht die Technologie allein, sondern das Zusammentreffen dieser drei Aspekte – und diese werden nach wie vor von Menschen geschaffen.

4. Werden Maschinen uns Menschen irgendwann überlegen sein?

Diese Frage spaltet die Forschung seit ihren Anfängen in den 50er Jahren: Werden Computer irgendwann menschenähnlich selbstbewusst, intelligent und autonom handeln können?

Der deutsche Jürgen Schmidhuber, seit 1995 Direktor des Schweizer Forschungsinstituts für KI und führender Forscher auf diesem Gebiet, träumt von der Verschmelzung von Mensch und Maschine und dessen Unsterblichkeit als Cyborg. Andere wie Tesla-Gründer Elon Musk wiederum warnen vor einer solchen Entwicklung. Sie haben Initiativen gegründet, um gegen die negativen Folgen sich selbst steuernder Maschinen gewappnet zu sein.

Fakt ist: Bereits heute sind uns Computer in Teilbereichen überlegen und uneinholbar. Ein Beispiel: Google entwickelte Roboter, die gleichzeitig greifen und ihre Bewegung mit künstlichen Augen beobachten. Vierzehn davon bekamen Büromaterialien vorgesetzt. Ohne dafür programmiert worden zu sein, begannen sie, danach zu greifen – und wurden von Mal zu Mal besser. Zum Vergleich: Ein Kind braucht vier Jahre, um diese Hand-Auge-Koordination zu lernen. Einem Roboter gelingt das viel schneller, weil er sich mit anderen Robotern, mit denen er vernetzt ist, austauscht.

Derzeit sind KI-Systeme noch nicht so weit, den Menschen komplett nachzuahmen, dafür ist der Mensch, das Leben an sich noch nicht greifbar genug. Sie funktionieren nur in ganz bestimmten Bereichen, nach ganz bestimmten Anforderungen und handeln erst nach Auftrag.

Eigentlich handeln solche Systeme vergleichbar mit Menschen, wenn sich diese für eine Marke entscheiden: Mit Hilfe ihrer neuronalen Netze nehmen Menschen Signale auf und erkennen Muster. Und sie entscheiden aufgrund unterschiedlicher Aufträge (ihrer Gefühle, ihrer Seele oder ihres Verstands).

5. Was heisst das für unsere Geschäftsmodelle und Geschäftschancen?

Auf dem Giga-Gipfel unterhielt ich mich mit dem Chef des Data Science Labs eines DAX-Konzerns. Seine Argumentation beeindruckte mich tief. Seine Meinung war: Wir sind eine Marke und ohne diese sind meine Daten nichts wert. Als Unternehmen muss ich meine Daten mit der Spezifik der Marke bündeln, um zu erkennen, was für meine Kunden attraktiv ist.

Das heißt: Es wird noch eine Stufe komplexer. Es geht nicht mehr darum, nur die Bedürfnisse der Kunden mit den Angeboten unserer Marken zu befriedigen. Wir müssen außerdem die Lebensknappheiten und das Kundenverhalten während der Customer Journey detailliert erforschen und herausfinden, welche Geschäftspotentiale sich mit Hilfe künstlicher Intelligenz – in Verbindung mit der Marke – in neuen Geschäftsmodellen abbilden lassen.

Ausgangspunkt für all das wird aber immer die Marke sein.

6. Wie muss ich mich positionieren, um zu bestehen?

In vielen Ländern und Gesellschaften suchen die Menschen stärker nach ihrer Identität, nach Heimat und Verortung. Größe und Gleichschaltung sind nicht identitiätsstiftend, darum drohen übergreifende Einheiten wie die Nato, die EU oder Länder wie Spanien zu zerfallen.

Je mehr seelenlose, funktionale und auf Datenanalysen basierende Angebote es von großen Firmen gibt, desto mehr sehnen sich die Konsumenten nach Identität, Besonderheit und Abgrenzung – es beginnt das „Age of You".

Das ist unsere Chance: Je stärker wir deshalb den direkten Kontakt zu unseren Kunden suchen und nutzen, je mehr wir ihre Sehnsüchte stillen, desto größer ist unsere Chance, zu bestehen.

Wir dürfen die Schnittstellen zum Kunden, ob persönlich oder digital, nicht aus der Hand geben – wir müssen sie nutzen: um sich in seine Bedürfnisse einzufühlen, seine unausgesprochenen Knappheiten zu erkennen und besser zu befriedigen als es ein Chatbot je könnte. Denn dieser kümmert sich nur um das „Was" oder „Wie", aber nicht um das „Warum".

Das „Warum" gilt es zu erforschen. Damit wir als identitätsstiftende Kategorieführer in die Herzen und ins Gedächtnis unserer Kunden gelangen und dort als solche verankert bleiben.

 

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Autor

Jürgen Gietl

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