Im September 2020 waren die Oatly-Fans stinksauer: Der schwedische Hafermilchhersteller gab bekannt, dass sich der amerikanische Finanzinvestor Blackstone (Trump-Unterstützer und offenbar kein Freund des Umweltschutzes) am Unternehmen beteiligt. In den sozialen Medien riefen einige sogar zum Boykott auf. (Ich habe darüber berichtet: Wie Oatly jetzt noch die Kurve kriegt – eine Empfehlung aus Markensicht)
Hat die breite Empörung Oatly geschadet? Nein, behauptet das schwedische Unternehmen, im Gegenteil: Aktuell sei die Nachfrage sogar größer als die Menge, die man produzieren kann.
Produktknappheit kommt öfter vor bei Oatly. In New York etwa herrschte 2018 „Hafermilchknappheit". Die Nachfrage nach der Barista-Edition war so unvorhersehbar hoch, dass Oatly mit der Produktion nicht mehr hinterherkam. Das Produkt war in der ganzen Stadt ausverkauft. Zweierpacks sollen für 55 Dollar auf Amazon gehandelt worden sein. Auch in Deutschland stehen Konsumenten immer wieder vor leeren Regalen.
In ihrem Heimatmarkt Schweden verdrängte die Marke sogar Milchprodukte aus den Supermarktregalen. Über 60 % der Schweden konsumieren regelmäßig den Haferdrink.
In Deutschland erfreuen sich Pflanzendrinks immer größerer Beliebtheit. Schätzungen zufolge werden sie von rund 28 % der Deutschen regelmäßig gekauft. Grund dafür ist ein Umdenken, das in der Gesellschaft stattfindet: Menschen leben und konsumieren bewusster. Sie achten auf ihre Gesundheit und auf die Welt um sie herum. Sie wollen nachhaltig handeln und entsprechend erwarten sie das auch von Marken. Neben Unverträglichkeiten sind Nachhaltigkeit, Tier- und Klimaschutz Gründe für diese Entwicklung.
Das Umdenken bekommt auch die Milchindustrie zu spüren. Schon länger steht Kuhmilch wegen ihrer Effekte auf Umwelt und Gesundheit in der Kritik. Die Folge: Der Markt für Milchalternativen wächst und bewegt sich von seiner Nischenposition in Richtung Mainstream.
Pflanzendrinks aus Soja, Reis oder Hafer von Marken wie Alpro und Alnatura boomen. Die Produkte sind längst nicht nur im Bioladen erhältlich, sondern werden auch in den meisten Supermärken und Discountern verkauft. Während in Deutschland der Konsum von Kuhmilch seit einigen Jahren stetig sinkt, wächst der Markt für pflanzliche Alternativen jährlich um rund 20 Prozent.
Oatly setzte 2019 rund 176 Millionen Euro um. Zwar ist das gering – Unternehmen der klassischen Milchindustrie melden Jahresumsätze im zweistelligen Milliarden-Bereich – aber die Wachstumsraten sind enorm. Laut Nachhaltigkeitsbericht produzierte Oatly 2019 rund 165 Millionen Liter Hafermilch, fast doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Der Gesamtumsatz stieg im Vergleich zu 2018 um 88 %. Mit einem Marktanteil von 30 % ist das Unternehmen mit Sitz in Malmö weltweiter Marktführer für Haferdrinks.
Seit über 25 Jahren fokussiert sich das Unternehmen auf das, was es am besten kann: die Herstellung von Hafermilch-Produkten. Es produzierte also bereits Hafermilch, als es noch kein In-Getränk war. Oatly entstand aus einem naturwissenschaftlichen Forschungsprojekt an der schwedischen Universität Lund. Der Chemieprofessor Rickard Öste hatte Ende der achtziger Jahre die Vision, eine nährstoffreiche, bekömmliche und pflanzliche Alternative zur Kuhmilch zu entwickeln, deren Herstellung nachhaltig und regional ist. Das war die Geburtsstunde der Hafermilchmarke.
Oatly bezeichnet sich als Erfinder der Hafermilch und Vorreiter auf dem Gebiet der pflanzlichen Milchalternativen. Und das zu Recht.
Noch heute sind die Schweden an vielen Forschungsprojekten in Bereich Gesundheit und Nachhaltigkeit beteiligt. Durch die enge Verknüpfung mit der Wissenschaft und ihrem langjährigen, klaren Fokus können sie ihre Produkte und ihr Handeln kompetent und glaubwürdig vertreten.
Mit Studien belegt Oatly, dass das Herstellen von Hafermilch wesentlich besser ist für Umwelt und Klima als die Produktion von Kuhmilch oder Alternativen aus Soja und Mandeln. Diese Ergebnisse sind wissenschaftlich fundiert. Entsprechend offen und transparent kommuniziert Oatly sie auch.
Auf den Verpackungen gibt das Unternehmen freiwillig die Klimaauswirkungen seiner Produkte an, um Konsumenten aufzuklären. In seinen Nachhaltigkeitsberichten kommuniziert es seine Maßnahmen und Entwicklungen, um CO2-Emissionen einzusparen.
Oatly ist eine Good Brand. Dennoch ist sie sich bewusst, dass noch nicht alles optimal läuft und spricht offen darüber. Beispielsweise gibt sie zu, dass es wegen der hohen Nachfrage nicht immer möglich war, die Nachhaltigkeitsregeln einzuhalten. Oder sie zeigt auf, wie viele CO2-Emissionen sie in einem Jahr mit Geschäftsreisen erzeugt hat.
Neben der schwedischen Herkunft ist die Nachhaltigkeit tief in der Marken-DNA verankert. Sie ist integraler Bestandteil und Basis allen Handelns. Der Fokus liegt dabei auf Gesundheit und Klimaschutz. Oatly will die Transformation zu einem nachhaltigen Ernährungssystem vorantreiben. Es soll den Menschen leichter gemacht werden, sich gesund zu ernähren ohne die Ressourcen des Planeten auszubeuten.
Die Marke Oatly nutzt die Nachhaltigkeit als zentralen Wert. Das zeigt sie durch eine gelebte Haltung, nicht (nur) mit oberflächlicher Kommunikation. Diese Haltung vertritt sie offensiv nach außen. Mit seinem rebellischen Auftreten und den provokanten Kampagnen mit Sprüchen wie „It's like milk but made for humans" oder „Kipp' die Milch weg" macht Oatly auf die Gesundheits- und Klimaschutzvorteile von Hafermilch gegenüber Kuhmilch aufmerksam. Damit provoziert die Marke aber auch die Milchindustrie, die des Öfteren zornig reagiert.
Mit seiner Einstellung spricht Oatly insbesondere den jüngeren Generationen aus der Seele. Diesen sind umwelt- und klimafreundliche Werte wichtig, sie leben bewusst und achten darauf, was sie konsumieren. Für viele ist Oatly mehr als eine hippe Milchalternative. Die Marke zieht Gleichgesinnte an, die sie nicht nur wegen der Produkte, sondern vielmehr wegen ihrer Ideologie kaufen.
Das Unternehmen setzt auf Mitarbeiter, die sich mit der Vision und Denkweise identifizieren können. So geben 82 % von ihnen an, dass Oatlys Fokus auf Nachhaltigkeit ein ausschlaggebender Grund war, warum sie sich beworben haben. Entsprechend engagiert sind sie auch. Denn Nachhaltigkeit ist dort nicht allein auf die Produkte bezogen. Es ist ein Mindset, das alle Mitarbeiter verbindet und im Alltag und allen Entscheidungen mitschwingt.
Für die Good Brand steht nicht allein der Profit im Vordergrund. Ihr Handeln ist werteorientiert und wirkungsfokussiert. Sie ist darauf ausgerichtet, einen positiven Beitrag für Gesellschaft und Umwelt zu leisten und zu gestalten.
Die Marke will beweisen, dass Moral und Profit Hand in Hand gehen können. Sie will nicht nur Konsumenten, sondern insbesondere Unternehmen zum Umdenken bewegen. Aktuelles Beispiel ist die von Oatly initiierte Petition, dass Lebensmittelhersteller zur CO2-Kennzeichnung verpflichtet werden sollen. Denn was viele nicht wissen: Die Lebensmittelindustrie ist für rund 25 % aller globalen Emissionen verantwortlich (Quelle).
Mit der verpflichtenden Kennzeichnung will Oatly erreichen, dass Konsumenten besser informiert werden. Dadurch können sie nachhaltigere, klimafreundlichere Kaufentscheidungen treffen und ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Mitte September diskutierte Oatly die Petition im Deutschen Bundestag. Verschiedene Lebensmittelproduzenten mit einem ähnlichen Werteset unterstützen das Anliegen, darunter beispielsweise fritz-kola, Frosta und Rügenwalder Mühle.
Oatly differenziert sich nicht nur durch das auffällige Verpackungsdesign von anderen Pflanzendrink-Herstellern. Ihre Stellung als Good Brand macht den entscheidenden Unterschied. Bei Oatly ist Nachhaltigkeit nicht nur ein Lippenbekenntnis oder eine CSR-Maßnahme. Sie ist Basis allen Handelns. Und die Schweden wollen mehr: Sie versuchen ihre Ausrichtung zu nutzen, um mehr Transparenz und Veränderung in das Lebensmittelsystem als Ganzes zu bringen und einen Wandel in der Gesellschaft hervorzurufen.
Dieser Anspruch war der Grund für die umstrittene Beteiligung von Blackstone, so Oatly. Das Unternehmen will beweisen, dass es sich lohnen kann, in nachhaltige Unternehmen und Green Deals zu investieren – und so zum Umdenken bewegen. Ich persönlich hoffe, dass die Haferdrink-Marke dieses Ziel erreichen wird.
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Nicole Kapp
Senior Associate Consultant
Mit seiner Einstellung spricht Oatly insbesondere den jüngeren Generationen aus der Seele.
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