Abstract
Dieser Beitrag ist der 9. Teil der Serie "10 Leitgedanken zur Digitalen Agenda für Deutschland und Europa". Sie entstand dank der vielfältigen Inspirationen auf dem Giga-Gipfel, zu dem unser Partner Jürgen Gietl eingeladen war. Fünfzig Vordenker – Vorstandschefs, Internetpioniere und Zukunftsforscher – starteten in Sölden das "Digitale Manifest des 21. Jahrhunderts für Deutschland und Europa". Die Initiatoren waren deutsche Leitmedien wie Handelsblatt, Zeit und Wirtschaftswoche.
Wo kommen technologische Fortschritte eigentlich her? Wie werden sie entwickelt und wie entstehen daraus digitale Lösungen? Vermutlich gibt es nicht die eine Antwort. Aber es gibt Tendenzen – und diese scheinen kulturell bedingt zu sein:
Welcher Ansatz ist erfolgreicher? Betrachtete man gelungene Innovationen retrospektiv, würde man feststellen: Keiner der beiden ist zielführend. Wenn jedoch eine bahnbrechende Technologie einen bahnbrechenden Kundenvorteil schafft, sieht das Bild anders aus.
Weil heute alles sofort und überall zu haben ist, ist die Frage, ob es Kunden noch an irgendetwas mangelt, durchaus berechtigt. Diese Frage kommt aber nur dann auf, wenn man die Märkte oberflächlich betrachtet. Denn völlig egal, ob man sich die Knappheiten der Kunden in B2B- oder B2C-Märkten genauer ansieht: Es mangelt täglich an grundlegenden Dingen.
Bei intensiver Betrachtung werden Sie sogar feststellen: Die Mangelerscheinungen werden immer größer. Das liegt unter anderem daran, dass immer mehr Menschen immer schnelleren und grenzenlosen Zugang zu Komfort und Bequemlichkeit wünschen. Und im B2B-Markt müssen – und wollen – professionelle Kunden in immer kürzeren Zeiten immer mehr leisten.
Ob mobiles Telefonieren, privater Chauffeurdienst, mehrere Flüge in den Urlaub pro Jahr, Ledersitze, elektrische Fensterheber, Designermöbel und -mode: Es gibt fast keinen Markt, der sich nicht von einem Luxus- zu einem Massenmarkt entwickelt hätte. Augmented Reality, Künstliche Intelligenz und 24/7-Services führen zu völlig neuen Knappheiten. Wo Bedürfnisse und Erwartungen erfüllt werden, entstehen neue, immer größere.
Dazu kommen gegenläufige Bedürfnisse: Wenn alle Prozesse digitalisiert sind, sehnen sich Menschen nach mehr persönlicher Ansprache. Es mangelt also nicht an Knappheiten – es mangelt daran, diese zu erkennen und mit überlegenen digitalen Ideen, Produkten, Prozessen und Services glaubwürdig und besser zu erfüllen als die Wettbewerber.
Wie erkennt man solche Knappheiten der Kunden (sofern man weiß, wer die Kunden sind)? Widmen wir uns einem Markt, der in den vergangenen Jahren einen Boom erfahren hat und von einer neuen Marke aus der digitalen Welt besetzt wurde: der private Chauffeurdienst und Uber. Wie könnte man versuchen, in diesem Markt Fuß zu fassen, Uber Anteile abzunehmen oder gar den Markt streitig zu machen?
Also kommt MVL (Mass Vehicle Ledger) und lanciert in Südkorea Tada – eine Fahrdienstvermittlungs-App, die von Fahrern keine Service-Fee haben will und auf der Basis der Blockchain-Technologie beide Seiten vereint: die Knappheit der Fahrer mit den Anforderungen der Fahrgäste, nämlich den Fahrer bestellen und bewerten zu können.
Wer kennt sie nicht, die kleinen Frusterlebnisse unseres digitalen Alltags: Sie zeigen mit Ihrer neuen Bahn-App dem Schaffner das online gebuchte Ticket. Der fragt nach der Bahncard. Statt diese gleich angehängt zu zeigen, müssen Sie umständlich einen Link drücken, bevor die Bahn-Card erscheint.
Oder: Haben Sie schon einmal versucht, Telekom Sport übers Handy zu buchen? Ich habe das versucht, als ich schnell noch ein Champions League Spiel vor dem Abflug sehen wollte. Ständig wurde die Eingabe der Kontaktdaten und der Zahlungsdaten abgebrochen – und ich musste wieder von vorne anfangen. Weil irgendwer irgendeinen Link falsch programmiert hat.
Noch ein Beispiel: Sie kommen ins Hotel und müssen zum 100. Mal ihre Kontaktinfos im Anmeldeformular eintragen, auch wenn Sie über Booking.com gebucht haben. Warum?
Oder früher, als Sie versucht haben, einen Ikea-Schrank mit einem Akkuschrauber zusammenzuschrauben – bis Bosch einen Akkuschrauber auf den Markt brachte, der zwar in seinem Drehmoment unterlegen war, aber so klein und handlich, dass er wie dafür gemacht schien, Abholmöbel selbst aufzubauen, ohne die Schrauben gleich durch die Spanplatte zu jagen.
Die Welt ist voller solcher Frusterlebnisse. Das betrifft B2B-Produkte und Services genauso wie digitale oder analoge B2C-Massenanwendungen. Aber: Noch nie war es so einfach wie heute, mit digitalen Kommunikations- und Controlling-Tools die Frustfaktoren zu ermitteln und mit überlegenen Produkten und Services zu lösen.
Alles, was es dazu braucht, ist das Bewusstsein dafür. Das detektivische Aufdecken dieser Frusterfahrungen an allen Markenkontaktpunkten entlang einer Kundenreise. Plus das nötige Einfühlungsvermögen, um den Frust der Menschen nachvollziehen zu können.
Jeder Trend hat einen Gegentrend. Was für viele Forscher inzwischen eine Selbstverständlichkeit ist, findet im Marketing und im Entwicklungs- und Innovationsmanagement nur wenig Beachtung. Wer sich heute mit Entwicklungen beschäftigt, entdeckt eine Fülle an Chancen, um Angebote für Gegentrends zu schaffen, die bei Menschen fast automatisch eine hohe Begehrlichkeit auslösen.
Immer komplexere technologische Produkte, Anwendungen und Services erhöhen bei Menschen die Sehnsucht nach mehr Einfachheit, Klarheit. Wer Googles Startseite betrachtet, versteht sofort, was damit gemeint ist.
Menschen in modernen Gesellschaften versuchen Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Für die Familie zu sorgen wird für voll berufstätige Frauen zur Herkulesaufgabe. Der Trend zur Frauenpower, gepaart mit dem Anspruch auf ein gesundes Leben sowie der Perfektionismus der oberen Mittelschicht überfordern viele, die sich um das Wohl der Familie kümmern. Das ist eine Knappheit, auf die Vorwerk mit dem Thermomix eine Antwort gefunden hat: Es ist nicht die Küchenmaschine allein, welche die Haushalte erobert, sondern das Produkt plus vieler digitaler Services – die perfekte Entlastung für die gestresste Familie.
Was den digitalisierten, technokratischen und massenfähigen Prozessen am häufigsten fehlt – aber wonach sich immer mehr Menschen sehnen – ist echte Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Liebe. Marken, welche die Digitalisierung nutzen, um mehr Liebe zu stiften, werden eine rosige Zukunft erleben.
Weitere Insights und Handlungsempfehlungen erhalten Sie beim 1. Praxisseminar für B2B- und Technologiemarken mit dem Markenexperten und Buchautor Jürgen Gietl.
Haben Sie Fragen oder Anregungen zu diesem Artikel? Wir freuen uns auf Ihre E-Mail.
Die Serie "10 Leitgedanken zur Digitalen Agenda für Deutschland und Europa":
1. Leitgedanke: Wir brauchen "Made in Germany" – und keine Silicon-Valley-Kopien
2. Leitgedanke: Wer Bedeutung skaliert, schafft Wachstum
3. Leitgedanke: Technologien sind austauschbar – deine Haltung nicht
5. Leitgedanke: Unsere Spitzenleistung braucht mehr Wertschätzung
6. Leitgedanke: Mit Daten zu mehr Empathie
7. Leitgedanke: Auf Schnittstellen und Services kommt es an
8. Leitgedanke: Das Ende der Einzelkämpfer
10. Leitgedanke: Digitaler Umbau braucht geistige Flexibilität
Bereits das dritte Mal in Folge wurden wir 2023 vom Wirtschaftsmagazin FOCUS als Top Unternehmensberatung ausgezeichnet. Auch in diesem Jahr wurden die exzellente Leistung und die im Gedächtnis bleibende Kompetenz unserer Berater sowohl von Kunden als auch von Kollegen wertgeschätzt.
Wir freuen uns über diese Wertschätzung und danken unseren Kunden und Kollegen.
Möchten Sie ein unverbindliches Telefonat mit uns vereinbaren oder haben Fragen zum Angebot? Dann füllen Sie einfach dieses Formular aus und wir setzen uns zeitnah mit Ihnen in Verbindung.