Abstract
Das ist der letzte Teil einer dreiteiligen Artikelreihe, in der Prof. Dr. Christopher Kummer und Benedikt Streb die Businesswelten M&A und Markenführung kombinieren. Ihr Ziel: der Marke in M&A den Platz zu geben, den sie verdient. Warum? Weil sie das Risiko von Unternehmenstransaktionen systematisch reduziert, mehr Synergien freisetzt und das Wertschöpfungspotential besser ausschöpft.
Hart, aber wahr: So manche Transaktion hat einen bis dato erfolgreichen Käufer ins Verderben gestürzt. Darum ist die Qualität und Vollständigkeit der Due Diligence (DD), mit dem das Zielunternehmen unter die Lupe genommen wird, so bedeutend. Sie dient zum einen dazu, das Risiko einer Transaktion zu identifizieren. Zum anderen werden mit ihr Synergien ausgekundschaftet und bewertet. Eine solche Analyse entscheidet demnach über das „Ja" oder „Nein" einer Unternehmensübernahme. Außerdem bestimmt sie nach einem „Ja" mit, auf welche Weise die Post-Merger-Integration (PMI) stattfindet.
Obwohl hierbei immer mehr Erfahrungen gemacht werden, bleibt die Mergers&Aquisitions-Bilanz (M&A) enttäuschend. Die Unzufriedenheit unter Managern, Angestellten und Investoren ist hoch. Zwar gibt es Erfolgsbeispiele, jedoch liegt die Misserfolgsrate zwischen 60 bis 90 %. Das hat sich seit Dewings Pionierarbeit im Jahr 1921 kaum verändert*. Also sollten die Verantwortlichen überaus Willens sein, ihre ausgetrampelten Pfade zu verlassen und stattdessen eine neue Route zu wählen, über die sie das Akquisitionsrisiko minimieren und Synergien absichern können.
Der Anspruch dieses Beitrags ist es nicht, ein Modell zur Integration der Marke in die Unternehmensanalyse (Due Diligence) zu präsentieren. Vielmehr geht es uns darum ...
Kurz: Wir wollen dazu beitragen, das Transaktionsrisiko in M&A-Projekten systematisch zu minimieren und Synergien zu heben: mit Hilfe der Marke.
Was damit gemeint ist: die Integration der Markenperspektive in die Due Diligence, über alle Themengebiete hinweg und in jeder Teildisziplin – als Analyseinstrument, Werttreiber und Change-Managementsystem. Das Ziel: Das Transaktionsrisiko zu minimieren und mehr Synergien zu realisieren, damit der künftige Ertragswert des Zielunternehmens nachhaltig steigt.
Was nicht damit gemeint ist: die operative Integration der Target-Marke in das Markenportfolio des Käufers (siehe Varianten der Markenintegration am Beispiel der Bank Vontobel), das Managen der kommunikativen Oberfläche wie Logo, Slogan oder konventionelles Marketing, genauso wenig wie die isolierte Betrachtung in einer spezifischen DD wie Commercial oder die Etablierung einer neuen Teildisziplin.
Leider ist die Marke in der M&A immer noch ein Randthema. Theorie und Praxis machen das Dilemma deutlich. In der M&A-Fachliteratur findet die Marke kaum mehr Beachtung als „mit einem Satz". In der Praxis hingegen ist sie kein unbekanntes Thema – sie findet unter anderem Beachtung bei der Preisallokation, als Intellectual Property (IP) in der Legal DD und im Marketing & Sales-Workstream in der PMI. Jedoch wird die Marketingabteilung (oder externe Markenexperten) in der Regel erst in der Integrationsphase eingebunden – und dann nur für diesen einen Teilbereich.
Es bleibt die Frage: Wird in der Due Diligence die Marke – immerhin einer der größten, nachhaltigen und lukrativen Wettbewerbsvorteile, wenn es um die Überprüfung der Wertthese und die Ableitung von Transaktionschancen und -risiken geht – sachgemäß berücksichtigt?
Hypothese 1: Die Marke wird nicht konsequent systematisch mitgedacht – von der Strategie über das Transaktionsmanagement bis zur PMI. Dadurch werden (marken- und marktbezogene) Transaktionenrisiken sowie Chancen übersehen und/oder divergent beurteilt.
Hypothese 2: Finanz- und Paragraphenexperten – also Nicht-Markenexperten – beurteilen, welche Bedeutung die Marke für den Zukunftsertragswert hat. Es besteht die Gefahr, dass sie Werttreiber übersehen oder missinterpretieren. Zum Beispiel könnten sie die Wertschöpfungskraft primär von der Markenbekanntheit ableiten, nicht von der Markenattraktivität. Dadurch könnten sie die Bedeutung der Marke fälschlicherweise unter- oder überwerten.
Schon beim Betrachten eines typischen M&A-Teams verhärten sich die beiden Hypothesen: Neben Vorständen werden vor allem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Juristen, M&A-Berater und Banker für die Pre-Merger- und Mergerphase involviert. Solche Entscheider verstehen die Marke in der Regel als kommunikative Oberfläche, als „Soft Fact". Folglich bleibt die Marke in der Unternehmensanalyse außen vor – als Analyseinstrument, Werttreiber und Change-Managementsystem.
Das ist ein Fehler, weil die Marke ein Schlüsselfaktor ist für eine Vielzahl an Kosten- sowie Wertsynergien – und damit prägenden Anteil hat am Ausgang eines jeden M&A-Projekts. Dennoch ist die Marke bisher kein integraler Bestandteil der M&A-Praxis.
Wie könnte eine Brand Due Diligence aussehen? Was würde sie den Entscheidern und damit den Unternehmen bringen?
Wichtig: Bei der Brand Due Diligence bleiben die etablierten Analyseverfahren und Workstreams bestehen – also finanzielle, juristische und etwaige weitere Due Diligence wie die gelernten Prozesse mit den bewährten Modellen.
Die Marke wird jedoch erstmals ...
In den folgenden Abschnitten beschreiben wir den Beitrag der Brand Due Diligence für Financial, Legal, Commercial, HR und Operational.
Um ein fundiertes Verständnis für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens zu erlangen, geht es bei der Financial Due Diligence um die Analyse der Jahresabschlüsse, die aktuelle finanziellen Performance und um die daraus abgeleitete Geschäftsplanung.
Kommt die Markenperspektive hinzu, lassen sich die Gründe für die bisherige Performance aufdecken (etwa Cash Flow-, Umsatz- und Kostenentwicklung) und einen solideren Plan für die künftige Performance aufstellen. Mit Markenszenarien lässt sich simulieren, wie sich die Wahrnehmung und damit das Stakeholderverhalten (Loyalität, Preis-, Kauf- und Weiterempfehlungsbereitschaft) mit der jeweiligen Markenarchitektur verändert.
Mit der Attraktivitätsanalyse wird (in Relation zum Wettbewerb) unter anderem das markeninduzierte Preis- und Volumenpremium sowie das Wertschöpfungspotential bestimmt. Zugleich gibt die Markenresilienz Aufschluss über das Business-Development-Potential sowie die Nachfragestabilität, was wiederum die risikoabhängigen Kapitalkosten beeinflusst.
Folglich hilft die Marke bei
In der Legal DD spielt die Marke – im Verhältnis zu den anderen Analysen – eine kleinere, aber dennoch bedeutsame Rolle. Die Übertragung und Absicherung der Markenrechte („IP") ist für das Zielunternehmen existenziell. Hierbei ist primär zu klären, ob die Marke vollumfänglich nachhaltig abgesichert ist: Das betrifft alle Bestandteile, die für eine beständige Wahrnehmung sorgen, in allen Ländern und Geschäftsfeldern.
Dabei gilt zu beachten, dass die Marke nicht nur aus dem Namen und Logo besteht. Der Markenstil kann sich aus bis zu 12 Elementen zusammensetzen und ist entsprechend abzusichern – zum Beispiel Schrift, Farbe (wie das Telekom-Magenta oder das Türkis Tiffanys), Persönlichkeit (Karl Lagerfeld oder Hipp-Familie), Formen (Maggi- oder Coca-Cola-Flasche).
Um ein umfassendes strategisches Verständnis für ein Unternehmen zu erlangen, hat diese Due Diligence – vereinfacht ausgedrückt – die Aufgabe ...
Wer die Markenperspektive einnimmt, kann die Marktattraktivität bestimmen, Position und Stärke der Wettbewerber im jeweiligen Markt ermitteln und nötige Stellhebel ableiten. Gerade im Produktüberfluss ist eine starke Marke ein zentraler Werttreiber und ein Wettbewerbsvorteil, weil sie Aufschluss über den Top-Line-Growth und Parenting-Vorteile gibt. Dank ihr wird der strategische Fit mit dem Zielunternehmen deutlich und Synergiehebel aufgedeckt.
Mit der Marke werden die Grenzen der Glaubwürdigkeit identifiziert und dem Verwässerungsrisiko vorgebeugt. Die Kompetenzen werden im Markenkern verdichtet und die Markenpositionierung optimiert. Ergo lassen sich – wie in der Business-DD vorgesehen – die Realisierbarkeit der Wirtschaftsziele prüfen und – wie in der Commercial-DD – die künftige Marktsituation des Zielunternehmens bestimmen. Auf diese Weise lassen sich Risiken und Chancen für die PMI ableiten und konkrete Maßnahmen frühzeitig planen.
Die Angst, Schlüsselpersonen zu verlieren, ist groß. Gleichzeitig scheitert die PMI häufig an der Kultur. Entsprechend sind Human-Relations-DD (HR-DD) und Culture-DD in der Unternehmensanalyse zwei wichtige Bereiche, in denen die Marke den entscheidenden Unterschied machen kann.
Die HR-DD fokussiert sich auf die Analyse der Verträge und Personalstruktur. Es geht darum, Kostenpotentiale zu identifizieren und strategisch wichtige Personen zu binden, vor allem mit Geld. Dabei wird die Bedeutung der Marke – sie verschafft Stolz und Identifikation – häufig unterschätzt oder vernachlässigt. Mit dem Verlust der Marke geht in der Regel ein sinkender Mitarbeiterstolz einher, wodurch Kosten steigen (zum Beispiel wegen geringerer Produktivität, einer höheren Abwanderung und einer sinkenden Arbeitgeberattraktivität). Dennoch werden die Folgen einer Markenentscheidung (zum Beispiel der Integration des Targets unter die Dachmarke oder die Bildung einer neuen Marke) in der HR-DD in der Regel nicht mit einkalkuliert.
Weil die Marke Identifikation stiftet, lässt sich mit ihrer Hilfe viel über die Unternehmenskultur in Erfahrung bringen. Dabei beschreibt der Markenkern den Charakter des Unternehmens, definiert den Handlungsrahmen und macht klar, woher das Unternehmen kommt, wofür es steht und wofür es nicht steht. Dadurch lässt sich der Marken-Fit frühzeitig aufdecken und folgendes Risiko gezielt reduzieren: Blockade statt Commitment.
Bei der Analyse der Geschäftsprozesse und der Wertschöpfungsstufen spielt die Marke eine zentrale Rolle, nicht nur im Bereich Vertrieb & Marketing. Im Bereich Markt beeinflusst die Marke unter anderem die zu analysierenden Werttreiber: Preisstruktur, Volumenstruktur sowie Purchase-Funnel (also Relevant Set, First Choice, Kauf sowie Wiederkauf) und Marktprofitabilität. Bei den Produkten hat die Marke Einfluss auf: Produktprofitabilität, Marktanteile pro Kunde/ Produkt und die Produktpositionierung.
Aber auch bei anderen wesentlichen Elementen der Wertkette – wie Wettbewerb, Fertigung & Einkauf, Distribution, R&D, Legal & Steuer, Strategie & Finance, Human Resources und Management – hat die Veränderung der Markenwahrnehmung großen bis sehr großen Einfluss auf die Entwicklung, etwa in der Forschung und Entwicklung, wenn es zu Fehlinvestitionen kommt, die das Image verwässern, wie es beim VW Phaeton der Fall war.
Natürlich können wir in diesem Beitrag die Bedeutung der Marke und ihre vielfältigen Anwendungen in der Due Diligence nur andeuten. Wir hoffen, dass unser Exkurs die Neugier und Freude geweckt hat an diesem so bedeutenden Thema. Die interdisziplinäre Integration der Marke in die Unternehmensanalyse sorgt für weitere, erfolgsentscheidende Erkenntnisse. Sie bietet eine diversifizierte Sicht auf die Wertthese sowie auf Chancen und Risiken.
Mit der Marke ...
Der Zukunftsertragswert (die Prognose der übertragbaren Ertragskraft) steigt, weil die zusätzlichen Erkenntnisse dazu dienen, die Unternehmensbewertung zu aktualisieren. Sie fließen in die Kaufpreisverhandlung ein. Zugleich leiten sich aus den identifizierten Risiken die PMI-Arbeitsfelder ab. Die Entscheider erhalten eine validere Informationsgrundlage über die Überschüsse, die bei Fortführung des Unternehmens erwartet werden.
* z.B. Leepsa et al. (2016), Child et al. (2001), Haleblian et al. (2009), Christensen et al. (2011) oder Feix et al. (2017
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Prof. Dr. Christopher Kummer
Gründer und Präsident des Institutes for Mergers, Acquisitions and Alliances (IMAA)
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