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Neustart: Tourismusbranche braucht jetzt viel Mut, Experimentierlust und Gemeinschaftssinn

27. September 2021

Die Tourismusbranche wagt den Neustart – so gelingt er

Wie gelingt der Tourismusbranche der Restart nach der überstandenen Corona-Krise? Wir geben fünf Empfehlungen, nennen drei Stolperfallen und blicken mit drei Inspirationen in die Zukunft. Wir wünschen allen Tourismusmarken viel Erfolg!

Wer im Sommer 2021 spontan Urlaub machen und dafür nicht in die Ferne fliegen oder in ein Hochrisikogebiet reisen wollte, der hat schnell gemerkt: Genau das wollen andere auch. Deutschland, Österreich und Südtirol waren quasi ausgebucht.

Die Menschen wollen wieder raus. Destinationen, Hoteliers und Gastronomen erleben aktuell, nach der schwierigen Lock-Down-Zeit, wieder so etwas wie Normalität. Die Gäste sind wieder da und haben große Lust auf Urlaub.

Ja, die Tourismusbranche hatte viel Zeit sich vorzubereiten – aber dann ging der Start doch überraschend schnell. Jetzt steckt sie mittendrin im Neustart. Und jeder hofft, dass niemand im Herbst erneut den Stoppknopf drückt.

Wie geht es weiter mit den Unternehmen der Tourismusbranche? Wie gelingt deren Restart? Wir meinen: Sie brauchen jetzt viel Mut, kombiniert mit Experimentierlust und Gemeinschaftssinn. Einfach weitermachen wie vor der Krise – das wird nicht funktionieren.

Sind Sie bereit für den Neustart? Mit diesen Tipps wollen wir Sie unterstützen:

  • Wir nennen drei Stolperfallen, auf die Sie jetzt achten müssen.
  • Wir geben Ihnen fünf Handlungsempfehlungen an die Hand, mit denen Sie sich auch auf die nächste Saison vorbereiten können.
  • Für alle, denen das nicht reicht, haben wir drei Denkanstöße: Wie kann eine erfolgreiche Zukunft für Destinationsmarken aussehen?

Die Stolperfallen

Stolperfalle 1: Sie schätzen die Bedürfnisse der Gäste falsch ein.

So lautete die Einschätzung vieler Experten in der Corona-Krise: „Wir werden völlig neue menschliche Bedürfnisse sehen. Unser Verhalten wird sich radikal ändern." Das ist falsch.

Vielmehr ist es so, dass Menschen in Krisenzeiten in die immer gleichen Muster zurückfallen – ihre Grundbedürfnisse stehen dann im Vordergrund. Diese werden lediglich verstärkt und manifestieren sich in einem geänderten Verhalten. In Corona-Zeiten zeigte sich das zum Beispiel im übertriebenen Einkauf von Klopapier.

Es gibt zwei zentrale Schlüsselfaktoren, die uns in den Corona-Jahren geprägt haben:

  • Unsicherheit: Die Welt ist für uns unvorhersehbarer geworden, das verunsichert. Unsere Sehnsucht nach Stabilität, Ordnung, Vertrautem steigt.
  • Soziale Isolation: Wir mussten lange Kontaktbeschränkungen zu unseren Liebsten in Kauf nehmen. So entstand unser Bedürfnis nach Nähe, Gesellschaft, Erlebnissen und Reisen.

Auf diese Bedürfnisse müssen sich DMOs (Destination Management Organisationen) und Tourismusbetriebe jetzt einstellen. Sie können den Gästen genau das bieten, was sie jetzt brauchen.

Das ist wichtig: Recherchieren Sie die neuen Bedürfnisse Ihrer Gäste. Wie hat sich deren Verhalten verändert? Und welche dieser Verhaltensweisen werden sie vermutlich auf Dauer beibehalten? Sie werden feststellen: Sie gewinnen wichtige neue Impulse – aber nicht alles verändert sich. Sie müssen also nicht alles neu denken.

Stolperfalle 2: Sie versuchen über den Preis, mehr Gäste anzulocken.

Die Berichterstattung zu den Preisentwicklungen nach der Corona-Zeit ist verwirrend: „Reisen wird wieder Luxus" – „Urlauber können mit stabilen Preisen rechnen" – „geringere Preise" – alles ist dabei.

Unser Rat: Fangen Sie nicht damit an, an Ihren Preisen zu drehen. Rabatt-Aktionen können genauso schädlich sein wie plötzlich höhere Preise, die Gästen das Gefühl geben, ihnen würde das Geld aus der Tasche gezogen.

Bleiben Sie Ihrer Preisstrategie treu, immerhin vermitteln Sie damit den Wert ihrer Marke.

Stolperfalle 3: Sie begehen Verrat an Ihrer Marke.

Versuchen Sie nicht, plötzlich für alle da zu sein und dafür Ihre Strategie kurzerhand über Bord zu werfen. Das verschreckt Ihre loyalen Kunden. Wenn im Hotel plötzlich Reisegruppen, die über eine Rabattaktion gebucht haben, den Frühstücksraum in Beschlag nehmen, irritiert das die anderen (besser zahlenden) Gäste.

Auch die Freude des verliebten Pärchens wird schnell dahin sein, wenn es zum romantischen Wochenende aufbricht und in einem Familienhotel landet. Überlegen Sie sich also gut, für welche taktischen Maßnahmen Sie sich entscheiden. Passen diese zu Ihrer Strategie – oder könnten sie ihr eher schaden?

Beispiele: Kitzbühel ist bekannt fürs Skifahren, vor allem für legendäre Skirennen. Deshalb hat sich der Ort in Tirol als „legendäre" Destination positioniert. Serfaus-Fiss-Ladis ist DAS Familienparadiese in den Alpen. Marken wie diese bleiben konstant bei ihren Versprechen. Sie haben verstanden: Marken müssen das nutzen, was sich die Menschen bereits gemerkt und gelernt haben. Marken bilden sich aus der Vergangenheit.

Unsere fünf Handlungsempfehlungen

Die Bedürfnisse der Gäste haben sich in der Corona-Krisenzeit geändert. Die Frage ist: Wie wirkt sich die erlebte Unsicherheit und soziale Isolation auf das Reiseverhalten aus? So können Sie reagieren:

1. Akzeptieren Sie die neuen Bedürfnisse der Reisenden.

Es gibt viele unterschiedliche Prognosen, wie sich die Reisevorlieben verändern werden. Alles ist dabei, das Spektrum reicht von „Ich bleibe lieber in der Nähe" bis zu „Die Sehnsucht nach Fernreisen ist groß". Die einen wollen nur Deutschland erkunden, die anderen „alles erleben, was geht – bevor der nächste Lockdown kommt". Keiner weiß so recht, wie sich die Bedürfnisse, je nach Generation und Gesellschaftsschicht, entwickeln werden.

Worauf also kommt es jetzt an? Hier können Analyseergebnisse der internationalen Trendberatung TrendsActive weiterhelfen. Die niederländischen Experten haben ihr Trendmodell an Corona angepasst und herausgefunden, welche Bedürfnisse sich in dieser Zeit verstärkt haben.

Das sind einige der Erkenntnisse:

  • Die Menschen sind misstrauischer geworden. Ein solcher Vertrauensverlust bezieht sich nicht nur auf Politik und Institutionen, sondern auch auf Marken. Wie kann man als Tourismusmarke darauf reagieren? Das Wichtigste ist, authentisch zu bleiben und die einmal definierte Strategie konsequent weiterzuverfolgen. Die Gäste wissen diese Kontinuität zu schätzen und bleiben solchen Marken treu. Auf diese Weise geben Destinationen oder Hotels Orientierung und Halt in unsicheren Zeiten.
    Auch sinnvolles Handeln wirkt einem Vertrauensverlust entgegen. Das bedeutet nicht, dass Sie jetzt die Welt retten und sich zu einer Impact Brand entwickeln müssen. Vielmehr bedeutet es, das vorzuleben, was Sie versprechen. Dazu sollten Sie den Fokus auf Ihre Werte legen.
  • Die Menschen wünschen sich Nähe. Wohlbefinden wird für die Gäste immer wichtiger. Sie entscheiden bewusster und achtsamer. Durchschnittliches lehnen sie noch stärker ab als ohnehin schon.
    Damit Sie als Marke an Bedeutung gewinnen, ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, um sich zu überlegen, wie Sie Ihre Gäste entlasten können. Bauen Sie eine echte Beziehung zu Ihnen auf, bieten Sie einzigartige Urlaubsmomente. Das kann der gemeinsame Aperitif sein, das Erfüllen eines Extra-Wunsches oder eine Empfehlung, die zugeschnitten ist auf die persönlichen Bedürfnisse des Gastes. Es sind oft die kleinen Gesten, an die sich ein Gast lange und mit Freude erinnert.
  • Frauen freuen sich über Entlastung: Gerade in der Pandemie haben alte Rollenverteilungen wieder Einzug in unseren Alltag gefunden. Vermehrt haben sich Frauen um die Kinderbetreuung gekümmert, als Kitas und Schulen geschlossen waren. Sie haben Ihre beruflichen Ambitionen hintenangestellt. Studien zeigen, dass Frauen insgesamt mehr unter der Krise leiden als Männer. Dies ist eine Chance, um Frauen bewusster anzusprechen und mit zugeschnittenen Angeboten zu entlasten.
  • Jede Generation hat andere Wünsche: Jede Generation hat die Pandemie anders erlebt. Babyboomer (die Generation 60+) waren isolierter denn je. Jetzt wollen sie sich wieder mit Ihren Liebsten verbinden und ehrliche Beziehungen zu ihnen aufbauen.
    Die Gen X (1965 bis 1980) hatte mit ihrer Work-Life-Balance zu kämpfen: Sie hatte diese verloren inmitten des Arbeits-, Schul- und Familienwahnsinns. Diese Generation können Tourismusmarken entlasten, indem sie Angebote schaffen, dank derer Familien eine erholsame Zeit erleben können, abseits von Alltag und Hektik.
    Die Gen Y (1981 bis 1996, auch Millennials genannt) ist eine krisengeschüttelte Generation: Sie erlebte die dot.com-Krise, die Finanzkrise und jetzt die Corona-Krise. Und das, obwohl dieser Generation versprochen wurde, sie könne alles problemlos erreichen. Stattdessen muss sie jetzt ihre Träume mit der krisenbehafteten Realität in Einklang bringen. Diese Gen Y sucht nach Stabilität und Sicherheit, auch im Urlaub. Diese Bedürfnisse dieser Generation sollten Sie sehr ernst nehmen, denn sie ist schon jetzt die kaufkräftigste.
  • Die Gen Z (1997 bis 2015) ist im Vergleich zu den Millennials realistisch statt optimistisch. Sie sorgt sich nicht nur um ihre eigene Zukunft, sondern auch um die Zukunft unserer Erde. Zeigen Sie, dass Sie diese Generation und Ihre Sorgen ernst nehmen, indem Sie etwas für sie und die Welt tun. Schalten Sie nicht nur eine Kampagne, sondern handeln Sie sinnvoll und verfolgen Sie Ihre Ziele konsequent.

Handlungsempfehlung: Übertragen Sie Ihre Markenstrategie auf jene Gästebedürfnisse, die durch Corona verstärkt wurden. Bestimmen Sie auch, welche Generation Sie aktuell ansprechen – und welche gesellschaftlichen Trends für diese relevant sind.

2. Stellen Sie Ihr Angebot auf den Prüfstand.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um das eigene Angebot unter die Lupe zu nehmen. Bisher wuchs die Tourismusbranche konstant, sie war erfolgsverwöhnt. Es gab viele Investitionen, aber wenig Innovation. Überspitzt ausgedrückt: Für viele Branchenmitglieder hat es schon gereicht, ein bisschen nach rechts und links zu schauen, um zu sehen, was die Konkurrenz so treibt – und sich daran orientiert. Viele hatten keine eigenen Ideen, sondern zogen einfach nach. So wurde das Angebot der Destinationen und Hotels immer gleichförmiger, austauschbarer.

Investitionen, um besser, schöner oder größer zu sein, können kurzfristig einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Neue Infrastrukturen erwecken Aufmerksamkeit und Neugierde. Aber: Dieser Vorteil wird schnell verpuffen, sobald andere nachgezogen sind. Es muss also mehr passieren, als nur eine neue Liftanlage, einen neuen Mountainbike-Trail, eine neue Skipiste, ein größeres Spa oder einen neuen Infinity Pool zu eröffnen.

Bitte überprüfen Sie: Wie passen Ihre derzeitigen Angebote zu Ihrer Markenstrategie? Wo genau liegt ihre Spezifik? Die Hotels und Destinationen, die eine klare Positionierung erarbeitet haben, werden die Gewinner sein. Menschen buchen das, womit sie sich identifizieren.

Handlungsempfehlung: Sorgen Sie dafür, dass Ihr Angebot einen klar erkennbaren Fokus hat. Und sichern Sie die Qualität Ihres Angebots. Führen Sie dazu einen Check durch:

  • Leitprodukte: Welche Angebote üben eine besonders hohe Anziehungskraft auf Ihre Gäste aus?
  • All-Time-Favorites: Welche Angebote werden am häufigsten gebucht?
  • Nebenprodukte: Welche Ihrer Offerten sind wirklich relevant? Welche sind notwendig, weil sie erwartet werden? Auf welche könnten Sie verzichten, weil sie niemand vermissen würde – und nicht auf die Marke einzahlen?

Spezifizieren Sie die bedeutendsten Angebote und passen Sie diese an die aktuellen Gegebenheiten an.

3. Meiden Sie Durchschnittliches – es wird abgelehnt.

Urlaub wird für uns Menschen immer wertvoller. Wir mussten lange darauf verzichten und die Reiseoptionen sind nach wie vor begrenzt. Die Urlaubswahl treffen wir bewusster: Es soll besonders schön werden, aber natürlich auch sicher. Jeder Gast hat andere Sehnsüchte, aber Durchschnittliches und nur Günstiges wird künftig noch unattraktiver werden.

Was sind heutzutage die richtigen Anreize für die Gäste? Gesicherte Rückholung, Gratis-Corona-Tests, Extra Krankenhausbetten? Wer braucht aktuell Frühbucherrabatte? Was wollen die Menschen wirklich?

Handlungsempfehlung: Realisieren Sie mit exklusiven Angeboten Wertschätzung und Wertschöpfung. „Exklusiv" bedeutet in diesem Zusammenhang nicht Luxus, sondern eher das Besondere oder Reduzierte. Wenn Sie in Innenräumen und bei Veranstaltungen die Gästezahl minimieren müssen: Münzen Sie es um ins Positive. Machen Sie exklusive Kleingruppen-Events daraus oder zeitlich begrenzte Angebote. Und kümmern Sie sich darum, dass diese Angebote wahrgenommen werden.

4. Jetzt ist die richtige Zeit für Markenkommunikation.

Der passende Moment für Markenkommunikation ist gekommen, die Menschen sind aufmerksam. Jeder will raus, etwas erleben. Sie oder er kann vielleicht nicht mehr die gewohnten Urlaubsrituale pflegen oder liebgewonnene Orte besuchen. Das heißt: Die Menschen sind bereit, etwas Neues auszuprobieren. Jetzt ist die Chance für Destinationen und Hotels, um neue Zielgruppen zu erreichen.

Die Reisewilligen wollen sich etwas gönnen. Aber: Anstatt ins Flugzeug steigen viele in Bahn oder Auto. Die Ausschau nach neuen Urlaubszielen beginnt – und damit auch der Kampf um die Aufmerksamkeit um potenzielle Gäste.

Jetzt ist die richtige Zeit, um zu werben. Dabei gilt aber nicht: Wer am lautesten schreit, gewinnt. Darauf kommt es an: auf Ihre ganz besondere Botschaft, die Sie von anderen abhebt.

Nur wer differenziert kommuniziert, gewinnt die nötige Aufmerksamkeit. Beispiele:

    • Wenn Sie ein Plakat mit „Kuck Kuck" begrüßt, wissen Sie sofort: Das kann nur der Schwarzwald sein.
    • Alta Badia gelingt die Ansprache der Winterurlauber: Anstatt mit einem (austauschbaren) Bild aus Sonne, Schnee und glücklichen Skifahrern zu werben, setzt die Region auf ein weißes Kleid aus Schnee auf schwarzen Hintergrund, das zum Skigenuss mit italienischem Lifestyle einlädt.

Handlungsempfehlung: Verdeutlichen Sie Ihre klare Differenzierung über alle Kommunikationsstränge. Verlieren Sie sich nicht in austauschbaren Bildern und Botschaften. Die Spezifik Ihrer Destination muss in der Kommunikation klar erkennbar sein.

5. Achten Sie auf Details, seien Sie sensibel – an allen Kontaktpunkten.

Wenn wir bei BrandTrust vom Vermitteln von Spezifika sprechen, dann meinen wir nicht nur Ihre Kommunikation. Wir meinen das generell, denn es betrifft auch Ihre Kontaktpunkte. Dort wird Ihre Marke erlebbar: etwa an der Rezeption, im Zimmer, im Restaurant, am Parkplatz oder an der Liftstation.

An solchen Kontaktpunkten ist es jetzt wichtig, Sensibilität zu zeigen. Denn noch immer sind Reisewillige verunsichert, weil sie Schlagzeilen lesen wie:

  • „Reisen ist möglich – aber Urlaub vom Virus gibt es nicht"
  • „Corona Urlaub: In Deutschland bleiben oder doch ins Ausland reisen?"
  • „So kommen Sie trotz Corona sicher in den Urlaub"

Viele fragen sich deshalb, ob sie überhaupt reisen sollen, ob ihre Reise zustande kommt und ob sie den Urlaub vor Ort überhaupt genießen können. Aus diesem Grund sollten Sie an allen Kontaktpunkten Ihren Gästen die notwendige Sicherheit vermitteln.

Falkensteiner meisterte das vorbildlich: Die Hotelkette erstellte ein Video, das das Hygienekonzept vorstellt und betont darin, dass die Mitarbeiter dafür geschult sind. Das Video ist in vielen Sprachen verfügbar, denn Falkensteiner hat begriffen: Die Gäste vertrauen erst dann, wenn sie die Inhalte verstehen. In anderen Hotels werden die Frühstücksbuffets aufgewertet, indem kleine, vorportionierte Teller mit Müsli, Käse, Wurst und Obst angeboten werden – anstatt der großen Platten und Schüsseln, aus denen sich normalerweise alle bedienen.

Beim Management von Markenkontaktpunkten geht es nicht nur um Prozesse und Abläufe, damit alles reibungslos funktioniert. Das ist nur ein Teil der Gleichung. Der zweite Teil heißt Spezifik. Es geht darum, den Charakter der Marke spürbar zu machen. Das Besondere an der aktuellen Situation ist: Man muss im Management Prozesse, Spezifik und die aktuellen Corona-Bedingungen vereinen. Prozesse, die früher einwandfrei funktionierten, müssen an die neuen Gegebenheiten angepasst werden, ohne dass die Spezifik verloren geht.

Handlungsempfehlung: Beweisen Sie an allen relevanten Kontaktpunkten Sicherheit und Sensibilität. Seien Sie einfallsreich. In Serfaus-Fiss-Ladis kümmert sich zum Beispiel eine Covid-Taskforce um das Sicherheitskonzept für die Region, damit das Lachen glücklicher Kinder, Eltern und Großeltern die Berge wieder mit Leben erfüllt. Das Einfachste ist schon mal, die Stornierungsbedingungen und -fristen anzupassen, um den Gästen maximale Flexibilität zu bieten. (Die meisten Leistungsträger haben das bereits umgesetzt.)

Den Tourismus neu denken – drei Perspektiven

1. Nachhaltigkeit braucht Mut – aber das muss sein.

Bisher wird die Nachhaltigkeit im Tourismus eher stiefmütterlich behandelt. An große Themen wie dieses wagt man sich, so scheint es, nicht heran.

Wenn es einer Tourismusmarke jedoch gelingt, sich im Sinne der Nachhaltigkeit ganzheitlich aufzustellen, wird sie eine Vorreiterrolle einnehmen. Denn die Sensibilität für Nachhaltigkeit steigt unter den Gästen. Auch die Medien greifen das Thema immer öfter auf.

Regionen und Hotels setzen bislang eher auf einzelne Aspekte: Es gibt grüne Events, man verwendet lokale, umweltschonende Rohstoffe, vermeidet Müll und Plastik oder setzt auf lokal sinnvolle, innovative Stromgewinnung. Es gibt eine wachsende Nische mit Anbietern, die nachhaltige Unterkünfte anbieten und sich für sozial- und umweltgerechte Aktivitäten und Angebote engagieren.

Die bekannteste Möglichkeit ist, seine Reiseemissionen zu kompensieren. Wer zum Beispiel bei der Lufthansa ein Flug bucht, kann die verursachten Emissionen durch zwei Möglichkeiten ausgleichen: Wer mehr für sein Flugticket zahlt, sorgt dafür, dass Bäume zum Ausgleich gepflanzt werden oder „Sustainable Aviation Fuel" getankt wird.

Dieses Beispiel zeigt, dass wir momentan noch stark ans Kompensieren denken. Aber zu nachhaltigem Handeln gehören insgesamt drei Punkte:

  1. Kompensieren
  2. Reduzieren
  3. Vermeiden

Langfristig können wir im Tourismus nur etwas bewirken, wenn wir uns mit dem Vermeiden befassen. Wir müssen an den Ursachen ansetzen. Die aktuell größte Herausforderung sind derzeit die Menschenmassen. Man denke an die Müllberge am Mount Everest, die Schlangen an der Chinesischen Mauer und an den Andrang an der Kulturstätte Machu Picchu.

Um solche Herausforderungen zu lösen, braucht es mehr als die rein ökologische Sichtweise. Denn Nachhaltigkeit besteht aus einem Dreiklang: aus ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten. Allen dreien müssen Destinationen gerecht werden:

Ökologisch: Das betrifft vor allem die Infrastruktur vor Ort. Welche Infrastruktur ist künftig sinnvoll? Wie kann man diese gestalten, damit sie in Einklang mit der Natur ist? Es geht um die Größe, Lage, die Baustoffe, den Ressourcenverbrauch, das Ausmaß des Eingriffes in die Landschaft, die Art der Energienutzung, aber auch den Verkehr. Hier ist die entscheidende Frage: Welche Lösungen gibt es, um Besucherströme intelligent zu lenken? Ziel ist das Bewahren der Natur, immerhin ist sie die Grundlage für den Tourismus.

Ökonomisch: Hier geht es darum, die Wertschöpfung zu erhöhen, durch jeden Gast. Es soll mehr Geld in der Region bleiben – und damit bei den Menschen vor Ort. Der Tourismus sollte einen positiven Einfluss auf weitere Wirtschaftsbereiche haben, damit die lokale Wirtschaft insgesamt gestärkt wird. So können touristische und nicht touristische Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden. Eine Abwanderung aus der Region wird vermieden. Die touristischen Einkünfte können in die Infrastruktur vor Ort investiert werden, was sowohl den Einheimischen als auch den Touristen zugutekommt.

Sozial: Der Tourismus soll verträglich sein für die Einheimischen und die einheimische Kultur. Diese darf nicht zerstört, sondern muss langfristig gestärkt werden. Dazu gehören der Erhalt und die Förderung der regionalen Kultur und die Identifikation mit der Heimat. Das betrifft zum Beispiel Rituale, Sprache, Architektur, lokale Produkte. Einheimische sollen bei Entscheidungen eingebunden werden. Und auch Gäste sollen sich wohl fühlen und an der Kultur vor Ort teilhaben können.

Destinationen bekommen die Chance eines nachhaltigen Neustarts. Ihnen könnte es gelingen, sich von der Abhängigkeit der Masse zu befreien. Venedig ist gerade dabei, Konzepte zu entwickeln und zu realisieren, um die Stadt zu schützen. Die Besucherströme und der Erhalt der Altstadt sollen in Einklang gebracht werden. Der erste Schritt ist das überfällige Verbot von Kreuzfahrtschiffen.

Ja, für solche Schritte braucht es viel Mut: den Mut, nur die richtigen Gäste haben zu wollen – nicht möglichst viele.

2. Experimentieren ist besser als diskutieren.

In unserem Projekten beobachten wir immer wieder zweierlei: Zum einen gibt es eine große Angst davor, einen Flop zu produzieren. Etwa mit einer Kampagne, aber auch auf der Produkt- und Angebotsebene.

Zum anderen dominiert vielerorts noch der Hippo-Effekt (Highest Paid Person's Opinion). Nach endlosen Diskussionen sagt die wichtigste Person im Raum, was gemacht wird. Das ist eine Art eine Diskussion zu beenden – man kann aber auch eine andere Kultur verfolgen, die eine solche Diskussion obsolet macht: die Test-Learn-Adapt-Kultur.

Was sich in der Online-Welt längst etabliert hat, funktioniert auch im Tourismus: Probieren Sie Ideen einfach aus, diskutieren Sie diese nicht tot. Experimentieren Sie an den Touchpoints mit A/B-Tests, um zu sehen, welche Variante bei den Gästen am besten ankommt. Oder ob eine Idee funktioniert, ohne Schaden anzurichten. Mit diesen Ergebnissen können Sie gute Entscheidungen fällen – und Sie haben im Zweifel gute Argumente gegen Hippo-Beschlüsse.

Wir möchten Sie ermuntern, die Test-Learn-Adapt-Kultur zu etablieren und direkt umzusetzen. Starten sie gleich am Montag mit einer Maßnahme und kultivieren Sie in Ihrer Destination oder Betrieb die Lust am Experimentieren.

Falkensteiner hat das nach dem Lockdown so gemacht. Die Österreicher haben einfach Taxis gesponsert. Mit einer Taxifahrt konnte der Fahrgast einen Urlaub in einem Falkensteiner-Hotel gewinnen. Das Risiko war gering, dafür die Lust groß, neue Wege in der Ansprache zu gehen.

3. Adieu, Selbstsucht – wir brauchen mehr Gemeinschaft

Jeder kennt sie, die Politiker, die nur ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen. Die Destination und deren Zukunft geraten dabei ins Hintertreffen. Doch die Corona-Krise hat unter allen Akteuren im Tourismus eine neue Denkweise entstehen lassen: Aus Kirchturmdenken wurde plötzlich Gemeinschaft und Zusammenhalt. Trotz des „Social Distancing" kam man sich näher als zuvor.

Viele Politiker hingegen haben sich in der Zeit mit wechselnden Meinungen unglaubwürdig gemacht. Zuerst hieß es „Wer zuhause bleibt, rettet Leben!", danach „Jetzt unterschreiben: Coronawahnsinn.at". In nur wenigen Wochen wechselten sie von einem Extrem ins andere.

Aber jetzt ist nicht die Zeit für leere Phrasen. Jetzt ist die Zeit für Strategie! Die Corona-Zeit läutete das Comeback der Strategen ein, denn viele haben die Krisenzeit genutzt, um sich weiterzuentwickeln oder einen Refresh zu initiieren. Sie haben ihre Strategie auf den Punkt gebracht.

Es geht jetzt nicht darum, bestehende Strategien zu hinterfragen, sondern sie relevanter zu machen. Sie braucht einen klaren Fokus. Das können Werte oder Themen sein, die Sie an den Touchpoints und in Kampagnen verstärkt zur Geltung bringen.

In manchen Destinationen ist die Zusammenarbeit gescheitert, weil man sich nicht auf einen gemeinsamen Hashtag einigen konnte. Die meisten haben aber verstanden, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, um gemeinsam zu agieren und taktische Maßnahmen zu ergreifen, die auf diese Strategie einzahlen.

So ist in Hamburg die „#dufehlst-Kampagne" entstanden. Leidenschaftliche Hoteliers haben unter dem Hashtag #dufehlst in kleinen Videobotschaften den Gästen gesagt, wie lebenswert sie die Stadt und die Hotels machen, dass sie fehlen. Falkensteiner hat mit Partnern etwas für das Südtiroler Sanitätspersonal getan: Es wurde zu einem Gratis-Wochenende in einem Falkensteiner-Hotel in Südtirol eingeladen, als Dankeschön für ihren Einsatz.

Hier sehen wir einen wesentlichen Erfolgsfaktor für den Tourismus der Zukunft: Es kommt darauf an, gemeinsam zu agieren statt gegeneinander.

Möchten Sie Grundlegendes über die Markenführung für Destinationen lesen? Dann empfehlen wir Ihnen unser Whitepaper: „Diese 5 Erfolgsfaktoren machen Destinationen attraktiv und anziehend". Wir zeigen Ihnen, wie Ihre Destinationsmarke aus dem Meer des ewig Gleichen herausragen kann und worauf Sie achten müssen.

Haben Sie Fragen oder Anregungen zu diesem Artikel? Wir freuen uns auf Ihre E-Mail.

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