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Drum prüfe, wer sich ewig bindet: Wenn sich Unternehmen zusammenschließen, spielen die Marken eine entscheidende Rolle, ob die gemeinsame Zukunft klappt. Bildquelle: © IVASHstudio - Fotolia.com

3. Juli 2017

M&A: So schützt die Marke vor unkalkulierbaren Risiken

Abstract

Dieser Artikel will das etabliere Markenverständnis im M&A-Kontext herausfordern. Warum? Weil die Marke die 50/50-Erfolgsaussichten von Unternehmen bei Transaktionen erhöht und somit die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen sowie die Existenz zahlreicher Mitarbeiter absichert! Wir stellen den neuen Denkansatz „markenzentrierte M&A“ vor – in einer Zeit, in welcher der immaterielle Vermögenswert bei Übernahmen immer häufiger den größten Posten einnimmt und über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen entscheiden kann.

Wenn Unternehmen bei M&A-Entscheidungen die Marken außen vorlassen, rücken ihre Ziele nicht nur in weite Ferne, sondern werden nicht selten unerreichbar. Statt auf Markenzensur sollten Sie besser auf „markenzentriertes M&A“ setzen. Wir stellen die wichtigsten Regeln vor.

Der Hunger von Shareholdern und Unternehmern nach profitablem Wachstum ist groß, doch lässt sich dieser nur noch selten durch Sparprogramme oder organisches Wachstum stillen. Was bleibt, ist Merger & Akquisitions (M&A). Doch über 50% der Fusionen scheitern, 70% - 90% bleiben unter den Erwartungen. Eine riskante Entscheidung also: Die Zukunft des Unternehmens und die Existenz zahlreicher Jobs stehen auf dem Spiel.

Um dieses Risiko zu minimieren, engagieren Entscheider Berater aus der Finanz- und Paragraphenwelt. Das Problem: Sogleich blenden viele dieser Experten einen zentralen Erfolgsfaktor im M&A-Prozess weitestgehend aus: die Kraft der Marke. Denn sie verstehen darunter lediglich Kosmetik und einen immateriellen Vermögenswert (einzelne Kennzahl).

Die Folgen für die Unternehmen sind massiv und nachhaltig:

  • Kalkulierte Kosten- und Wertsynergien schrumpfen oder bleiben gänzlich aus.
  • Massive Zusatzkosten entstehen, unter anderem durch den Vertrauensverlust bei Kunden, Mitarbeitern und Shareholdern.
  • Vermögenswerte werden zerstört.
  • Wettbewerbsvorteile gehen nachhaltig verloren.

Das Markenverständnis beeinflusst zwar den Ausgang der Transaktion. Dennoch ist die Marke kein fester Bestandteil dieser exklusiven Runde. Das bedeutet: Die Bedeutung der Marke für den M&A-Prozess und damit für den nachhaltigen Unternehmenserfolg bleibt unerkannt oder wird massiv unterschätzt.

Marke: Diamanten finden, schleifen und profitabel verkaufen.

Um das Beteiligungsrisiko zu minimieren und nachhaltig profitables Wachstum zu erzielen, stehen Unternehmen vor drei zentralen Herausforderungen, welche die Marke betreffen:

1. Marken-Überbewertungen und fehlende Marken-Passung (Wertefit) vermeiden.

2. Marken-Potenziale identifizieren und vollumfänglich ausschöpfen.

3. Marken-Werte zum idealen Zeitpunkt zum besten „Preis" kaufen oder verkaufen.

Wie lassen sich die Erfolgsaussichten im Transaktionsgeschäft systematisch steigern? Aus unserer Sicht ist das die Kernfrage – doch weder M&A-Theorie noch -Praxis beantworten diese mit Hilfe des Erfolgsfaktors Marke. Denn sie beziehen die Marke bisher nicht konsequent ein. Deshalb möchten wir Ihnen den Denkansatz der „markenzentrierten M&A" vorstellen: mit ihm wird die Marke als strategisches Managementsystem in alle Phasen des M&A-Prozesses systematisch integriert. Dadurch sinkt das Beteiligungsrisiko und die Erwartungen an Kosten- und Wertsynergien können übertroffen werden.

Das Markenmanagementsystem zur wertorientierten Unternehmensentwicklung

Schritt 1: Markenwert identifizieren

  • Marken-Überbewertungen vermeiden: In der Due-Dilligence sind Überbewertungen ein entscheidendes Risiko. Hier repräsentiert die Marke ein Vielfaches vom Buchwert, zum Beispiel zahlt Nestlé für Rowntree das Dreifache des Börsenwerts und das 26-fache der Erträge. Bei der Übernahme vom Gillette durch P&G lag das Verhältnis zwischen Firmen- und Markenwert bei 49 Prozent. Um Überbewertungen der Marke – und damit der Unternehmung – zu vermeiden, muss die Wertschöpfungskraft der Marke identifiziert werden. Dadurch lässt sich der reale Markenwert bestimmen und Wunschvorstellungen des Eigentümers relativieren. Hierbei ist der Wert der Marke nicht nur aus Sicht der Kunden zu beurteilen und damit auf den Umsatz zu reduzieren, sondern vielmehr die Stakeholder-Attraktivität zu bewerten.
  • Marken-Diamanten identifizieren: Im Überfluss an Produkten und Dienstleistungen gewinnt die Marke an Bedeutung und entwickelt sich zum größten Wertetreiber. 90 Prozent des gezahlten Kaufpreises von 12,9 Milliarden US-Dollar war Philip Morris die Marke Kraft wert. Deshalb ist auf der Suche nach passenden Targets Ausschau zu halten nach „unterbewerteten" Marken und vor allem nach deren Stellhebeln, um zeitnah das unentdeckte oder bislang ungenutzte Markenpotenzial zu entfalten.
  • Marken-Passung sicherstellen: Die meisten Fusionen scheitern langfristig aufgrund einer fehlenden „Passung". Stakeholder assoziieren mit der Marke einen spezifischen Vorteil und sind deshalb beispielsweise bereit, höhere Preise zu zahlen. Besteht jedoch kein Wertefit zwischen den Marken, wie etwa bei Daimler und Chrysler oder aktuell bei dem Münchner Tierfutter-Shop Terra Canis und Nestlé, kommt es durch die Zusammenführung zu einer Markenkollision. Sie führt zu einer Veränderung der Markenwahrnehmung, die wiederum das Verhalten von Mitarbeitern und Kunden beeinflusst sowie Auswirkungen auf die eingeplanten Kosten- und Wertsynergien hat. Deshalb ist spätestens in der Due-Dilligence zu überprüfen, wofür die Marken stehen und inwieweit sie gemeinsam auf die Anziehungs- und Abgrenzungskraft der Unternehmung einzahlen.

Schritt 2: Markenwert systematisch steigern.

  • Marken-Risiko minimieren: In der Transaktions- und Integrationsphase besteht das Risiko, dass die Attraktivität der Marken schrumpft. Das Beispiel Monsanto und Bayer zeigt, dass allein die Ankündigung einer geplanten Übernahme dazu führen kann, dass Investoren, Kunden und Mitarbeiter der Marke das Vertrauen entziehen. Diese Markenstörung belastet die Aktienkurse, initiiert Shitstorms und prüft die Loyalität der Stakeholder. Nach der Transaktion belasten Fehlentscheidungen in der Markenführung den Vermögenswert, etwa die Umstellung von einer Zwei- auf eine Ein-Marken-Strategie. Deshalb ist zunächst die eigene Markenstrategie zu entwickeln, um bei der anschließenden Suche nach Targets (Deal Search) die passenden Marken zu identifizieren und in der Due-Dilligence die künftige Marken-Architektur mit einer klaren Marken-Governance festzulegen.
  • Marken-Attraktivität steigern: Die erworbenen Produkt- und Dienstleistungen führen eher zu einer kurz- bis mittelfristigen Überlegenheit statt zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil. Die Marke hingegen ist ein Garant und Treiber für Kosten- und Wertesynergien. Richtig gemanagt und systematisch entwickelt, lassen sich mit steigender Markenattraktivität die Kosten senken (etwa für Personal und Marketing) sowie Preis- und Volumenprämien realisieren. Deshalb sind die Attraktivitätstreiber und Differenzierungsfaktoren der Marke aus Sicht der Stakeholder zu identifizieren und zu verdichten. Aber nur die Implementierung der Markenstrategie stellt sicher, dass das Markenversprechen an allen Kontaktpunkten entlang den Customer Journeys erlebbar wird.
  • Marken-Dominanz erlangen: Marken wie Red Bull, Hipp, KTM, Nutella und Whiskas zeigen, wie man sich gegen den wachsenden Wettbewerber durchsetzt und den Markt dominiert. Dabei legen die unternehmerischen Spitzenleistungen das Fundament, jedoch sind vor allem die Assoziationen mit der Marke schwer kopierbar. Sie erschweren Newcomern den Eintritt und halten den bestehenden Wettbewerb auf Abstand. Einmal vom Kunden gelernt und im Kopf besetzt, wie es zum Beispiel Ricola mit „Chrüterchraft" gelang und Nivea mit „Pflege", bieten starke, klar positionierte Marken dem Unternehmen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil.

Schritt 3: Markenwert profitabel verkaufen

Bei der Bestimmung des idealen (Ver-)Kaufzeitpunktes (Marken-Peak bestimmen), der Begründung des (Ver-)Kaufpreises (Marken-Wert verkaufen) oder der Überwachung der Wertschöpfungskraft (Marken-Performance entwickeln) gibt es für die Eigentümer der Marke eine zentrale Aufgabe.

Sie müssen die Entwicklung der Markenwahrnehmung und -attraktivität (durch den Vergleich mit dem Wettbewerb) kontinuierlich qualitativ wie quantitativ messen. Das Beispiel Nokia zeigt jedoch, dass dazu Momentaufnahmen einzelner (Marketing-)Kennzahlen wie Bekanntheit, Weiterempfehlungsquote (NPS) oder Markenwert (Brand Value) nicht ausreichen. Heute verändern digitale „Alleskönner" wie Amazon und agile Startups die Bedeutung von Marken über „Nacht". Deshalb ist die Marke aus Sicht der Top-Stakeholder zu analysieren: Es gilt, die Stellhebel (Ursachen) des Erfolgs aufzudecken und in die Sprache des Top-Managements zu übersetzen.

Wie klar ist die Marke im Gedächtnis der Kunden positioniert und besitzt deshalb einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil? Inwieweit hilft diese Markenwahrnehmung beim Erschließen neuer Geschäftsfelder (Business Development)? Oder begrenzt sie das Unternehmen auf eine angestammte Kategorie? Wie ist die Markenwahrnehmung zu optimieren, um die Preis-, Kauf- und Weiterempfehlungsbereitschaft zu steigern? Nur wer solche Fragen klar beantworten und konkrete Handlungsempfehlungen geben kann, überzeugt den gegenwärtigen wie künftigen Brand-Owner vom Wert der Marke.

Im heutigen Transaktionsgeschäft wird die Marke als eine reine Finanzkennzahl gesehen, doch sie ist ein Instrument zur Minimierung des Beteiligungsrisikos und systematischen Wertschöpfung. Es wird der aktuelle Vermögenswert (Momentaufnahme) ermittelt, anstatt das Markenpotenzial zu entschlüsseln und dadurch die wertorientierte Unternehmensentwicklung abzusichern. Doch die Anwendbarkeit und damit die Bedeutung der Marke für den Ausgang von Transaktionen ist viel größer. Die Marke erhöht die 50/50-Erfolgsaussichten bei Transaktionen und sichert somit die Zukunft von Unternehmen und deren Mitarbeiter.

Markenzentrierte M&A darf deshalb nicht als Randerscheinung betrachtet werden, sondern als strategisches Leitsystem für alle involvierten Personen – von der Anbahnungs- bis in der Implementierungsphase.

 

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Benedikt Streb

Partner

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