Abstract
Marken im Gesundheitswesen – eine Trilogie: Mitten im Wandel steckt sie, die deutsche Apotheken- und Pharmabranche. Sie wird angetrieben durch Forschung, Politik sowie gesellschaftlichen und branchenspezifischen Trends. Dazu kommt ein steigender Wachstums- und Imagedruck. Häufig wird sie als „gut“ oder „böse“ bezeichnet – je nachdem, auf welcher Seite der Kostenrechnung der Argumentierende steht. Transparenz – beziehungsweise das Fehlen ebendieser – ist hier ein zentrales Stichwort. Wie kann sich die Branche neu definieren? Darum geht es in dieser Artikel-Trilogie. Ich erläutere Lösungen aus der Markenführung, mit denen Apotheken und Pharmaunternehmen die Zukunft meistern könnten. Dabei erhebe ich keinen Anspruch auf wissenschaftliche Vollständigkeit. Mein Ziel ist die branchenspezifische Reflexion und Inspiration aus markenstrategischer Perspektive.
Vom französischen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger André Gide stammt ein Satz, den sich die Pharma- und Gesundheitsbranche zu Herzen nehmen sollte: „Man entdeckt keine neuen Erdteile, ohne den Mut zu haben, alte Küsten aus den Augen zu verlieren." Das heißt: Auch sie muss loslassen können und etwas wagen, um in Zukunft erfolgreich zu sein.
Doch werfen wir zunächst einen Blick auf den Status quo: Am 10. Oktober 2018 beginnt in München die expopharm, die größte pharmazeutische Fachmesse Europas. Die Branche strömt hier zusammen, um sich zu feiern, Pfauenräder zu schlagen und sich inspirieren zu lassen von Peer-News über neue Produkte, Digitallösungen und Dienstleistungen.
Die expopharm ist nicht das einzige Austausch- und Inspirationsforum der Pharmaindustrie. Was auf diesen Messen und Konferenzen spürbar wird, ist eine große Einigkeit darüber, worauf es in Zukunft ankommen wird:
Dieser großen Übereinstimmung steht jedoch eine fast erschütternde Erkenntnis gegenüber: dass es dafür keine klaren, auf soliden Grundlagen stehenden Antworten und Konzepte gibt.
Schuld ist zum einen die konservative, wenig risikoaffine Einstellung der Branche. Das betrifft nicht nur die Apotheken, die kein Hehl daraus machen, dass ihr gängigstes Geschäftsmodell über 30 Jahre alt ist und deshalb noch so gängig ist, weil es viele Jahrzehnte sehr erfolgreich war.
Viele Apotheker scheinen die Veränderungen aussitzen zu wollen. Dass das nicht funktioniert, lassen die sinkenden Apothekenzahlen erkennen. Es betrifft aber genauso die Pharmaindustrie, die trotz zahlreicher Neuzulassungen für Medikamente und vielversprechenden Technologien für den Kampf gegen Krankheiten eher auf hohem Niveau vor sich hin dümpelt. Bisher hat die Pharmaindustrie keinen Weg aus der Flaute gefunden.
Auch die Bedeutung der Ärzteschaft, der Pflege und der Krankenkassen muss auf den Prüfstand – und damit zahlreiche Jobs und Berufsbilder. Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe rief 2016 zu mehr Innovationswillen auf: „Wir werden unser leistungsfähiges Gesundheitssystem nicht mit weniger, sondern nur mit mehr Innovation erhalten können. (...) Wir müssen mutiger werden."
Aktuell herrscht in der Pharma- und Gesundheitsbranche eine teils kopflose Suche nach neuen Wachstumsrezepten. Die Digitalisierung gilt vielen als Mittel, um auf den Zug des Individualisierungstrends aufzuspringen – und damit als das verheißungsvolle Land, in dem Milch und Honig fließen. Hippe Berliner Startups bringen sich mit digitalen Pharmazieangeboten ins Spiel und es drängt sich die Frage auf, ob Apps oder Pillen-Lieferdienste die Antwort sein können? Wirklich neu ist das alles nicht. Auch wenn neue Technologien ein enormes Potenzial für die Gesundheitsbranche besitzen, so muss diese „ihre Geschäftsmodelle überprüfen und neue Paradigmen anerkennen", sagt Dieter Weinand, Pharmachef von Bayer.
Was ist eigentlich Innovation? Laut Duden ist es die „Realisierung einer neuartigen, fortschrittlichen Lösung für ein bestimmtes Problem, besonders die Einführung eines neuen Produkts oder die Anwendung eines neuen Verfahrens". In der Pharma- und Gesundheitsbranche ist eine Innovation in der Regel ein neues Medikament oder eine neuartige Darreichungsform. Der Innovationsbegriff wurde in den vergangenen Jahren jedoch erweitert: Auch eine Dienstleistung kann eine Innovation sein, genauso wie ein Geschäftsmodell. Weder ist eine neue Technologie nötig, noch muss am Ende ein materielles Produkt stehen (Die Symbiose von Marke und Innovation).
Veränderung, die auf einer Innovation fußt, ist zugleich ein Stück Revolution. Sie ist anstrengend, besonders in einer so großen, konservativen Branche. Ihre Notwendigkeit basiert hauptsächlich auf extrinsischen „Push"-Faktoren. Einfach ausgedrückt: Gesellschaft und Trends bauen Druck von außen auf und zwingen die Branche, sich zu verändern, um zu überleben.
Das Problem mit extrinsisch motiviertem Handeln: Die Motivation schwindet, sobald der Druck von außen nachlässt. Nicht so die intrinsische Motivation: Aus der Motivationsforschung weiß man, dass es die Freude an einer Tätigkeit selbst ist, die zu nachhaltigem, langfristig orientiertem Handeln, zu mehr Selbstbestimmung und Zufriedenheit führt.
Starke Marken machen sich das zunutze, indem sie Themen und Kategorien besetzen, die intrinsisch motivieren. Ein Beispiel dafür ist BMWs Markenclaim „Freude am Fahren": Er zieht Kunden an, denen es wichtig ist, Spaß beim Fahren zu haben. Zugleich zieht er Mitarbeiter an, die sich für diese Freude am Fahren einsetzen wollen. Wären diese Wertegemeinschaften durch extrinsische Push-Faktoren motiviert, würde der Claim wahrscheinlich lauten „Bloß weg von hier" oder „Hauptsache von A nach B kommen".
Auch im pharmazeutischen Umfeld kann die Marke den Boden für solche Erfolge bereiten und dafür sorgen, dass ein Unternehmen nicht einfach Trends nachläuft und sich der Hoffnung hingibt, mit Glück die richtige App auf den Markt zu werfen. Anstatt sich zu fragen, wie man am schnellsten einen Trend für sich adaptiert, sollten deshalb die grundsätzlichen Fragen lauten: Welches Problem will ich lösen? Und welche Mittel, welche Art Innovation brauche ich dazu?
Ein Unternehmen kann eine enorme Anziehungskraft freisetzen, indem es ein Thema besetzt und durch das Formulieren einer glaubwürdigen, attraktiven und differenzierenden Mission klar macht, wofür es sich intrinsisch motiviert engagiert. Im Gegensatz zum Push-Faktor, bei dem man von einer unangenehmen Situation weg möchte, sorgt dies für einen Pull-Faktor, also ein positiv besetztes Ziel, auf das man sich fokussiert hinbewegt. Das Ergebnis ist Relevanz und Bedeutung im Markt.
Die gute Nachricht ist, dass die Gesundheitsbranche prädestiniert dafür ist, gesellschaftlich relevant zu sein – schließlich setzt sie sich im Kern für das Wohlergehen von Menschen ein. Gesundheit wie Krankheit betrifft jeden einzelnen.
Es gibt reichlich Aufgaben, welche sie angehen und lösen kann:
Dazu werden viele Innovationen gebraucht. Sie beginnen bei einer ersten Idee und können sich aus dem Kontakt mit Kunden oder Partnern entwickeln. Die Marke ist hier als Anfang, nicht als Ende zu verstehen: Sie dient als Ideenfilter und -katalysator und bildet somit die Grundlage für eine passende Innovationsstrategie.
Mithilfe der Marke kann ein Unternehmen eine intrinsisch motivierte Wertegemeinschaft ins Leben rufen, die sich der Lösung kunden- und patientenrelevanter Probleme verschreibt. Eine kluge Kooperation solcher Unternehmen kann die Patientenversorgung ganzheitlich verbessern und vereinfachen.
Mein Fazit – und hier greife ich erneut auf das Zitat des Schriftstellers André Gide zurück („Man entdeckt keine neuen Erdteile, ohne den Mut zu haben, alte Küsten aus den Augen zu verlieren"): In der Pharma- und Gesundheitsbranche kann man zwar neue Erdteile zufällig entdecken, wenn es auf dem eigenen zu eng geworden ist. Man entdeckt aber vor allem dann neues Land, wenn man Lust hat, es zu entdecken – und wenn man weiß, wozu!
Schauen Sie sich hier die Aufzeichnung vom Webinar "Vom Wirkstoff zur Bedeutung: Wie die Pharmaindustrie die Aufmerksamkeit nach Corona erfolgreich für sich nutzen kann" an.
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Anstatt einem Trend hinterherzulaufen, sollte die grundsätzliche Frage lauten: Welches Problem will ich lösen?
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