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11. November 2019

Unternehmens­übernahmen: Eine kluge Marken­integration bringt Erfolg

Abstract

Das ist der 2. Teil einer dreiteiligen Artikelreihe, in der die Autoren Prof. Dr. Christopher Kummer und Benedikt Streb die Businesswelten M&A und Markenführung kombinieren. Ihr Ziel: der Marke in M&A den Platz zu geben, den sie verdient. Warum? Weil sie das Risiko von Unternehmenstransaktionen systematisch reduziert, mehr Synergien freisetzt und das Wertschöpfungspotential besser ausschöpft. Das Porträt Prof. Dr. Christopher Kummers finden Sie am Ende des Beitrags.

Allzu häufig scheitern Post-Merger-Integrationen, weil die Marke nicht angemessen integriert und als Change-Managementtool genutzt wird. Wir nennen die 5 wichtigsten Schlüsselfaktoren, mit denen eine PMI unter Einsatz der Marke gelingt.

Sobald eine Transaktion abgeschlossen ist, folgt die Stunde der Wahrheit: Nun muss sich zeigen, ob die erhofften Vorteile, die man sich von der Fusion versprochen hat, tatsächlich Realität werden. Leider sind die Erfolgsausschichten eher bescheiden: Über 50 % der Zusammenschlüsse vernichten Wert. Zwei von drei Unternehmen verlieren bereits im 1. Quartal Marktanteile, 90 % nach dem 3. Quartal. 50 bis 80 % erreichen nach 1,5 Jahren ihre gesteckten Ziele nicht.

Die Gründe für dieses häufige Scheitern sind vielfältig. Das Kernproblem ist aus unserer Sicht: Die Marke wird während der Post-Merger-Integration (PMI) meist vernachlässigt, obwohl sie eine der wichtigsten Schlüsselfaktoren ist.

Die Hypothese: Eine fehlerhafte Markenintegration führt zum Misserfolg einer PMI. Dieser Mangel sorgt bei Merger & Aquisition (M&A) dafür, dass Projekte unter den Erwartungen bleiben – oder sogar gänzlich scheitern, weil die geplanten Synergien nicht realisiert werden können. Oder, schlimmer noch, Dissynergien entstehen.

5 goldene Regeln der Markenintegration

Woran liegt das? Viele Topentscheider wie Finanz- und Paragraphenexperten haben ein eher eingeschränktes Markenverständnis: Sie befassen sich lediglich mit der kommunikativen Oberfläche, also mit dem Markennamen, dem Logo oder Claim. Mit dieser engen Sicht auf die Marke ist das Scheitern von M&A programmiert.

Darum ein kurzer Exkurs: Was ist eine Marke? Sie beschreibt und „markiert" eine Leistung durch Stilelemente, um die Herkunft zu vermitteln. Dieses Branding gibt Kunden, Investoren und Mitarbeitern Orientierung und ruft spezifische Vorurteile hervor. Es entstehen Vertrauen, Abgrenzung, Relevanz und Loyalität. Die Marke agiert letztendlich als Werttreiber und kann als strategisches Managementsystem eingesetzt werden. In Märkten des Überflusses gewinnt die Markenwertschöpfung und ihr Potential an Bedeutung.

Unternehmen planen mit Transaktionen ihre Zukunft, gefährden jedoch durch Markenzensur ihre Erfolgsaussichten. Deshalb lauten die 5 goldenen Regeln bei M&A-Projekten aus Markensicht:

  1. Bekannt ist nicht begehrt: Evaluieren Sie nicht die Bekanntheit, sondern die Markenattraktivität (Due Diligence) und honorieren sie diese (Purchase-Premium).
  2. „Wie?" schlägt „Wie viel?": Das Wissen über die Marke als Attraktivitäts- und Werttreiber sowie über ihr Wertschöpfungspotential – also das Wissen über das „Wie?" – sichert Synergien und minimiert das Transaktionsrisiko.
  3. Marke ist ein Change-Managementsystem und kein einzelner Workstream: Beziehen Sie die Marke in alle Phasen des M&A-Projekts systematisch mit ein – von der Strategie über das Transaktionsmanagement bis zur PMI sowie Synergie- und Projektmanagement.
  4. Markenintegration bedeutet Kulturtransformation: Gestalten Sie mit der Marke die Identität des Zielunternehmens. Machen Sie alle zu stolzen Markenbotschaftern, die hinter einer gemeinsamen Zukunftsidee stehen.
  5. Ein bisschen Marke geht nicht: Eine Marke kann weder nebenher („Das können wir auch") noch nur ein bisschen („Wir müssten mal wieder etwas für unsere Marke tun") gemanagt werden. Der zentrale Werttreiber verlangt spezielle Fähigkeiten.

Integration der Marke versus Markenintegration

Die Zusammenführung ist ein komplexer, langer und auch emotionaler Prozess. In dieser Zeit sehnen sich die beteiligten Menschen nach Klarheit, Orientierung, Bedeutung – und zwar jenseits des Geldes und Guidance.

Leider sind viele Integrationsstrategien und -prozesse vom Gegenteil geprägt: von Managementsprache, strategischen Anweisungen, abstrakten Zielen, Zahlen sowie generischen Aussagen. Das Resultat: Blockade statt Commitment. Als Folge verzögert sich die Integration, die Kosten steigen, Synergien bleiben aus und das Vertrauen der Key-Stakeholder schwindet.

Wenn Sie die Marke als Change-Managementsystem nutzen, erreichen Sie die entscheidenden Personen und die kritische Masse ab Tag 1. Sie überzeugen die Gefolgschaft und vermeiden Widerstand.

Auf diese 5 Schlüsselfaktoren kommt es an:

1. Schlüsselfaktor: Der Wissenstransfer beim Übergang von M&A zu PMI

Sie brauchen keine kreative Wunschvorstellung, sondern eine substantiierte, auf die Unternehmensziele abgestimmte Markenstrategie, die alle Schlüsselinformationen berücksichtigt, die für den Integrationsprozess entscheidend sind. Hier wirkt der Markenkern – als Verdichtung der unternehmerischen Spitzenleistungen und Ausdruck der Kernkompetenzen.
Die Markenpositionierung fasst jene Leistungen zusammen, die das Unternehmen von der Konkurrenz abgrenzen soll. Außerdem deckt sie die Wettbewerbsvorteile und Attraktivitätstreiber auf. Die markenspezifischen Werttreiber sind zu identifizieren, um den Umsatz zu sichern, Mitarbeiter zu binden und die Wachstumspotentiale schnellstmöglich zu heben.

2. Schlüsselfaktor: Entscheider-Alignment und Synchronisation

Die Marke ist ein Orientierungs- und Beteiligungssystem, das motiviert und klare Grenzen setzt. Die Markenbotschaft gibt einem Unternehmen Bedeutung jenseits des Geldverdienens, jeder leistet einen konkreten Beitrag. Profitables Wachstum resultiert aus markenkonformem Verhalten.

Die „Brand M&A Story" stellt einen Bezug zwischen Transaktion und Zielbild her. Sie steigert die Akzeptanz bei Führungskräften und Mitarbeitern beider Unternehmen. Kunden und Investoren schöpfen Vertrauen. Das drückt sich aus in der Nachfrage- und Stock-Price-Entwicklung. Sie vermeidet Misstrauen in die Übernahme, wie es bei Monsanto/Bayer der Fall ist oder bei Versace/Michael Kors. Im Target-Unternehmen bekommen die Menschen nicht den Eindruck, Mitarbeiter der 2. Klasse zu sein (Lufthansa/AirBerlin versus Deutsche Bank/Postbank).

Mit einer klaren Positionierung und einer spezifischen Value Proposition richtet sich die gesamte Energie der Unternehmen – wie beim Lupeneffekt – auf ein Ziel aus. Jeder Workstream kennt das Ziel und leistet mit seinem wertekonformen Verhalten einen Beitrag. Von Beginn an entsteht ein Wirgefühl, mit überzeugendem Beteiligungsmotiv und inspirierendem Handlungsrahmen.

3. Schlüsselfaktor: Erst die Pflicht, dann die Kür

Mit jeder PMI geht eine Vielzahl an Veränderungen einher. Zugleich erwarten Kunden das gewohnte Markenerlebnis. Deshalb gehört das systematische Management der Markenwahrnehmung entlang der verschiedenen Kundenreisen zur Top-Managementaufgabe mit Top-Priorität. Das ist eine Herkulesaufgabe, weil es darum geht, ein beständiges und spezifisches Erlebnis an den diversen Kontaktpunkten für Kunden, Mitarbeiter, Investoren & Co. sicherzustellen. Es ist weit mehr als die übliche Unternehmenskommunikation.

Der Wettbewerb wartet in dieser turbulenten Zeit nur auf Fehler, um Kunden wie Mitarbeiter zu verführen. Eine Experience Journey, die pro Persona entwickelt wird, deckt solche Momente der Wahrheit auf. Das Management der Kontaktpunkte kann prüfen, ob das Soll-Markenerlebnis entsteht. Führungskräfte übernehmen die Verantwortung für ihre Kontaktpunkte und die Mitarbeiter machen die Marke mithilfe einfacher Regeln von innen heraus erlebbar.

Ergo sorgt die Marke für Transparenz in komplexen Zeiten und stellt eine verbindliche Umsetzung sicher. Die Markenattraktivität steigt, was wiederum auf die Wettbewerbsfähigkeit und Business Performance einzahlt.

4. Schlüsselfaktor: „Power Point Dollar" oder „Net Realized Synergies"

In gesättigten Märkten entscheidet die Attraktivität der Marke – verglichen mit dem Wettbewerb – den Top-Line-Growth wesentlich. Die Frage ist, ob durch die Fusion das Value-Premium der Marken bewahrt oder sogar ausgebaut werden kann. Eine attraktive Marke verbessert die Margin, stimuliert den Cashflow und steigert die Loyalität bei Key-Stakeholdern.

Die Markenwahrnehmung beeinflusst nicht nur das Kundenverhalten: Strategische Partner akzeptieren andere Konditionen und Starinvestoren wie Warren Buffet werden angezogen. Ergo besteht eine direkte Beziehung zwischen Markenmanagement und den erwarteten Marktsynergien.

Auch der Einfluss der Marke auf die Kostensynergien ist nicht zu unterschätzen. Sind die Kosten für ein Rebranding oder den Markenaufbau einkalkuliert und der Einfluss auf den Mitarbeiterstolz und damit auf die Personalkosten berücksichtigt?

5. Schlüsselfaktor: Die Vorbereitung und Mobilisierung der Organisation

Jede Transaktion ist zunächst ein „gefühlter" Verlust, gefolgt von einer Orientierungslosigkeit, bevor die Realität des Wandels akzeptiert wird. Die Marke stiftet vom Start weg Bedeutung, gibt Klarheit und Orientierung. Sie sorgt für Motivation übernimmt die Rolle als „helfende Hand" im Wandel.

Mit einem Markenbotschafter-Programm werden ausgewählte Mitarbeiter aus allen Bereichen zu agilen Change-Agents ausgebildet. In Folge werden Mitarbeiter zu Wissensvermittlern, Kulturbotschaftern und Kontaktpunktspezialisten. Führungskräfte werden in ihrer Vorbildrolle gestärkt und stellen das Soll-Markenerlebnis in Führungssituationen und an Kontaktpunkten sicher. Brand Experience Journeys machen das Erlebnis an den Kontaktpunkten transparent. Kombiniert mit dem Kontaktpunktmanagementsystem sorgen sie für eine verbindliche Umsetzung. Eine begleitende Brand Communication sorgt intern wie extern für eine positive Stimmung.

Marken schaffen Bedeutung in der PMI

Wenn die Marke als Change-Managementsystem zum Einsatz kommt, wird die Integrationsphase zum Joint Ownership mit inspirierendem Beteiligungsmotiv und einer gemeinsamen Identität. Die Bereitschaft, sich zu beteiligen, steigt und der Silo-Bildung wird entgegengewirkt. Jeder – vom Vorstand über die Führungskraft bis zum Mitarbeiter – weiß, was zu tun ist, um die Besonderheit des Zielunternehmens von innen heraus an allen Kontaktpunkten erlebbar zu machen und das Gegenüber zu überzeugen.

PMI mit der Marke als Managementsystem bedeutet:

  • mehr Klarheit und Orientierung – und somit Sicherheit und Effizienz bei strategischen Entscheidungen sowie im operativen Alltag,
  • mehr Akzeptanz und Commitment bei Führungskräften wie Mitarbeitern auf beiden Seiten,
  • ein gemeinsamer Handlungsspielraum mit klaren Grenzen für alle (Markenkern), ausgerichtet auf ein gemeinsames Ziel (Markenpositionierung) mit emotionaler Bedeutung,
  • mehr Beständigkeit und zugleich Spezifik an den internen wie externen Kontaktpunkten – für verschiedene Stakeholdergruppen entlang deren Brand Experience Journeys,
  • mehr Beteiligung und Kompetenz auf unterschiedlichen Ebenen und in allen Bereichen, zum Beispiel durch die Markenbotschafter (Mobilisierung und Befähigung einer Organisation),
  • weniger Komplexität und einheitliches System zur Umsetzung für alle,
  • mehr „Wir" anstatt „Die"; mehr Eigenverantwortung und Einladung zur aktiven Mitgestaltung der Unternehmensentwicklung von Anfang an.

Sie sehen: Die Marke ist ein Werttreiber und Change-Managementsystem, das Sie nicht vernachlässigen dürfen. Sie entscheidet über den Ausgang eines M&A-Projekts – und somit häufig über die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens.

Dieser Betrag entstand in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Christopher Kummer. Er ist Gründer und Präsident des Institutes for Mergers, Acquisitions and Alliances (IMAA), einem Think Tank für M&A. Außerdem ist er Professor für Strategie und Finanzen an verschiedenen Business Schools. Der Think Tank begleitet Unternehmen und Professionals beim Aufbau und Verbessern der M&A Fähigkeiten. Neben seiner akademischen Laufbahn war Prof. Kummer in verschiedenen Unternehmen und Transaktionen involviert. Er absolvierte sein Studium in Strategie & Organisation an der Universität-HSG St. Gallen und promovierte an der Technischen Universität Berlin.

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Benedikt Streb

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