Dieser Kommentar erschien erstmals in der absatzwirtschaft: Warum die Marke Mercedes ein Relevanzproblem bekommt
Bei Mercedes-Benz werden die Weichen neu gestellt: Es soll künftig nicht mehr um Menge und Technologieführerschaft gehen, sondern um die Konzentration auf das Luxussegment.
Diese Entscheidung scheint unausweichlich, wenn Mercedes zu alter Rentabilität zurückfinden soll. Dennoch halte ich die Konzentration auf das Luxussegment für gefährlich. Weil sie keine Antwort gibt auf zentrale Fragen der Markenpositionierung. Stattdessen bezieht sich diese Ausrichtung auf einen unpräzise formulierten Kern der Marke Mercedes-Benz.
Fangen wir von vorn an. Sten Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, wolle „... zurück zu unserem Kern als Hersteller von modernen Luxusfahrzeugen", stand in der Wirtschaftspresse. Das ist bereits die erste Fehleinschätzung: Mercedes bezeichnete sich immer als „der erfolgreichste Hersteller von Premiumfahrzeugen". Doch Premium ist nicht Luxus.
Ob eine reine Luxusmarkenstrategie nach dem Vorbild des französischen Luxusgüterkonzerns LVMH erfolgreich wäre, ist zu bezweifeln. Dieser Konzern atmet und lebt Luxus in allen Ritzen des Konzerns, an allen Kontaktpunkten. Der Vergleich mit LVMH macht einen Trugschluss sichtbar: Eine S-Klasse herzustellen, macht aus Mercedes-Benz noch keine Luxusmarke.
Das vom Daimler-Chef ausgegebene Ziel ist absolut nachvollziehbar: raus aus dem Mengen-, hin zum Wertedenken. Die Frage ist aber nicht: Wie können wir aus Premium Luxus machen? Um höhere Preise durchzusetzen, muss die Frage lauten: Wie können wir die Marke Mercedes-Benz wieder so differenziert und begehrlich machen, dass die Menschen bereit sind, dafür mehr zu bezahlen? Die zentrale Frage aus Markensicht ist also, welche „Art von Premium" die Marke verkörpern soll.
Anders als vor hundert Jahren ist Mercedes auf diesem Feld nicht mehr allein. Premium- und Luxusmarken gibt es zuhauf. Der Hebel für mehr Rentabilität liegt in der eindeutigen Differenzierung der Marke. In der Markentechnik nennen wir das „Verdichtung". Anziehungs- und Strahlkraft entstehen aus der Verdichtung und Neuinterpretation dessen, was die Marke schon immer verkörpert hat.
Man stelle sich vor, Mercedes-Benz würde bei jedem einzelnen Markenkontaktpunkt absolute Premiumqualität liefern. Alle von Daimler lancierten Mobilitätsmarken und Zukunftsprojekte, alle technologischen Weiterentwicklungen wären „das Beste oder Nichts". Bräuchte Mercedes dann eine neue Positionierung?
Doch anstatt das Profil zu schärfen und dieses durch neue Spitzenleistungen in der Mobilität zu beweisen, konnte man in jüngster Vergangenheit den Eindruck gewinnen, Mercedes wolle so sein wie alle: sportlich wie BMW, technologisch führend wie Audi. Und ja, zuverlässig wie Mercedes. Doch starke, begehrliche Marken ahmen den Wettbewerb nicht nach: Sie definieren, wie sie sein wollen – und ebenso, wie sie nicht erlebt werden wollen.
Studien wie BrandTrusts „Digital Luxury: How The Digital Transformation Shapes Luxury Brands" zeigen, dass in Europa und USA die Bedeutung jener Luxusprodukte abnimmt, die als kostspielig sowie dem Vergnügen und Prestige dienend gelten. In Asien hingegen steigt deren Begehrlichkeit. Fast könnte man meinen, die chinesischen Mercedes-Großaktionäre BIAC und Geely Chef Li Shufu hätten die Luxusstrategie diktiert, um die passenden Produkte für den asiatischen Markt anbieten zu können.
Für viele Deutsche ist es Luxus, wenn sie der ständigen Erreichbarkeit entfliehen können – nicht der Besitz eines Prestigefahrzeugs. Für sie steht das Erlebnis im Vordergrund. Das gilt vor allem für die wichtige und größte Kundengruppe, die Millennials. Auf deren Wünsche gilt es sich einzustellen. Dazu passt Volvos Premium-Auto-Abo weitaus besser als die Luxusstrategie von Mercedes.
Marken wie Mercedes-Benz fällt es schwer, Strategien nicht aus der Hersteller-Genetik abzuleiten. Insbesondere für deutsche Ingenieur- und Technologiemarken ist es das Größte, überlegene Produkte zu erfinden, zu entwickeln, zu produzieren und dann zu verkaufen.
Deshalb scheint es ihnen nur logisch, neue Mobilitätslösungen, die nicht unmittelbar in dieses Hersteller-Raster passen, unter einer anderen Marke zu führen. Der häufige Vorwand : Man sei ja nicht 100%iger Eigentümer des Unternehmens. Oder: Die Mobilitätsleistung könne auch von Fahrzeugen anderer Automobilmarken genutzt werden.
Diese Logik führt aber dazu, dass etablierte Automarken nicht mit den neuen Leistungen aufgeladen werden, obwohl diese in Zukunft an Relevanz gewinnen. Wenn nicht mehr das Produkt, sondern seine Nutzung im Vordergrund steht, müssen Automobilmarken nicht nur mit Zukunftstechnologien, sondern auch mit Zukunftsservices begehrlich gemacht werden.
Um relevant zu bleiben, muss eine Marke wie Mercedes entscheiden, welches Mobilitätsproblem künftiger Kundengenerationen sie besser lösen will als der Wettbewerb.
Marken aus der alten „Made in Germany"-Ingenieurswelt können von Technologiemarken wie Apple, Samsung oder Tesla lernen: Diese verkaufen kein Produkt, sondern die Idee einer besseren Zukunft. Egal, ob es um die unterhaltsame, einfache Art der Computernutzung geht, die vernetzte Bedienung von Unterhaltungselektronik oder den nachhaltigen Transport: Solche Marken ist gemeinsam, dass sie die Hoffnung wecken auf eine bessere Zukunft. Sie helfen dabei, diese zu gestalten.
Auffällig ist, dass solche Marken nicht von Ingenieuren, sondern von Visionären geführt werden. Für gestandene Ingenieure mögen Managementinstrumente wie Vision und Mission ein notwendiges Übel sein. Für Technologiemarken der Zukunft sind das die wesentlichen Treiber: Sie sorgen für Begehrlichkeit und Relevanz.
Nur wenn Marken einen Beitrag für eine bessere Zukunft leisten, werden sie relevant bleiben. Das zumindest offenbart die BrandTrust-Studie „Impact Brands". Die Sehnsucht nach Marken, die Lösungen für die Herausforderung und Missstände unserer Welt bieten, ist massenfähig geworden.
Dieser Kommentar erschien erstmals in der absatzwirtschaft: Warum die Marke Mercedes ein Relevanzproblem bekommt
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