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Banken und Corona-Krise

21. September 2020

Banken: So gelingt der Start in eine neuartige Zukunft

Die Bankenbranche wird nach überstandener Corona-Krise nicht mehr die Gleiche sein, vieles ändert sich rasant. Auf diese 5 Punkte müssen etablierte Banken besonders achten.

Das ist der Traum vieler etablierter Banken: dass ihr Geschäft bald wieder so funktionieren möge wie vor dem Ausbruch des Corona-Virus. Dieses Festhalten am Gestern ist aber keine Option. Stattdessen müssen sich Bankenmarken auf starke Veränderungen vorbereiten, die man durchaus als tektonische Verschiebung bezeichnen kann.

In der Corona-Krise erlebte die Digitalisierung eine Dynamik, wie sie für Europa kaum vorstellbar war. So entstand eine Fülle an gewaltigen Chancen, auch für Banken. Nur ein Beispiel: Weil die Filialen zu Beginn der Krise nicht öffnen durften, haben viele Kunden das Onlinebanking ausprobiert – und Gefallen daran gefunden. Ein Traum wurde wahr für jeden kostenbewussten Bankmanager.

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Darauf müssen Banken achten, wenn sie die Chancen für sich nutzen wollen:

  1. Begeisternde Kundenerlebnisse: Bitte nicht den FinTechs überlassen!
  2. Niedrigzinsen dürfen der Marke nicht schaden
  3. Lassen Sie sich vom Regulierungswahn nicht die Customer Experience zerstören
  4. Nutzen Sie den Trend des Impact Brandings
  5. Setzen Sie Kostenziele klug genug um, damit „neue Nähe" entsteht

1. Begeisternde Kundenerlebnisse: Bitte nicht den FinTechs überlassen!

Etliche Banken betreiben mindestens ein Projekt, das ihnen beim Verstehen der Kundenbedürfnisse helfen soll. Das ist gut und wichtig, aber die Ergebnisse sind oft ernüchternd. Warum? Weil meist nicht der Kundennutzen im Vordergrund steht, sondern die Ertragsrechnung des Controllers.

Ein Beispiel: Viele junge Bankkunden wünschen sich eine simple, gut gestaltete App. Stattdessen wird ihnen eine lieblose Durchschnitts-App serviert, bei der sich offensichtlich niemand Gedanken darüber gemacht hat, wie viele Klicks für einen Dauerauftrag nötig sind. Solche Banken handeln nach der veralteten Devise: Wir bieten vor allem Sicherheit – wer das schätzt, der nimmt unsere App, wie sie ist.

Genau hier liegt der Denkfehler. Vor allem die Generationen Y und Z haben kein Sicherheitsbedürfnis in krisenlosen Zeiten. Sie bevorzugen Bankmarken, die ihnen das lästige Banking leicht machen. Also wandern sie mit ihrem Hauptkonto ab zu Newcomern wie N26, tomorrow und revolut. Wie ist es sonst zu erklären, dass allein N26 über 5 Millionen Kunden hat?

Die FinTechs verstehen es in der Regel, vom Kunden und seinen Pain Points her zu denken. Das gilt trotz der problematischen Vorfälle, von denen man ab und an hört (etwa das Erlebnis eines N26-Kunden, der einen fünfstelligen Betrag auf seinem Konto vermisste, aber partout keinen Mitarbeiter ans Telefon bekam).

Die Stärke von Marken beruht darauf, dass sie ein Problem erkennen und mit Spitzenleistungen lösen. Hier haben die FinTechs – was die Privatkunden angeht – aktuell die Nase vorne.

Immer wieder hört man Schauergeschichten über das volldigitale Zeitalter, in dem keiner mehr etablierte Banken braucht. Dieses wird aber so schnell nicht kommen – schon allein, weil das Firmenkundengeschäft boomt. In der Anfangszeit der Corona-Krise gab es einen „Run" in die Hausbanken, weil sie für das Verteilen der staatlichen Hilfsgelder zuständig waren.

Leider haben viele Banken diese unverhofft entstandene Möglichkeit nicht genutzt: Sie wäre ideal gewesen, um das Vertrauensverhältnis zu den Firmenkunden zu erneuern. Stattdessen hörte ich Aussagen wie: „Also, auf den Run waren wir nicht vorbereitet. Den müssen wir jetzt erst einmal verdauen und abarbeiten. Wir sind froh, wenn das wieder vorbei ist."

Was für eine Chance hier vergeben wurde! Warum haben die Banken ihren Firmenkunden nicht gezeigt, dass sie im Mittelpunkt stehen? Dass sie diese, in dieser wirklich schwierigen Zeit, mit Liquiditätssicherung & Co. voll unterstützen? Es ist schwer zu glauben!

Auch bei den Privatkunden gilt: Sie dürfen nicht länger stiefmütterlich behandelt werden. Das gilt vor allem für die Jungen, die noch kein Haus finanziert und keine Strategie zur Geldanlage haben. Kunden, die sich an das Online- und Mobile-Banking herangewagt haben, nutzen diese Kontaktpunkte nur auf Dauer, wenn sie sich dort wertgeschätzt fühlen – wie in der Filiale.

Die Nutzerzahlen in Corona-Zeiten sind das beste Argument dafür, dass es sich lohnt, in das digitale Markenerlebnis zu investieren. Diese Chance sollten CTOs und Technologieverantwortliche nutzen – so eine Chance kommt nicht jedes Jahr.

2. Niedrigzinsen dürfen der Marke nicht schaden

Eine der größten Bedrohungen für die Markenattraktivität ist, wie Banken mit dem Niedrigzins umgehen. Ohne Frage ist das eine unschöne Sache, weil das Geschäftsmodell der vergangenen Jahrzehnte nicht mehr funktioniert. Geld für 3 % leihen und für 6 % wieder verleihen – bei einem Leitzins um die 0 % ist das nicht mehr möglich.

Darum ist die Suche nach neuen Einnahmequellen wichtig, sogar Pflicht für alle Bankvorstände. Es gibt hier erfreuliche unternehmerische Ansätze, die von Erfolg gekrönt sind. Zum Beispiel bei einer Volksbank, die sich schon in den 2000er Jahren zum Immobilienentwickler gewandelt hat und so von den gewaltigen Geschäftschancen in diesem Sektor profitiert – und im Gegenzug die Niedrigzinsen sogar für sich genutzt hat. Chapeau!

Die weitaus häufigere Reaktion ist diese: Banken erhöhen die Gebühren, vor allem bei den Girokonten. Weil das oft ohne eine zusätzliche Leistung geschieht, ist der Aufschrei groß – und das zurecht. Dass viele Kunden ihre Bank trotzdem nicht verlassen, mag an ihrer Wechselfaulheit liegen. Auf jeden Fall ist diese Passivität ein Glück für viele Institute.

Das ist das eigentliche Drama: Wir sind Zeugen, wie Banken durch selbstbezogenes Verhalten ihre Marken schwächen und schädigen. Weil sie den simplen Weg gewählt haben – die Beitragserhöhung – und die Kunden diese weder für wertstiftend noch für angemessen halten. Ich wünsche mir hier mehr unternehmerische Kreativität. Einige machen es vor – es sind aber, nach meinem Geschmack, viel zu wenige.

Dass die Niedrigzinsen nicht so schnell verschwinden werden, ist klar angesichts der gegenwärtigen Corona-Fiskalpolitik. Hoffentlich werden Bankenmarken die Chancen nutzen, die im „Wiederaufbau" (BIP-Zuwachsprognosen von 5 % Plus für Deutschland für 2021) liegen. Wenn nicht, sollten diese ernsthaft überlegen, ob das Privatkundengeschäft noch sinnvoll ist. Oder ob sie sich lieber auf Firmenkunden konzentrieren sollten, weil man dort Gebühren und Kosten besser rechtfertigen und mit Leistung begründen kann.

Das Fokussieren auf nur ein Geschäft – auch das ist eine Chance der Corona-Zeit. Diese kann ein Katalysator für diese wichtige Entscheidung sein (zumindest für jene Institute, die nicht rahmenrechtlich verpflichtet sind, Privatkundenleistungen anzubieten).

3. Lassen Sie sich vom Regulierungswahn nicht die Customer Experience zerstören

„An dem Kontaktpunkt können wir nichts verbessern. Das ist alles von der Bafin vorgegeben." Wenn ich diesen Satz nicht mindestens einmal im Monat höre, ist es ein besonderer Monat. Klar, es ist was Wahres dran. Es ist beispiellos, was die Bankenbranche wegen der Finanzkrise 2008/2009 an Regularien auferlegt bekam. Nur: Es ist falsch, sich devot alle Erlebnisse, mit denen man seine Kunden begeistern könnte, kaputt machen zu lassen.

Mein Lieblingsbeispiel: die Papierschlachten, die Kunden erleben müssen, wenn sie ein Kreditangebot einholen. Sie werden überhäuft mit unverständlichen und lieblos designten AGBs, DSGVO-Unterlagen und vielem mehr. Diese zu lesen ist meist eine Qual.

Meiner Erfahrung nach schaffen es Hausjuristen immer, die Seitenzahl zu verringern, indem sie die Standardformulierungen nicht übernehmen. Manchmal reicht schon ein beigelegter kurzer Text, der erklärt, was alles anbei zu finden ist, warum diese Unterlagen wichtig sind und dass die Bank hier ihren rechtlichen Pflichten nachkommt. Das klingt einfach, scheitert aber oft am fehlenden Willen, den Kunden ein gutes Erlebnis zu bieten – sofern man den Erfolg nicht direkt messen kann.

Das ist nur einer von in der Regel 150 bis 180 Kontaktpunkten, die jede Bankmarke beherrschen sollte. Warum? Damit das entsteht, was sich ein Bankvorstand oft als Ziel setzt: eine vieljährige Kundenreise, die Loyalität und Weiterempfehlung erzeugt.

Natürlich ist es eine Kraftanstrengung, alles an der Marke auszurichten – vom Online-Banking über die Filiale bis zur Website. Dass sich das lohnt, zeigt die Direktbank ING. Sie entschloss sich, die kundenzentrierteste Retailbank sein zu wollen. Diese Positionierung ließ sie stark wachsen. Außerdem brachte dieser Vorsatz intern – fast nebenbei und geräuschlos – das agile Arbeiten voran. Dieses ist wichtig, weil sich Kundenwünsche schnell ändern. Nur wenn es wahrhaft agile Strukturen gibt, die im Unternehmen wirklich gelebt werden, kann eine Bank angemessen und zeitnah reagieren.

Die meisten Kunden empfinden Banking als lästig. Darum schätzen sie Geldhäuser, die sich klug darum bemühen, dieses vereinfachen. Die Weiterempfehlungsrate (Net Promoter Score) der ING zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie positiv das bei den Menschen ankommt.

4. Nutzen Sie den Trend des Impact Brandings

Ein Trend, der gerade entsteht, ist das Impact Branding im Bankengeschäft. Wie so viele Impulse für Finanzmarken, kommt auch dieser von der Wall Street. Impact Brands werden geführt, um unsere Gesellschaft zum Positiven zu verändern.

Zu Jahresbeginn 2020 gab es einen bemerkenswerten Kommentar von Blackrock-CEO Larry Fink in seinem fast schon legendären „Annual Letter": „I believe we are on the edge of a fundamental reshaping of finance." Fink bezieht sich auf die Nachhaltigkeit in allen Unternehmensbereichen. Sein Zitat ist als Ruf nach mehr Verantwortungsübernahme zu verstehen, ausgehend von einer der mächtigsten Finanzmarken der Welt.

Auch die Kunden machen Druck. Unsere Impact-Brand-Studie (Juli 2020) zeigt: Die Menschen sind bei Finanzgeschäften mit Impact Banks bereit, auf Rendite zu verzichten, wenn sie Gutes bewirken in unserer Welt. Es scheint eine besondere Anziehungskraft von dieser Idee auszugehen.

Das zeigt sich auch bei der Attraktivität ausgewählter Bankmarken: Die etablierten „Großen" wie UBS und Commerzbank sind zwar bekannt, nur werden sie in puncto Begehrlichkeit von Marken wie der GLS Bank und der Alternativen Bank Schweiz überflügelt, weil sich diese wesentlich stärker für mehr Nachhaltigkeit einsetzen. Solche Banken sind zwar (noch) nicht in der breiten Öffentlichkeit bekannt – aber diejenigen, die sie kennen, nehmen sie als hochattraktiv wahr.

Wegen der Corona-Einschränkungen hatten viele Menschen Zeit, sich mit Themen wie nachhaltigem Leben zu beschäftigen. Es ist wahrscheinlich, dass die Beliebtheitswerte des Impact Brandings weiter steigen.

Aufstrebende FinTechs wie tomorrow (der vielsagende Claim: „Banking darf nicht die Welt kosten") partizipieren klug an dieser Entwicklung. Auch etablierte Banken können davon profitieren. Die Vorboten der kommenden Veränderung sind deutlich zu erkennen, sie wurden durch Corona sogar noch verstärkt.

Die gute Nachricht: Es ist noch nicht zu spät, um mit Marke und Geschäftsmodell glaubwürdig zu reagieren.

Beileibe nicht jede Marke muss eine Impact Brand werden. Was aber eine jede zeigen muss: Dass sie eine CSR-Brand oder gar eine Good Brand ist – nicht nur auf dem Papier, sondern indem die gesamte Organisation danach handelt. Wer inkonsequent ist, wird demaskiert (etwa auf TrustPilot.de).

5. Setzen Sie Kostenziele klug genug um, damit „neue Nähe" entsteht

Ein Damoklesschwert, das über vielen Bankmarken hängt, ist der Kostensenkungsdruck. Wegen der Melange aus Niedrigzinsen, Aufwand für gewachsene Regulatorik und Wettbewerbsdruck setzen sie alles daran, die Kosten klein zu bekommen (auch schon vor Corona).

Das Filialsterben macht das besonders sichtbar: Viele Filialen gibt es nicht mehr oder sind nur noch abgespeckte SB-Stellen. Von über 40.000 Geschäftsstellen (2009) sind zehn Jahre später nur noch rund 28.000 übrig. Das ist ein Minus von mehr als 30 %. In der Corona-Zeit hat sich die Entwicklung weiter beschleunigt, getreu der Idee: Die Filiale mussten wir im Lock Down schließen – und so richtig beschwert hat sich sowieso keiner.

Sogar bei den Sparkassen und Volksbanken Raiffeisenbanken – immerhin leben sie von der Erreichbarkeit in jedem mittelgroßen Dorf – war das zu erkennen. Die Corona-Krise war zwar kein schlechter Zeitpunkt für solche Veränderungen gewesen, allerdings lief das Ganze oft reichlich intransparent ab. Die Kunden bekommen kaum Hilfestellung, außer Ratschlägen wie: Besuchen Sie doch die Filiale zwei Orte weiter oder nutzen Sie den Online-Service.

Gerade wegen der mangelnden Empathie ist zu befürchten, dass diese Maßnahmen Schaden an der Marke anrichten. Weil es auf diesem Wege nicht gelingen kann, die verlorene physische Nähe durch eine „neue Nähe" zu ersetzen. Die Nahbarkeit, die im zwischenmenschlichen Kontakt entsteht, muss auch im digitalen Angebot spürbar sein.

Das ist nicht trivial, weil man dazu die Technik einsetzen muss, die per se erstmal herzlos und kalt ist. Doch auch hier hilft der Blick auf einige FinTechs, die mit soliden, auskunftsfähigen Chatbots einen menschlich anmutenden Kontaktpunkt schaffen.

Auch der Blick in andere Branchen (Uber, Airbnb) zeigt: Ein Kunde kann sich gut aufgehoben fühlen, ohne einen einzigen klassischen menschlichen Kontakt gehabt zu haben. Fakt ist auch: Eine solche gelungene „Zero Distance" gibt es nicht ohne Anstrengung. Sie wird – durch Corona beschleunigt – ein Schlüssel der Zukunftsfähigkeit sein. Schließlich waren Banken ihren Kunden noch nie näher als heute: Sie könnte via Smartphone immer mit dabei sein.

Carpe Corona!

Ein Vorstand vertraute mir 2018 seinen Wunsch für seine Bank an: „Die 2010er-Jahre waren das Jahrzehnt der Regulierung. Ich hoffe, die 2020er Jahre werden das Jahrzehnt der Kundenorientierung." Das hoffte ich damals mit ihm – und das hoffe ich noch heute.

Viele etablierte Banken hätten großes Potenzial, aber sie nutzen es nicht. Sie zehren vom Kundenvertrauen, das sie viele Jahrzehnte aufgebaut haben. Sie vergessen aber, ihre eigene Geschwindigkeit dem hohen Tempo des Wandels anzupassen. In der Corona-Krise – und in der Zeit danach – könnten sie aufholen und ihre Kundenbindung ins 21. Jahrhundert übertragen. Dabei geht es nicht um rein digitale Lösungen, sondern um deren kluge Kombination mit der „neuen Nähe". Bankenmarken muss es gelingen, neue emotionale Bande zu knüpfen.

Weitere Insights zu dem Thema erfahren Sie beim Webinar "Chance statt Schwarzmalerei: Wie Banken und Versicherungen in Zeiten von Corona Marketing und Brand Experience verbessern können – und das ohne zusätzliches Budget" mit Senior Brand Consultant Sebastian Schäfer und Brand Consultant Stephanie Hofer. Schauen Sie sich hier die Aufzeichnung an.

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