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Bildquelle: Christoph Engl

12. Juni 2017

Markenstrategie im Tourismus: Schluss mit dem ewig Gleichen!

In gesaettigten Maerkten wie dem Tourismus ist es nicht effizient, das Gleiche wie die Konkurrenz anzubieten – nur ein wenig besser. Die Koenigsdisziplin heißt Differenzierung: Marktteilnehmer muessen sich auf ihre Markenwerte konzentrieren und betonen, was sie besonders macht.

Bestimmt kennen Sie einige davon: In etlichen Sportarten sind Pflichtprogramme für die Teilnehmer Voraussetzung, um die zweite Wertungsstufe zu erreichen: Bis 1991 mussten Eiskunstläufer bei internationalen Wettbewerben 41 verschiedene Figuren tanzen. Die Wettbewerbe wurden in „Pflichtprogramm" und „Kür" unterschieden.

Die Anleihen aus dem Sport helfen uns, den Unterschied zwischen „besser sein" und „anders sein" zu verdeutlichen. Dieser Unterschied ist für den Erfolg im Destination Branding essentiell. Ständig liest man von Destinationen, sie würden etwas besser können oder hätten etwas Besseres vorzuweisen als alle anderen. Die einen glauben, die besseren touristischen Angebote entwickelt zu haben. Einige setzen alles daran, die freundlicheren, besseren Gastgeber zu sein. Die meisten glauben, ihre Landschaften wären grandioser als alle anderen auf der Welt.

Man muss die Regeln kennen, um sie brechen zu können

Wer sich durch die Websites von Hotels oder Regionen klickt, stößt immer wieder auf die gleichen Produkte und Angebote. Offenbar glauben alle, sie könnten auf diesen Brand Touchpoints das Gleiche anpreisen – nur mit dem Unterschied, dass sie dieses angeblich besser beherrschen als der Rest.

In keiner wirtschaftlichen Branche gibt es ein größeres Mehr vom Gleichen als im Tourismus. Hotels, Innenstädte, Angebote: weltweit mehren sich die Ähnlichkeiten besorgniserregend – und damit einhergehend dem Preisverfall. Denn das Gleiche und Ähnliche ist vergleichbar, dadurch setzt unweigerlich ein Preiskampf ein. Das Unvergleichliche hingegen definiert sich über seinen Wert – und lässt keinen Preisvergleich zu.

Kundenzufriedenheit ermitteln: Frische Fragen helfen weiter

Fakt ist, dass viele teure Investitionen in Destinationen damit begründet werden, dass eine „höhere Zufriedenheit der Gäste" erreicht werden soll. Um diese zu ermitteln, werden unterschiedliche Methoden eingesetzt: von der Gästebefragung vor Ort bis zur Analyse von Online-Bewertungen. So hat die Österreich-Werbung mit einer landesweit durchgeführten Gästeanalyse das europaweit größte Erhebungsinstrument aus der Taufe gehoben und von 2004 bis 2014 in den einzelnen Bundesländern über 135.000 Einzelinterviews mit Gästen aus 15 Nationen durchgeführt. Die Ergebnisse geben Aufschluss über die Zufriedenheit und die Absicht eines erneuten Besuchs.

Seit es im Netz viele Bewertungsportale gibt, können auch daraus valide Schlüsse auf die Zufriedenheit gezogen werden. Sowohl Tripadvisor als auch Holidaycheck weisen Rankings nicht nur für Hotels aus, sondern ebenso für Sehenswürdigkeiten und Destinationen. Wer also wissen will, wie seine Region oder sein Land im Vergleich zu anderen Konkurrenten steht, kann dies an der prozentualen „Weiterempfehlungsrate" schnell und einfach ergründen.

Kaum eine Branche ist ihren Kunden so nah wie die touristische

Kaum eine Branche ist ihren Kunden so nah wie die touristische: Hoteliers können ihre Gäste beobachten, Verhaltensweisen in Muster packen, den Aussagen an der Rezeption zuhören. Freizeitanbieter bekommen sowohl Glücksausbrüche als auch Enttäuschungen der Teilnehmer sofort mit. Der touristische Kunde ist „gläsern". Das ist optimal für die tägliche Verbesserung einer Tourismusmarke.

„In etwas investieren" bedeutet in der Tourismusbranche „das Bestehende verbessern". Wanderwege werden besser ausgeschildert, Hotelzimmer vergrößert, Wellness-Anlagen erweitert, Bike-Strecken ausgewiesen, Strände gepflegt – die Aufzählung ließe sich lange fortsetzen.

Im Pflichtprogramm ist die Sortimentsbreite enorm. Weil Kunden heterogene Bedürfnisse haben, wird vermutet, dass das Erfolgsgeheimnis in einem möglichst breiten Angebot liegt: „Für jeden ist etwas dabei!", heißt es dann auf Websites und in Katalogen.

Nur wer die Kür beherrscht, hat langfristig Erfolg

Die meisten Destinationen verbleiben in der Kategorie Pflicht. Die wenigsten wagen die Kür. Denn dort gewinnt man mit dem üblichen „Besser-Sein-Wollen" keinen Blumentopf. In der Kür geht es darum, in kurzer Zeit die Essenz seiner Persönlichkeit zu zeigen. Die große Palette des Könnens muss auf Weniges konzentriert und zur Vollendung gebracht werden. Durchschnittliches hat keine Chance.

Warum verharren die meisten Destinationen und touristischen Betriebe lieber in der Pflicht?

1. Normalität gibt Sicherheit – eine trügerische Logik

Die häufige Logik: Wenn es alle tun, muss es richtig sein. Das verströmt eine große Sicherheit. Dies mag der Grund dafür sein, dass viele Unternehmen ihr Heil darin suchen, ein Zuviel an Eigenheit zu vermeiden – zugunsten eines Mehr an Normalität. „Kunden zufriedenzustellen" ist das daraus folgende Geschäftsmodell.

Das eigentliche Erfolgspotential liegt im Besonderen, in der Kür. Weil Kunden eine solche besondere Leistung oder eine Investition nicht automatisch erkennen, muss diese deutlich kommuniziert werden. Sie muss erkennbar, erlebbar sein.

2. Im ungesättigten Markt konnte Gleiches überleben

Viele touristische Strukturen sind bauchladenmäßig in die Breite gewachsen. Solange es zu wenige Hotels an der portugiesischen Algarve gab, zu wenige Skigebiete in den Alpen, zu kleine Campingplätze an der Adria – solange die Nachfrage immer stärker stieg als die dafür notwendigen Angebote, wuchs das touristische Angebot in die Breite.

Die nächste Stufe jedoch heißt Differenzierung. Dort herrschen andere Gesetzmäßigkeiten. Sich von den Konkurrenten abzuheben heißt, nachweisbar mehr zu leisten und einen größeren Nutzen zu stiften.

Viele Destinationen fürchten, dass sie so den Zuspruch großer Gästegruppen verlieren. Denn das bedeutet ja gleichzeitig, vieles kategorisch auszuschließen. Wer jedoch vom Üblichen abweicht, schafft es, wahrgenommen und erinnert zu werden. Es ist der Abstand zur Normalität, für den Menschen Preisaufschläge zahlen.

3. Anders sein bedeutet, „Nein!" zu sagen

Für Tourismusmarken ist es gut, anders zu sein. An ihrer Differenzierungsquote kann man den Wert ablesen. In der Tourismusbranche werden Rankings von Marken geführt, denen es gelang, sich durch Abgrenzung einen Abstand zur Konkurrenz zu verschaffen. Zum Beispiel die Insel Mauritius: Der Inselstaat im Südwesten des Indischen Ozeans gilt als Qualitätsführer bei Hotellerie und Dienstleistung. Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada hat sich mit ihrer klaren Aussage, die Stadt für das Glücksspiel zu sein, einen anderen Charakter gegeben als man ihn von anderen Städten kennt.

Schnelltest für Destinationsmarken:

Sind sie auf dem Weg, zu einer Marke zu werden – oder stecken sie im Pflichtprogramm fest? Das können Destinationen anhand eines Selbsttests schnell feststellen. Dazu muss alles aufgelistet werden, was die Website als Besonderheit aufführt. Ob Angebote für Aktivurlauber, Restaurants und Hotels, Museen und kulturelle Veranstaltungen, Seilbahnen oder Thermen, ob Radstrecken oder Wanderwegnetze – alles kommt drauf. Dann werden die Punkte zwei Kategorien zugeordnet:

  1. Welche der Produkte und Dienstleistungen sind „Auch-Produkte", weil sie in der Destination vorhanden sind, aber andere Destinationen sie ebenfalls haben?
  2. Welche der Produkte und Dienstleistungen sind „Nur-Produkte", weil sie ausschließlich in der Destination vorhanden sind, und andere Destinationen sie nicht haben?

Je mehr eine Destination von „Auch-Produkten" lebt und diese als Attraktivitätstreiber für eine Urlaubsentscheidung benutzt, desto stärker spielt sie in der Kategorie Pflicht. Je mehr Punkte eine Destination hingegen auf der „Nur-Seite" listet, desto stärker spielt sie in der Kategorie Kür. „Nur-Produkte" verhindern Preiskämpfe und unterstützen eine Destination dabei, sich in der eigenen Klasse als unvergleichlicher Qualitätsführer zu positionieren. Mit dem gleichen System kann man übrigens Hotels oder andere touristische Infrastrukturen auf ihre Markenfähigkeit überprüfen.

 

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